Deutschland im Freudentaumel
Angela Merkel lacht. Zunächst ist es ungläubiges Staunen, das einem breiten, befreiten Lachen weicht, als die deutsche Fußballmannschaft beim Spiel gegen Polen in letzter Minute das Siegtor erzielt. Danach wird das Dortmunder Stadion und das gesamt Land von einem Freudentaumel überzogen und hüllt sich in ein Fahnenmeer ein, wie es die Bundesrepublik vielleicht noch nie gesehen hat.
Einem amerikanischen Sprichwort zufolge befindet sich, wenn die Fahne weht, der Verstand in der Trompete. Haben die Deutschen überreagiert, befinden sie sich in einem neuen übersteigerten Nationalismus, bei dem Deutschland über allem steht? Sollten sie sich eine andere Nationalhymne zulegen, weil die dritte Strophe des Deutschlandlieds eine Stimmung des Nationalsozialismus transportiere. Dies ist jedenfalls die Auffassung der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die, wenn man milde mit ihr umspringt, in die Jahre gekommen und total verbiestert ist.
Man hat, offen gestanden, dieses Gefühl nicht, und selbst die Oberlehrer der Nation erteilen den Deutschen Absolution. So sieht der Bielefelder Historiker Hans-Ullrich Wehler keine Anzeichen für einen neuen Nationalismus, sondern allenfalls bei der Fußball-WM Hinweise auf einen Ersatznationalismus, die er für ein "außerordentlich flüchtiges Phänomen" hält.
Und Hans Mommsen pflichtet seinem Kollegen bei, indem er von einer Art kollektivem Spieltrieb oder Partystimmung spricht. Gleichzeitig wendet sich der Bochumer Historiker gegen die Kritik der GEW am Abspielen der Nationalhymne und verteidigt das Einstimmen der Massen in den Stadien in das Lied der Deutschen als Erkennungssymbol. Hier liege sein Stellenwert.
Wie auch immer man die Vorgänge der letzten Tage bewertet, das massenhafte Beflaggen von Autos, das Schwenken der Fahnen in den Fußgängerzonen, sicher ist, dass die Deutschen mit und ohne WM auf dem Weg sind, ein entspannteres Verhältnis zur Nation zu gewinnen. Viele Äußerungen von jungen Deutschen bei Straßenbefragungen gehen in diese Richtung. Und die Gäste im Lande, die Schlachtenbummler aus vielen Nationen sehen dies genauso.
Dass die Deutschen besondere Organisationsgaben haben, das wusste man schon. Dass sie improvisieren können, dass sie ein Händchen für den Augenblick haben, wie jene Berliner Polizisten auf dem Ku’damm, die ein paar hübschen schwedischen Schlachtenbummlerinnen gestatten, auf dem Motorradbeifahrersitz für einen Augenblick Platz zu nehmen, gehört zu jenen Szenen, wie es sie nun Tag für Tag zwischen Aachen und Frankfurt an der Oder gibt. Kein Zweifel, Deutschland und hier speziell die Hauptstadt nutzen die Chancen und beeindrucken den Rest der Welt als souveränes Gastgeberland.
Beckenbauer, der beste Diplomat, den dieses Land seit dem Zweiten Weltkrieg hatte, ist ein spezieller Glücksfall. Wenn dann noch der sportliche Erfolg der eigenen Mannschaft hinzukommt, der hoffentlich anhält, ist das Glück komplett.
Till Brönner, der international weit herumgekommene deutsche Jazz-Trompeter, sagte soeben, dass die Deutschen über sich selbst zu viel nachdächten. Daran ist eine Menge wahr, und vermutlich gibt es keine Nation, die so sehr daran interessiert ist, wie andere Länder über sie denken. Aber zumindest im Augenblick ist diese Regel außer Kraft gesetzt. Das Land verhält sich entspannt und selbstbewusst zugleich, und es wird interessant sein, zu beobachten, ob etwas davon auch nach dem WM-Turnier übrig bleiben wird.
Spätestens jetzt zeigt sich übrigens, dass wir längst ein Einwanderland geworden sind. Unsere Lieblinge heißen ein halbes Jahrhundert nach Fritz Walter und Helmut Rahn Miroslaw Klose, Lukas Podolski, Oliver Neuville und David Odonkor. Patrick Owomoyela, der Ex-Armine und Neu-Bremer musste leider zu Hause bleiben. Der erste Wohnsitz des Bundestrainers, der alle Chancen hat, in seinen Popularitätswerten die Kanzlerin zu überflügeln, liegt in Kalifornien, nicht an der Bergstraße.
"Carpe diem", genieße – frei nach Horaz – den Tag, kann man da nur noch sagen.
Man hat, offen gestanden, dieses Gefühl nicht, und selbst die Oberlehrer der Nation erteilen den Deutschen Absolution. So sieht der Bielefelder Historiker Hans-Ullrich Wehler keine Anzeichen für einen neuen Nationalismus, sondern allenfalls bei der Fußball-WM Hinweise auf einen Ersatznationalismus, die er für ein "außerordentlich flüchtiges Phänomen" hält.
Und Hans Mommsen pflichtet seinem Kollegen bei, indem er von einer Art kollektivem Spieltrieb oder Partystimmung spricht. Gleichzeitig wendet sich der Bochumer Historiker gegen die Kritik der GEW am Abspielen der Nationalhymne und verteidigt das Einstimmen der Massen in den Stadien in das Lied der Deutschen als Erkennungssymbol. Hier liege sein Stellenwert.
Wie auch immer man die Vorgänge der letzten Tage bewertet, das massenhafte Beflaggen von Autos, das Schwenken der Fahnen in den Fußgängerzonen, sicher ist, dass die Deutschen mit und ohne WM auf dem Weg sind, ein entspannteres Verhältnis zur Nation zu gewinnen. Viele Äußerungen von jungen Deutschen bei Straßenbefragungen gehen in diese Richtung. Und die Gäste im Lande, die Schlachtenbummler aus vielen Nationen sehen dies genauso.
Dass die Deutschen besondere Organisationsgaben haben, das wusste man schon. Dass sie improvisieren können, dass sie ein Händchen für den Augenblick haben, wie jene Berliner Polizisten auf dem Ku’damm, die ein paar hübschen schwedischen Schlachtenbummlerinnen gestatten, auf dem Motorradbeifahrersitz für einen Augenblick Platz zu nehmen, gehört zu jenen Szenen, wie es sie nun Tag für Tag zwischen Aachen und Frankfurt an der Oder gibt. Kein Zweifel, Deutschland und hier speziell die Hauptstadt nutzen die Chancen und beeindrucken den Rest der Welt als souveränes Gastgeberland.
Beckenbauer, der beste Diplomat, den dieses Land seit dem Zweiten Weltkrieg hatte, ist ein spezieller Glücksfall. Wenn dann noch der sportliche Erfolg der eigenen Mannschaft hinzukommt, der hoffentlich anhält, ist das Glück komplett.
Till Brönner, der international weit herumgekommene deutsche Jazz-Trompeter, sagte soeben, dass die Deutschen über sich selbst zu viel nachdächten. Daran ist eine Menge wahr, und vermutlich gibt es keine Nation, die so sehr daran interessiert ist, wie andere Länder über sie denken. Aber zumindest im Augenblick ist diese Regel außer Kraft gesetzt. Das Land verhält sich entspannt und selbstbewusst zugleich, und es wird interessant sein, zu beobachten, ob etwas davon auch nach dem WM-Turnier übrig bleiben wird.
Spätestens jetzt zeigt sich übrigens, dass wir längst ein Einwanderland geworden sind. Unsere Lieblinge heißen ein halbes Jahrhundert nach Fritz Walter und Helmut Rahn Miroslaw Klose, Lukas Podolski, Oliver Neuville und David Odonkor. Patrick Owomoyela, der Ex-Armine und Neu-Bremer musste leider zu Hause bleiben. Der erste Wohnsitz des Bundestrainers, der alle Chancen hat, in seinen Popularitätswerten die Kanzlerin zu überflügeln, liegt in Kalifornien, nicht an der Bergstraße.
"Carpe diem", genieße – frei nach Horaz – den Tag, kann man da nur noch sagen.