Integration geht nicht über Nacht
Wie vermittelt man den Flüchtlingen nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch Alltag und Kultur in Deutschland? Die Neuankömmlinge dürften nicht überfordert werden, meint der ehemalige Schulrektor Hans Dieter Hörtrich - und rät zur Geduld.
In der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen geht es momentan meist um Fragen der Aufnahme und der Organisation. Nachvollziehbar, aber etwas zu kurz gedacht, denn viele der Neuankömmlinge werden bleiben. Wie vermittelt man ihnen die deutsche Sprache? Und, noch einen Schritt weiter gedacht, dabei auch gleich die deutsche Kultur?
Hans Dieter Hörtrich, bayerischer Schulrektor a.D. aus Tannhausen, der sich seit einiger Zeit ehrenamtlich engagiert und Deutschkurse für Asylbewerber sowie das passende Arbeitsbuch "Deutschkurs für Asylbewerber. Thannhauser-Modell" konzipiert hat, sagt: Wer den Asylbewerbern gleich nach ihrer Ankunft im allerersten Deutschkurs bereits alles über das politische System in Deutschland beibringen wolle und darüber, wie "Liebe funktioniert und wie man eine Frau kennenlernt", der überfordere sie.
Kritik am Workbook
Das nämlich hat Eva Quistorp, Grünen-Politikerin und Theologin, gefordert und Hörtrichs Deutschbuch in dem Zusammenhang kritisiert, weil es diese Aspekte ausspare. Hörtrich sagt dazu: "Es tut mir leid, dass sie gerade unser Workbook hernimmt als Watschenbaum, um ihre virtuelle Wunschwelt aufzustellen." Er könne sich nur darüber wundern, wie Frau Quistorp sich über Inhalte seines Buches lustig mache – etwa über die Tatsache, dass in dem Lernbuch Dinge wie "Putzmann" vorkämen.
Gleichberechtigung erklären
Im Übrigen bemühten sich alle Deutschlehrer, die nach seinem Buch unterrichteten, sehr darum, deutsche Realität wie etwa die Gleichberechtigung der Frauen in der Gesellschaft zu transportieren. Im Kurs seien Auszüge aus dem Grundgesetz behandelt worden – vor dem Hintergrund einer Kursteilnehmerin, die von ihrem Mann geschlagen worden sei, weil sie nicht schwanger geworden sei: "Und wir haben ihr beigebracht, dass in Deutschland die Frau genauso viel wert ist wie der Mann. Aber das dauert eine Zeit lang, denn sie sind ja mit diesem Programm in Afrika oder Syrien aufgewachsen, dass die Frau hinter dem Mann steht. Und da brauchen wir Zeit und auch Geduld, dass wir ihnen das vorleben, dass sie das spiegeln können."