Deutsches Wort für "Blackout" gesucht

Moderation: Matthias Hanselmann |
Die Gründer der Aktion "Lebendiges Deutsch" suchen ein treffendes deutsches Wort für den Begriff "Blackout". Es sei ein Wort, "das vermutlich 60 Prozent der Deutschen nicht verstehen", erklärte der Autor Wolf Schneider im Deutschlandradio Kultur. Bis 14. März können Vorschläge eingereicht werden.
Matthias Hanselmann: Er war unter anderem Moderator der NDR-Talkshow, er war Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung", Verlagsleiter des "Stern", Chefredakteur der "Welt", 16 Jahre lang Leiter der Henri-Nannen-Schule, 21 Jahre lang Autor bei "Geo". Er hat zahlreiche Bücher verfasst, viele davon zum Thema deutsche Sprache, viele zum Thema Journalismus. Und er ist immer noch, mit heute 80 Jahren, Ausbilder an fünf deutschen Journalistenschulen. Vor kurzem hat er die Aktion "Lebendiges Deutsch" ins Leben gerufen. Eine Aktion, die sich hauptsächlich gegen den angeblich überflüssigen Gebrauch englischer Wörter in der deutschen Sprache richtet. Sein Name, sie werden ihn vielleicht schon erraten haben, Wolf Schneider. Wolf Schneider hat diese Initiative zusammen mit dem Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache, Walter Krämer, und mit dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, gegründet. Und es gibt prominente Unterstützer der Aktion "Lebendiges Deutsch", unter anderen den Liedermacher Reinhard Mey und den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Jetzt ist Wolf Schneider für uns am Telefon. Guten Tag.

Wolf Schneider: Guten Tag.

Hanselmann: Sie sind auf der Suche nach einem treffenden deutschen Wort für den englischen Ausdruck Blackout, der in Deutschland massenhaft verwendet wird, nicht als Synonym für Stromausfall, sondern für eine kurze Bewusstseinsstörung, also wenn einem zum Beispiel urplötzlich ein Name nicht mehr einfällt, der einem eigentlich geläufig ist. Was ist denn...

Schneider: ... ja, oder wenn man mitten in einer Argumentation den Faden verliert oder in einer Geschichte und so weiter.

Hanselmann: Genau. Was ist so falsch an dem Wort Blackout.

Schneider: Falsch ist daran gar nichts. Es ist halt ein Wort, das vermutlich 60 Prozent der Deutschen nicht verstehen. 60 Prozent der Deutschen können nämlich nicht Englisch. Und es ist nicht von jener Anschaulichkeit, die man hoffentlich erreichen kann, wenn uns was Gutes dazu einfällt. Wir haben für unseren ersten Versuch, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, nämlich den Countdown, haben wir 507 Vorschläge bekommen und haben daraufhin also die Startuhr zum Sieger ernannt, weil man sagen kann, der Countdown läuft, die Startuhr läuft. Und Startuhr finde ich halt besser als Countdown. Es ist ein schönes deutsches Wort. Die Deutschen haben ja vor 300 Jahren auch das Wort Akteur verstanden, aus dem Französischen, aber dann
kam Philipp von Zesen und hat den Schauspieler erfunden. Und der Schauspieler ist einfach besser als der Akteur und der hat sich durchgesetzt. Also man kann durchaus auch für Wörter, die die Hälfte der Deutschen verstehen, versuchen, bessere deutsche Wörter zu finden. Warum müssen wir so dringend Englisch sprechen?

Hanselmann: Na, ich wage mal zu behaupten, dass auch diejenigen, die normalerweise kein Englisch können, sich etwas unter Blackout oder Countdown vorstellen können. Zum Beispiel der Helmut Kohl, der hatte da den berühmten Blackout, jeder weiß, was damit gemeint ist.

Schneider: Ja gut also, wenn Sie zu denen gehören, die lieber Englisch sprechen, auch wenn es ein gutes deutsches Wort dafür gäbe, dann sind Sie halt genau bei denen, die wir gerne bekämpfen würden.

Hanselmann: Finden Sie denn Startuhr wirklich treffender als Countdown? Wer jemals einen Raketenstart im Fernsehen verfolgt hat, dem ist doch klar, was Countdown ist.

Schneider: Ja, mag ja sein. Also wenn Sie Wert darauf legen, dass es allein auf den Grad der Verständlichkeit ankommt, dann sind wir halt auseinander. Wir meinen, dass im Grenzfall, mit wunderschönen historischen Beispielen, was man schon alles auf Deutsch eingeführt hat, weil einige Leute sich das ausgedacht haben, dass im Grenzfall die deutsche Sprache sich der deutschen Sprache bedienen soll. Was spricht dagegen? Also, dass Sie mich in einen Begründungszwang versetzen, das gefällt mit nicht. Das ist ein Stück der Gesinnung, die wir bekämpfen. Zunächst mal, wir sind Deutsche, wir sprechen Deutsch und wir haben natürlich sehr praktische Importe, an denen kein Mensch was ändern will, wie den Test und den Sport und den Job und das Team. Also überhaupt keine Jagd auf Fremdwörter, überhaupt keine Jagd auf Anglizismen schlechthin. Sondern es wird halt ein bisschen übertrieben, nicht.

Hanselmann: Aber hätte man dem Wort Team nicht schon frühzeitig sozusagen den Garaus machen sollen?

Schneider: Als sich das so vor 50 oder ich weiß nicht vor wie viel Jahren einbürgerte, da hätte man sich vielleicht dazu was einfallen lassen können. Aber das ist nun dermaßen im Deutschen zu Hause, also das verstehen 95 Prozent.

Hanselmann: Aber da sind wir...

Schneider: Das ist praktisch, nicht.

Hanselmann: Da sind wir, glaube ich, an einem interessanten Punkt. Wie weit, Herr Schneider, soll die Sprachkontrolle gehen? In Frankreich, da werden Anglizismen oder aufkommende neue englische Wörter von einer staatlichen Zentrale abgefangen, sozusagen...

Schneider: ... nein, um Gottes willen.

Hanselmann:... ins Französische übersetzt und ...

Schneider: ... ja ...

Hanselmann: ... und es werden dann ähnlich wie bei ihrer Aktion neue Wörter gefunden. Soll es bei uns eine solche staatliche Institution geben? Oder genügt Privatinitiative?

Schneider: Nein. Das Wort Kontrolle lehne ich heftig ab. Nur sobald dabei in Frankreich vernünftige Vorschläge herauskommen, muss man ja auch nichts dagegen haben. Sie sagen zum Beispiel für Schnellrestaurant jetzt restauvite und das ist ja eine ganz hübsche Bildung auf Französisch. Nein, wir machen ein Angebot und solche Angebote werden seit Jahrhunderten gemacht. Zur Goethezeit sagte man noch Supplikant. Dann machte der deutsche Grammatiker Kampe ein Angebot nämlich, sagen wir doch lieber Bittsteller. Und das hat sich durchgesetzt. Als 1965 die Amerikaner den Antiatomwaffenverbreitungsvertrag einführten, dann hieß der zunächst auf Deutsch Nonproliferationsvertrag. Und dann hat sich die Nachrichtenagentur AP in Deutschland ausgedacht wir nennen das Atomwaffensperrvertrag. Und das hat sich durchgesetzt. Also man darf nachdenken, und wenn man was Hübsches hat, dann bietet man es an und wenn es gut ist, dann setzt es sich durch. Mehr nicht.

Hanselmann: Aber man muss sich natürlich fragen, wo ist die Grenze, nach welchen Kriterien wollen Sie Vokabeln ins Deutsche zurück übersetzen oder deren Gebrauch bekämpfen?

Schneider: Die Frage nach der Grenze ist ja deshalb nicht wichtig, weil wir weder die Macht haben, noch die Macht anstreben es durchzusetzen. Wir machen Angebote. Und wir nehmen in Kauf, dass mindestens die Hälfte unserer Angebote nicht angenommen wird. Aber wir liegen auf der Lauer, schöne Angebote zu machen, die sich durchsetzen. In Deutschland hat man Aeroplan gesagt, und dann fiel jemandem das Wort Flugzeug ein. Und das hat sich durchgesetzt. Also, ich glaube, dass wir oder dass man jetzt Aktionärsnutzen sagen kann, statt Shareholder Value, das war eines unsere ersten Angebote, das scheint mir doch nun wirklich höchst naheliegend. Den Shareholder Value haben wahrscheinlich 70, 80 Prozent der Deutschen nicht verstanden.

Hanselmann: Nee, den verstehe ich immer noch nicht, ganz ehrlich gesagt.

Schneider: Aktionärsnutzen verstehen Sie doch hoffentlich?

Hanselmann: Ja, natürlich. Gibt es für Blackout, für diesen zweiten Begriff, für den Sie eine Übersetzung suchen, schon Vorschläge?

Schneider: Ja, die gehen jetzt ein. Aber ich kenne noch keinen. Ich habe nur von unserem Gewährsmann, der das sammelt, Dr. Sommer, habe ich die Auskunft, dass er bereits überschüttet wird. Wir waren ja also mit 507 Angeboten beim ersten Mal sehr zufrieden.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton, wir sprechen mit Wolf Schneider. Er ist Autor und Ausbilder an zurzeit fünf Journalistenschulen in Deutschland. Herr Schneider, wir haben gesagt, ein Gesetz, das würden Sie sich nicht wünschen, obwohl es ja in weit über 1000 Ländern existiert. Ein Gesetz zum Schutz der Sprache. Also ...

Schneider: ... nein, also erstens ich wäre für Gesetze nicht zuständig, das ist ein private Initiative, so wie in den genannten Beispielen, wo also irgendwelche Zeitgenossen schon zur Goethezeit sich schöne deutsche Wörter ausgedacht haben, Exkursion sagte man zur Goethezeit, derselbe Herr Kampe hat das Wort Ausflug erfunden. Die Sprachgemeinschaft hat das Angebot angenommen. Und es ist ein schönes Wort. Wir machen Angebote, und wir sehen zu, ob es angenommen wird oder nicht. Also weniger Vorschrift könnte gar nicht sein, nicht.

Hanselmann: Ich habe...

Schneider: Aber sich was auszudenken, und der Öffentlichkeit etwas anzubieten, das kann doch kein Fehler sein.

Hanselmann: Ich habe noch Lust auf zwei, drei Beispiele, Herr Schneider: Coiffeur.

Schneider: Coiffeur. Das sagt man ja in der Schweiz, aber in Deutschland nicht.

Hanselmann: Vernissage.

Schneider: Vernissage. Ja, Vernissage werden wohl viele Leute nicht verstehen, aber die gehen dann sowieso nicht hin. Vernissage kommt nun auch aus dem Französischen, ...

Hanselmann: Natürlich ...

Schneider: Wir wollen den Kreis nicht zu sehr erweitern. Aber ich schreibe es mal auf eine Liste, ob uns was einfallen könnte. Unsere Wunschliste ist ja Hunderte von Wörtern. Und wir beraten uns dann, bei welchen es sinnvoll ist, es anzubieten.

Hanselmann: Bücher wie "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" sind zurzeit Bestseller. Darf ich überhaupt Beststeller sagen?

Schneider: Ja, sicher, denn das Wort ist praktisch und kurz, und es wird sehr schwer sein, dafür etwas anzubieten.

Hanselmann: Gut, sagen wir, sie verkaufen sich massenhaft, ja. Die Rechtschreibreform wird überall und immer wieder heiß diskutiert, es scheint doch ein großes Interesse zu geben am Gebrauch der deutschen Sprache. Meinen Sie nicht doch, dass sich der Gebrauch und die Einbürgerung von englischen und amerikanischen und anderen Wörtern eigentlich ganz organisch entwickelt und dass man solche Initiativen wie die Ihre eigentlich gar nicht braucht?

Schneider: Hahaha, also dann nehmen Sie mal Sat.1. Sat.1 hat sich organisch entwickelt nachdem es eine schreckliche Pleite erlebt hatte mit einem englischen Spruch. Die haben bis vor zwei Jahren geworben, "powerd by emotion", erschien immer auf dem Fernsehschirm, dann haben sie festgestellt, 60 Prozent der Deutschen hatten keine Ahnung was das heißen soll, und unter denen die behaupteten es verstanden zu haben, sagten einige, das heißt "Kraft durch Freude" oder "von Emotionen gepudert".

Hanselmann: Um Gottes willen.

Schneider: Und nun hat Sat.1 das seit zwei Jahren umgestellt und sagt, "Sat.1 zeigt's allen". Das heißt, eine große Firma, die Millionen verdienen will, hat die Einsicht gehabt, Englisch ist Quatsch. In manchen Fällen, in übertriebenen Fällen. Man darf nachdenken. Und ich lade eigentlich nur meine Mitbürger ein, dass sie dieselbe Frische im Umgang mit englischen Importen haben möchten, wie der kommerzielle Sender Sat.1. Nun wird er verstanden. McDonald's hat auch umgestellt, "ich liebe es", ja , und früher hieß es, "every time a good time". Und von zwölf Firmen, die da untersucht worden sind, haben acht also ihre Werbesprüche umgestellt. Die Werber waren sozusagen bescheuert, sie haben an ihren Kunden vorbeigeredet.

Hanselmann: Herr Schneider, Sie haben mich ja überzeugt. Vielen Dank für das Gespräch. Wolf Schneider, Autor, Journalistenausbilder und Anstifter der Aktion "Lebendiges Deutsch", die zurzeit eine sinnvolle Übersetzung des Begriffes Blackout sucht. Wenn Sie eine Idee haben, senden Sie diese bitte an deutschesprache@gmx.de. Danke schön, Herr Schneider. Schönen Tag noch.