Deutsches Architekturmuseum Frankfurt

Sammlung städtebaulicher Utopien

05:47 Minuten
Blick auf den Mailänder Dom
Ein aus Sperrholz gefertigtes Modell des Mailänder Doms steht heute im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main © imago images / Cavan Images
Von Ludger Fittkau · 30.07.2020
Audio herunterladen
Rund 1700 Architekturmodelle gehören zur Sammlung des Deutschen Architekturmuseums. Damit ist die Frankfurter Sammlung eine der wichtigsten weltweit und zeigt auch zahlreiche Modelle von Bauten, die nie verwirklicht wurden.
Der Mailänder Dom am Südbahnhof von Frankfurt am Main: 135 gotische Türmchen, die sogenannten "Fialen", ragen aus der Dachkonstruktion einer der größten Kathedralen der Welt. In jahrelanger Arbeit haben unbekannte Modellbauer den Dom der norditalienischen Metropole nachgebaut – aus Sperrholz auf vielleicht anderthalb Quadratmetern. Gerade so groß, damit das Modell auf einen Handkarren passte, mit dem man herumziehen und den Dom gegen Geld zeigen konnte. Heute steht der Karren samt Dommodell im Archiv des Deutschen Architekturmuseums (DAM), nicht weit vom Frankfurter Südbahnhof entfernt.
Ende der 1920er Jahre seien in der Zeit der Weltwirtschaftskrise zwei Männer mit dem Karren in Europa auf Tour gegangen, sagt die Kunsthistorikerin Katja Leiskau, die das Archiv leitet. "Sie sind durch die Städte gezogen und haben dieses Modell gezeigt. Zwar gab es in den 1920er-Jahren natürlich auch schon Fotografien, die in Büchern abgedruckt waren. Aber das war nicht unbedingt jedermann zugänglich. Das waren eher die akademischen Kreise, die Zugang dazu hatten. So war es jetzt sicherlich eine Attraktion, das mal zu sehen, wie das ungefähr aussieht."

Ein Hochhaus wie eine Wirbelsäule

Geld habe der deutsche Architekt Conrad Roland mit seinem in den 1960er geschaffenen Modell eines Spiral-Hochhauses wohl nicht verdient, sagt Leiskau. Es ähnelt einer menschlichen Wirbelsäule. Eine filigrane und spielerisch wirkende Metall-Konstruktion von etwa einem Meter Höhe, die aber statisch bestens funktioniert. "Dies ist ein Gegenentwurf zum Original World Trade Center in New York. Nach den eigenen Aussagen von Conrad Roland. Es ist ein schlankes, in sich gedrehtes Hochhaus mit 120 Geschossen. Es ist eine ganz feine Konstruktion, die aber in sich trägt. Er hat mit Frei Otto gearbeitet, der eben einen Schwerpunkt auf leichten Flächentragwerken hat. Das hat alles Hand und Fuß."
Archivleiterin Katja Leiskau in einem Archivraum des DAM.
Katja Leiskau leitet das Archiv des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. © Deutschlandradio/Ludger Fittkau
Einige Modelle bedeutender Architekturbüros landeten auf dem Müll, wie in den USA beiläufig Heinrich Klotz entdeckte, Ende der 1970er-Jahre der Begründer des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main.
Klotz, später noch Gründungschef des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, begann bereits vor rund vier Jahrzehnten mit der systematischen Sammlung der Modelle für das heutige Museum am Frankfurter Museumsufer. Dazu Leiskau: "Was das Entscheidende ist, war einfach die Erkenntnis von Heinrich Klotz, dass diese Dinge für die Architektur als auch als eigenständiges Objekt super wertvoll sind. Auch wenn die Architekten selbst das nicht wissen! Man muss es ja manchmal auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand betrachten. Und dann wird es plötzlich ganz wichtig. Und er hat das erkannt und hat sich eigentlich dann ziemlich schnell daran gemacht, Dinge zu finden, die er sichern und schützen kann."

"Frankfurter Küche" in zwei Versionen

Geschützt wird im Deutschen Architekturmuseum auch die sogenannte "Frankfurter Küche" – in zwei Versionen. Zum einen eine Originalküche, gestaltet 1926 von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, besungen etwa von Rotifer.
In Serie gegangen ist die Küche im Rahmen der Siedlungen Programms "Neues Frankfurt" von Ernst May, einem bedeutenden Stadtentwicklungsprojekt des "neuen Bauens" parallel zum Bauhaus. Die "Frankfurter Küche" gilt als Startpunkt der modernen Einbauküche.
Neben Architekturmodellen sammeln Katja Leiskau und ihr Archivteam gezielt Zeichnungen oder Grundrisse bestimmter Gebäude: "Beispielsweise die sogenannten Betonmonster des Brutalismus. Die sind gefährdet, beziehungsweise wurden auch schon umfangreich abgerissen. Und wenn jetzt solche Gebäude schon verloren sind, ist es natürlich unendlich kostbar noch die schnöden Bestands- Zeichnungen, Grundrisse, Schnitte und so weiter - das noch zu haben für die und für die Zukunft zu bewahren."

Das nie gebaute "Trichterhaus"

Viele Modelle sind inzwischen auch auf der Homepage des Deutschen Architekturmuseums zu sehen. Auch ein sogenanntes "Trichterhaus" von gut anderthalb Metern Durchmesser und rund einem Meter Höhe. Geschaffen vom Künstler und Kunstkritiker Walter Jonas. Im Baukörper, der wirklich wie ein Trichter um einen kleinen Teich am Boden modelliert ist, hätten rund 2000 Menschen leben können.
Mehrere dieser Trichterhäuser sollten "Intrapolis" bilden – so der Name der städtebaulichen Utopie aus dem Jahr 1960. Wahrscheinlich ist schon aus Lärmgründen gut, dass das Trichterhaus nie gebaut wurde. Aber als Modell ist es absolut sehenswert und zu Recht Teil der großartigen Sammlung.
Mehr zum Thema