Deutscher Tanzpreis für Gert Weigelt

Die Seele eines Stücks in einem Foto

07:48 Minuten
Im Vordergrund zwei Paar Beine in schwarzen Hosen. Blick durch die Beine nach hinten, wo mehrere Frauen auf Stühlen sitzen. Schwarzweißfoto.
Gert Weigelt begleitet seit den 70er-Jahren die herausragenden Choreografinnen und Choreografen unserer Zeit. Das Foto zeigt eine Inszenierung von Pina Bausch. © Gert Weigelt
Moderation: Britta Bürger · 19.10.2019
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Gert Weigelt hat sein Leben dem Tanz gewidmet: zunächst als aktiver, klassischer Tänzer in berühmten Ballett-Kompanien, dann als Tanzfotograf. Er ist bekannt für seine Schwarzweißfotografien. Nun wurde er mit dem Deutschen Tanzpreis geehrt.
Im Rahmen einer großen Gala im Essener Aalto-Theater wurde am Samstagabend der Tanzfotograf Gert Weigelt mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet, der höchsten Ehrung in diesem Bereich.
Vor seiner Karriere als Tanzfotograf war er ein aktiver, klassischer Tänzer. In den 60er- und 70er-Jahren war er Ensemble-Mitglied des Königlich-Schwedischen Balletts in Stockholm, des Cullberg-Balletts und des berühmten Nederlands Dans Theater.

"Digitale Fotografie ist ein Geschenk des Himmels"

Weigelt hat sich in seiner zweiten Karriere mit Schwarzweißfotografien einen Namen gemacht.
"Ich bin ein absoluter Befürworter der Schwarzweißfotografie, weil sie viel spannender ist. Sie zielt viel mehr auf die Form. Farbe ist bunt, wir sind umgeben mit Farbe und Buntheit, schwarzweiß bringt so eine Ruhe in ein Bild", sagt Weigelt.
Wer nun aber glaubt, dass er der Digitalisierung skeptisch gegenüber steht, irrt: "Für den Tanz ist das Digitale ein Geschenk des Himmels, weil man fast alles registrieren kann. Ich kann in die dunkelsten Ecken der Bühne, die Kameras sind fast Nachtsichtgeräte."
Der Tanzfotograf Gert Weigelt.
Gert Weigelt beschreibt seine Arbeitsweise als intuitiv. Mit einem Sprung ins kalte Wasser fängt alles an. Er lässt sich von jedem Stück, das er fotografiert, überraschen.© Gert Weigelt
Gert Weigelt ist hörbar stolz auf diese Auszeichnung. Es ist aber nicht so, dass er sich von Anfang an für die Tanzfotografie entschieden hat. Er wollte Fotograf werden, das stand zwar fest.
Aber "wo die Reise hingeht, wusste ich damals gar nicht. Zwar hatte ich angestrebt, an Theatern zu arbeiten, weil das auch mein soziales Umfeld war", aber der Weg vom Ballettsaal in die Dunkelkammer ist dann doch schwer gewesen, "jedenfalls was die Aussicht anbelangt".

Intuitive Arbeitsweise

Weigelt versucht jedenfalls, wie er sagt, "mit einem Foto die Seele eines Stücks zu erhaschen. Das ist zwar utopisch, aber man darf nicht loslassen, das zu wollen". Dabei geht er "absolut intuitiv" vor.
Am liebsten springt er ins kalte Wasser. "Man ist dann sehr ‚alert‘. Wenn man das Stück schon mal gesehen hat, glaubt man nämlich zu wissen, was wo kommt, aber wenn man noch nichts gesehen hat, dann muss man so viel schneller reagieren."
Die endgültigen Fotos entstehen dabei über einen Zeitraum von drei Bühnenproben: "In der ersten habe ich nichts gesehen, das ist der Sprung ins kalte Wasser. Bei der zweiten weiß ich, was auf mich zukommt. Ich kann das Material vom ersten Abend sichten und sehen, wo Defizite sind. Beim dritten Mal setze ich mich in den ersten Rang, um eine andere Perspektive zu haben."

"Man muss frech und frei sein"

Um richtig gute Fotos machen zu können, braucht Weigel alle Freiheiten, wie er sagt. Begrenzungen seien überhaupt nicht angebracht. Über die Fotos könne man im Nachhinein sprechen.
"Man muss wirklich frech sein und harte Anschnitte machen, um ein spannendes Bild zu bekommen, und man darf nicht denken, wenn der Choreograf etwas gut findet, dass dann das Bild auch gut ist. Oft ist es gerade umgekehrt."
Weigelt sieht sich in erster Linie als Chronist, nicht als Künstler. Die Entscheidung, ob er einer sei, müssten andere fällen. Er freut sich jedenfalls darüber, dass dies in seinem Fall nun schon zu Lebzeiten passiert ist.
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