Deutscher Pop im Krisengebiet

Jens Friebe im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Jens Friebe war mit seiner Band im Irak - auf Einladung des Goethe-Instituts. "Die haben sich dann eben auch ein bisschen selbst abgefeiert", sagte Friebe über die Konzertbesucher im Norden des Landes.
Liane von Billerbeck: Es sind schon viele Künstler, Schriftsteller, Literaten, Maler, Musiker vom Goethe-Institut eingeladen worden, um als gute deutsche Exportartikel in die Welt hinaus zu reisen - manche auch in eher unwirtliche Ecken. Mein heutiger Gesprächspartner gehört dazu, er war nämlich mit seiner Band im Nordirak: der Berliner Liedermacher Jens Friebe. Gestern ist er von dort zurückgekommen und heute hier. Jens Friebe, herzlich Willkommen!

Jens Friebe: Hallo!

von Billerbeck: Was treibt denn einen Liedermacher wie Sie ausgerechnet in den Nordirak?

Friebe: Na ja, es ist ja nicht so, dass man so am Globus sitzt und irgendwo den dreht ...

von Billerbeck: Finger drauf!

Friebe: ... und Finger drauf hält oder sagt, da möchte ich unbedingt hin, sondern man kriegt Einladungen, und dann muss man entscheiden, will ich da hin oder will ich da nicht hin. Und Nordirak ist auf jeden Fall eine Gegend, wo man denkt, da kommt man normalerweise privat schon nicht unbedingt leicht hin, und mit der Band und mit der Chance, da ein Konzert zu geben, erst recht nicht. Und da sagt man natürlich schwer Nein.

von Billerbeck: Also es war nicht so, dass die Schwierigkeiten hatten, da Künstler zu finden, sondern Sie sind da mit fliegenden Fahnen auf das Angebot des Goethe-Instituts eingegangen?

Friebe: Also sie hatten zumindest nicht große Schwierigkeiten, mich davon zu überzeugen. Ich weiß nicht – ich glaube, es war sehr, sehr kurzfristig, also sie haben mir irgendwie zwei, drei Wochen vorher angefragt, und ich glaube, dass vorher ein Künstler abgesprungen ist aus Unpässlichkeiten. Ich glaube, es sollte eigentlich Doppel-U sein, der Schiller und Goethe rappt.

von Billerbeck: Hatten Sie keine Angst vor Anschlägen, wenn Sie sich dahin aufmachen?

Friebe: Ich hab’ irgendwie doch so ein kindliches Urvertrauen in die zivilen Institutionen wie dem Goethe-Institut und denke, die werden mich schon nicht irgendwo einladen, wo es total kracht. Ich habe aber dann natürlich doch noch mal nachgegoogelt und mich über die Region informiert und dann doch rausbekommen, dass das natürlich mit dem Irak, wie man sich ihn hier vorstellt, da im Norden nicht so viel zu tun hat. Das ist ja praktisch ein kurdisches Autonomiegebiet, und die kurdische Armee hat das ziemlich gut im Griff eigentlich, und es ist eigentlich soweit sicher. Also wir haben ja gespielt in Erbil und Sulaimaniyya und sind dann hin- und hergefahren.

Und auf dem Rückweg dann wieder zum Flughafen, nach Erbil, sind wir über so eine Autobahn gefahren – da hieß es wohl, das wäre jetzt schon, da gebe es schon ein bisschen so die Empfehlung ausgesprochen, da vielleicht eher nicht langzufahren, weil da sind Ölfelder, wo auch die Amerikaner noch präsent sind militärisch, und da gibt es noch irgendwie die theoretische Möglichkeit, das Al Kaida da noch mal was hochgehen lässt. Aber im Allgemeinen hat man auch nicht das Gefühl, dass man das – also da ist eine ziemliche Militärpräsenz zwar, aber eher so wie in Tel Aviv oder so –, und man hat aber eigentlich nicht das Gefühl, dass es eine insgesamt instabile oder unsichere Region gerade ist.

von Billerbeck: Nun fährt man ja als Künstler, wenn man vom Goethe-Institut eingeladen wird, immer als so eine Art Kulturbotschafter Deutschlands ins Ausland. Was war denn das für ein Publikum, vor wem haben Sie denn gespielt? Haben die verstanden, was Sie gesungen haben?

Friebe: Na ja, vielleicht ein bisschen mehr als jetzt der Durchschnittskurde, weil das ist ja im Rahmen von diesem Projekt PASCH-Projekt, also Schulen: Partner der Zukunft, ich kriege es jetzt nicht ganz zusammen, Partner für die Zukunft oder Schulen: Partner der Zukunft. Und die arbeiten eben gezielt mit Schulen zusammen, wo Deutsch unterrichtet wird und fördern die dann und schulen die Lehrer und geben Seminare und so weiter. Also es ist im Grunde auch ein Eliteschulenprojekt. Und die Konzerte waren ja nicht abends in irgendeinem Club für ein normales Laufpublikum, sondern diese Kinder wurden halt gezielt eingeladen und auch dahingekarrt dann. Und es waren dann ...

von Billerbeck: Das heißt, Sie Armen mussten vormittags spielen?

Friebe: Wir mussten vormittags spielen, und die Kinder hatten schulfrei, das war natürlich super. Und da waren dann ... Am ersten Tag in Erbil waren dann aus den verschiedensten Förderschulen da 1000 Kinder angekarrt, von 12 bis 18 oder 20.

von Billerbeck: Wie war das?

Friebe: Also die Jüngeren, das waren die, die Deutsch lernten dort, und es gab auch welche, die Rückkehrerkinder waren, also die schon in Deutschland gelebt haben, und die konnten natürlich dann Deutsch. Aber viele haben jetzt natürlich nicht jedes Wort verstanden von meinem Text. Und ja, das war natürlich toll, also weil es ist schon noch so, dass die noch nie wahrscheinlich auf einem Konzert waren, also da ist kulturell jetzt gerade auch nicht so viel los, und dass die auch nicht gewohnt sind, in so einem Zusammenhang auch sich so ein bisschen austoben zu dürfen. Und die für uns zuständige Frau vom Goethe-Institut hat dann ein paar Worte vorher gesagt, und die hatte dann gesagt, dass die Kinder auch aufstehen dürfen und klatschen und tanzen und was sie wollen. Schon da war eigentlich die Hölle los dann. Und da hatten wir ein recht leichtes Spiel, also wir waren praktisch jetzt schon mal ab passé die Beatles, als wir da rauskamen.

von Billerbeck: Die Beatles im Nordirak?

Friebe: Die Beatles im Nordirak, und die haben sich dann natürlich selbst ... Also man weiß natürlich, dass man da auch austauschbar ist, aber es macht natürlich trotzdem großen Spaß. Und die haben sich dann eben auch ein bisschen selbst abgefeiert, und es war sehr, es war sehr schön.

von Billerbeck: Sie haben dann auch das komplette Programm geboten, nehme ich an, also mit Autogrammkarten und ...

Friebe: Ja, ja, wir haben Plakate nachher signiert, und es war ziemlich Tokio-Hotel-mäßig dann von den (..). Wir hatten das ja schon mal gemacht in der Ukraine, und in Khmelnitsky war es schon ziemlich wüst, also das war dann doch noch eine Steigerung, also gerade in Sulaimaniyya.

von Billerbeck: Sie haben auch eine Frau in der Band, hat die das anders überlebt, also dieses Gebiet Nordirak, dieses Kurdengebiet?

Friebe: Überlebt, das heißt ja schon ...

von Billerbeck: Erlebt – erlebt.

Friebe: Ja, also es war eigentlich ... Man merkte dann, glaube ich, dass viele Mädchen da sehr begeistert von waren, dass die eine Frau auf der Bühne sahen. Also in Sulaimaniyya kamen auch ein paar Mädchen zu ihr, haben sie sogar geküsst. Sie hatte da schon sehr viele weibliche Fans.

Was ganz witzig war, ist, dass ich erst noch dachte, weil auf unserem Plakat hat Julia so eine Krawatte an, und da dachte ich, ob das vielleicht irgendwie schlecht, ob die das vielleicht irgendwie so als dekadentes Gender Bending da irgendwie sehen, aber dann saßen da die Kinder in den Schuluniformen, und da haben die ganzen Mädchen tatsächlich auch Krawatten an, deswegen war das wahrscheinlich eher ein vertrauter Anblick. Aber es war jetzt auch nicht ... Also die kurdischen Frauen in Erbil, die hatten schon meist Kopftücher und die sah man auch selten alleine, aber es ist ja auch viel Öl in der Gegend, und da sind eben viele, viele Businessleute, und dass man als Ausländer da normal rumläuft, das ist auch sehr normal.

von Billerbeck: Das heißt, das war eine Erfahrung, die auch Ihr Bild vom Nordirak, vom Irak überhaupt verändert hat?

Friebe: Ja, also über diese Region wusste ich tatsächlich nicht so viel, also da war man auch erstaunt, dass es eigentlich ein relativ hoher Lebensstandard auch ist, zumindest in der Stadt. Wenn man über Land fährt, da sieht man schon die Ziegenhirten da in den Jurten und so. Aber es wird da wahnsinnig viel gebaut, also strange Hütten zwar, (…) Begriff, und wo man denkt, Bauamt würde ich hier das auch nicht durchgehen lassen, aber doch teilweise aufwändig und sehr, sehr ... und an allen Ecken und Enden auf jeden Fall. Und es ist auch nicht so wie in der Ukraine dieses wahnsinnige Kaufkraftgefälle, also es ist eigentlich gar nicht mal so billig in den ganzen Läden. Und man hat das Gefühl, die meisten können sich es aber trotzdem noch leisten.

von Billerbeck: Werden wir jetzt also künftig ganz viele Platten von Ihnen im Nordirak verkaufen?

Friebe: Ah ja, ich weiß nicht, das wird, glaube ich, mit den Vertriebswegen etwas schwierig, aber ...

von Billerbeck: Würden Sie es noch mal machen, so eine Reise, oder sagen Sie jetzt, einmal reicht?

Friebe: Nein, es ist schon ein bisschen anvisiert für nächstes Jahr, ob wir das weiter ausbauen, also weil die Dame vom Institut ist auch recht begeistert war, noch mit Jordanien was dranhängen und noch ein paar anderen.

von Billerbeck: Sie werden also die Band für die muslimischen Länder dann?

Friebe: Vielleicht, ja! Vielleicht!

von Billerbeck: Der Musiker und Sänger Jens Friebe. Danke fürs Kommen!

Friebe: Danke!