Deutscher Nachwuchs für American Football

Kleine Chance aufs große Glück

23:31 Minuten
Ex-NFL Profi Björn Werner, stehend Bildmitte, hält nichts davon, den jungen Talenten falsche Hoffnungen auf eine Profikarriere zu machen.
Nur die wenigsten werden es schaffen. Ex-NFL Profi Björn Werner, stehend Bildmitte, hält nichts davon, den jungen Talenten falsche Hoffnungen auf eine Profikarriere zu machen. © Deutschlandradio - Thomas Jaedicke
Von Thomas Jaedicke · 25.08.2019
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In Berlin fördert der ehemalige NFL-Spieler Björn Werner den Football-Nachwuchs. Die jungen Sportler hoffen auf eine Profikarriere in den USA. Ihr Enthusiasmus ist groß, die Chancen sind eher klein.
Es ist ein heißer Tag, Anfang August in Berlin. Die Vormittagssonne sticht. Björn Werner steht im Schatten der Bäume vor den Umkleidekabinen des Stade Napoleon in Berlin-Reinickendorf. In diesem alten, etwas heruntergekommenen Stadion im Westteil der Stadt haben früher französische Soldaten der Alliierten trainiert. Hier - zwischen Laubenpiepern und dem ganz in der Nähe gelegenen Flughafen Tegel - fing Björn Werners Karriere an; bei den Berlin Adlern, einem der traditionsreichsten deutschen Football-Teams.
Björn Werner, mittlerweile 29 Jahre alt, ist eine Football-Legende. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, war schon als Jugendlicher sehr athletisch und talentiert, über eins neunzig groß. Er bekam ein High-School-Stipendium in Connecticut, wechselte schnell an die Uni von Tallahassee in Florida.
Dann wurde er, als erster Deutscher überhaupt, in der ersten Draft-Runde, einem komplizierten Verfahren im US-Profisport, in dem es darum geht, welcher Spieler zu welchem Klub geht, von den Indianapolis Colts verpflichtet. Der Junge aus dem Berliner Arbeiterbezirk Wedding unterschrieb 2013 einen Vierjahresvertrag bei dem berühmten NFL-Klub. Ungefähr zehn Millionen Dollar war diese Unterschrift wert.
Football-Spieler Jörg Werner schüttelt Fans die Hände im Stadion.
Für Björn Werner ging ein Traum in Erfüllung, als er für die Indianapolis Colts American Football spielen durfte.© imago images / ZUMA Press / Pat Lovell Cal Media
Ein Traum ging in Erfüllung. Björn Werner spielt inzwischen nicht mehr. Zu viele Verletzungen und Operationen. Sein Körper macht die enormen Strapazen nicht mehr mit. Aber finanziell hat er ausgesorgt.

Hoffnung, entdeckt zu werden

An diesem Sonntag spricht er vor Dutzenden jungen Footballspielern, die vor ihm auf harten Bänken sitzen und an seinen Lippen hängen. Gleich wollen sie ihrem großen Vorbild beim Sichtungstraining zeigen, was sie draufhaben. Denn auch sie träumen von einer Karriere in den USA, dem gelobten Football-Land. Aber kaum einer dieser Jungs wird es schaffen.
Sie sind im Schnitt zwischen 14 und 17 Jahren alt. 59 Euro haben sie für dieses Wochenendcamp bezahlt. Man hört viele verschiedene Sprachen: Englisch, Deutsch, Italienisch. Einige der über 100 Nachwuchsspieler, die heute teilnehmen, sind sogar aus Israel angereist, um sich hier vorzustellen, in der Hoffnung, von einem der amerikanischen Coaches entdeckt zu werden.
"Das ist eine Möglichkeit, weil ich immer gefragt wurde, wie ich das in die USA geschafft habe. Weil es gab nie ein Programm oder irgendwas …"
Björn Werner hat seine Leute extra aus den USA einfliegen lassen. Die Kontakte hat er dort während seiner Profizeit geknüpft. Und jetzt sind diese Trainer hier im Stadion. Zum Greifen nah und jederzeit ansprechbar.
"Es gibt nicht wirklich viel Unterstützung hier in Deutschland, generell, in die USA zu gehen. Deswegen habe ich gesagt, ich muss den Jungs, wenn ich fertig bin mit der NFL, eine Brücke aufbauen in die USA. Weil: Wer kann's besser weitergeben als jemand, der es geschafft hat und das gelebt hat."

Stiftung fördert Nachwuchs

Vor drei Jahren hat der ehemalige NFL-Linebacker "Gridiron Imports" gegründet. Unter diesem Namen veranstaltet Björn Werner seitdem in verschiedenen europäischen Städten diese zweitägigen Sichtungslehrgänge. Der Name ist Programm. "Gridiron" heißt so viel wie "Bratrost". Die jungen Bewerber werden von den erfahrenen US-Coaches hart rangenommen. Man könnte auch sagen: "Gegrillt". Professionelles Warmmachen, Lockern, Dehnen, Taktik und zum Abschluss ein Spiel.
Björn Werner als Linebacker der Indianapolis Colts beim Tackling gegen den Running Back der Tennessee Titans David Cobb.
Björn Werner hat das Football-Spielen aufgegeben: zu viele Verletzungen.© imago images / ZUMA Press
Jede Menge Spezialisten für Defense und Offense sind aus den USA herübergekommen, beobachten die Spieler, machen sich Notizen. Björn Werner sagt, dass er in den vergangenen drei Jahren ungefähr 90 Football-Talente an amerikanische Privatschulen vermittelt hat. Seine "Gridiron Imports" sind offenbar in den USA heiß begehrt.
"Das ist eine Foundation. Wir machen davon kein Geld. Wir hoffen natürlich irgendwann, Spenden zu bekommen, dass man auch die Jungs finanziell unterstützen kann. Dass ich mein Team irgendwann mal anständig anstellen kann. Weil, das ist eine Zwei-Mann-Show gerade und da geht sehr viel Herzblut rein. Aber mit jedem Jungen, den wir aufnehmen, wird das immer mehr Arbeit, wo wir gesagt haben: Ja, wer weiß, wo wir in zwei Jahren sind."

Nach 17 Jahren ist es zu spät

Und die Coaches, die heute hier waren, muss man die hart überzeugen, dass sie das machen? Oder warum machen die mit? "Die suchen Spieler. Diese Privatschulen suchen immer Spieler, weil die rekrutieren dürfen. Heißt: Die Region, wo die sind, hat nicht viele Spieler lokal, heißt, die müssen immer in Amerika rekrutieren. Und natürlich ist jetzt der internationale Markt da, wo die realisiert haben: Da sind ganz schön gute Spieler drüben. Und deswegen sind die jedes Jahr hier."
Die amerikanischen Football Coaches im Stade Napoleon sind sich einig. Ein ideales Alter, um mit dem US-Nationalsport anzufangen, gibt es nicht. Irgendwo zwischen 14 und 17 sollte es losgehen. Alles andere wäre zu früh oder zu spät.
Jeff Moore ist Cheftrainer einer Privatschule in Connecticut, die Schüler der Klassen neun bis zwölf, in Ausnahmefällen sogar auch ehemalige Schüler, aufs College vorbereitet.
Moore, der auch schon im vergangenen Jahr Björn Werners "Gridiron"-Camps besucht hat, möchte, dass sich die jungen Spieler durch die Lehrgänge verbessern. Aber natürlich ist er auch nach Berlin gekommen, um hier Kandidaten für sein Internat in Connecticut zu finden. Eine Ausbeute von ein bis fünf Schülern für das nächste Schuljahr fände er nicht schlecht.
Im vergangenen Jahr hat Jeff Moore drei europäische Schüler auf dem Internat in Connecticut untergebracht. Einer davon, ein Österreicher, war ein "Gridiron Import". Inzwischen ist er ans College gewechselt. Die beiden anderen, zwei Franzosen, sind dagegen immer noch da.

Europäer sind lernfreudiger

Neben Jeff Moore steht Nick LaFontaine. Er ist Football-Chef-Coach an der Trinity-Pawling-School im Bundesstaat New York, ebenfalls eine private College-Vorbereitungsschule. Er sagt, dass American Football besonders beliebt im Nordosten sei, da, wo er und sein Trainerkollege Jeff Moore arbeiten.
Durch die große Anzahl an Internaten und anderen Privatschulen hätten die Nachwuchsspieler aus Europa dort sehr viele gute Möglichkeiten. Aber auch den Südosten, den Süden, Texas und Kalifornien sieht LaFontaine als Football-Hochburgen.
Nick LaFontaine freut sich, wenn er mit jungen Europäern arbeiten kann. Im Gegensatz zu amerikanischen Jugendlichen, die mit dem Spiel aufwachsen, seien die Europäer erfreulicherweise immer bereit, wirklich noch etwas lernen zu wollen. Auch wenn es manchmal ein paar Sprachprobleme gibt, macht es ihm wirklich sehr viel Spaß.
Und wenn am Ende keine Profikarriere herauskommen sollte, sei es für die jungen Spieler trotzdem eine Riesenchance, über den Sport den Sprung an ein amerikanisches College zu schaffen, um dort einen Uni-Abschluss machen zu können. Nick LaFontaine spricht aus eigener Erfahrung.

Quaterbacks steuern das Spiel

Während der Athletikcoach die jungen Spieler versucht warmzumachen, um gleich härter ins Training einzusteigen, das dann Björn Werner leiten wird, gehe ich nochmal hier aufm Platz so ein bisschen rum und gucke, wer hier sonst noch so unterwegs ist. Hinten, das verteilt sich so ein bisschen. Also, die Spieler machen sich warm auf der anderen Seite des Stadions und hinten, bei den Umkleidekabinen am Eingang, da sind ein paar andere Leute, die sich hier die Bälle zuwerfen, individuell warmmachen. Und hinten, an den Bänken, da sitzen auch noch zwei. Da würde ich jetzt mal hingehen.
Patrick Berg hat seinen Sohn Kilian zum "Gridiron"-Camp begleitet. Die Quarterbacks, die Spielmacher beim American Football, sind eine Kategorie für sich. Bei ihnen kommt es nicht darauf an, sich viel Kraft für harte Tacklings zu erarbeiten. Als kreative Köpfe steuern sie das Spiel, leiten die Angriffe auf die Touchdown-Zone ein. Sie sind so etwas wie das Hirn der Mannschaft.
Von ihren körperlich robusteren Teamkollegen werden die trotz der imposanten Schutzkleidung irgendwie ein bisschen zerbrechlich wirkenden Spielmacher geschützt und möglichst so perfekt abgeschirmt, dass sie in aller Ruhe ihre langen Pässe an den Mann bringen können.
Früher hat Vater Berg, der jetzt am Spielfeldrand steht und seine Schirmmütze als Schutz gegen die pralle Mittagssonne tief ins Gesicht gezogen hat, selbst ein bisschen American Football gespielt, bei den Spandau Bulldogs. Aber nicht sehr lange. Irgendwann kamen eine Freundin, die Arbeit und dies und das und jenes dazwischen. Und nach ein paar Monaten, in denen er seinem damaligen Spandauer Quarterback den Rücken frei hielt, hängte Patrick Berg den Football-Helm wieder an den Haken.

Ein Traum könnte wahr werden

"Sind Sie das erste Mal hier dabei?"
"Ja."
"Und Sie wollen eventuell auch versuchen, in die USA rüberzukommen?"
"Mein Sohn möchte... würde es gerne probieren."
"Und was würden Sie dazu sagen, wenn das klappt?"
"Ich bin sein Vater. Und – ganz ehrlich – wenn sein Traum in Erfüllung geht, dann ist das genau das, was passieren soll."
"Ist er 16?"
"17 Jahre."
"Und seit wann spielt er?"
"Er spielt jetzt seit drei Jahren bei den Berlin Adlern ..."
Während ich mit Berg Senior am Spielfeldrand ein bisschen fachsimple, hat Nachwuchs-Quarterback Kilian Berg auf dem Rasen eine Art Plastikstrickleiter von etwa fünf Metern Länge ausgelegt. Immer wieder sprintet er mit schnellen, kleinen Schritten durch die quadratischen Felder zwischen den einzelnen Sprossen. Im Hintergrund machen sich inzwischen noch ein paar andere Quarterbacks mit präzisen Passwürfen locker.
Als Kilian Berg bemerkt, dass ich mit seinem Vater spreche, unterbricht er sein Aufwärmprogramm.
"Fällt hier heute schon eine Entscheidung, eventuell? Wenn das hier vorbei ist, was passiert dann? Wie werden dann die nächsten Schritte?"
"Also, es liegt nicht an mir. Also, ich würde am liebsten sagen: Ich kriege direkt ein paar Angebote und dann geht's im nächsten Jahr oder so rüber. Oder nachdem ich mein Abi habe oder so. Aber es liegt natürlich nicht an mir, sonst mache ich einfach weiter, wenn's nicht klappt heute. Dann komme ich nächstes Jahr wieder und gucke mal, ob's dann funktioniert."
Der 17-jährige Quarterback der Berlin Adler, Kilian Berg, steht auf dem Spielfeld.
Der 17-jährige Quarterback der Berlin Adler, Kilian Berg, hofft auf ein Stipendium in den USA.© Deutschlandradio / Thomas Jaedicke
"Hier sind ja diese amerikanischen Coaches und die gucken sich das jetzt hier alles an. Und die geben hinterher ihr Urteil ab. Und es könnte dann passieren, dass du ein Angebot bekommst, zu wechseln an eine amerikanische High School oder, besser gesagt, an ein College dann auch."
"Ja. Schon."
"Wäre das dann der nächste Schritt?"
"Ja, schon. Also, ich versuche natürlich, ein Scholarship zu bekommen, damit's nicht so teuer wird. Oder wenigstens ein halbes oder so, dass man es irgendwie so selber bezahlen kann irgendwie noch. Aber ja, das wäre dann der nächste Schritt, eigentlich. Ich versuch's auf jeden Fall."
"Sowas sich theoretisch vorzustellen, ist immer toll. Aber wenn's dann wirklich jetzt auch soweit wäre, Du wärst sofort dabei?"
"Ich wäre wirklich dabei. Ich trainiere auch wirklich fast jeden Tag dafür. Ist halt der Traum."
Kilian Berg lehnt sich jetzt mit dem Rücken an das Geländer der Spielfeldabgrenzung, stützt sich mit dem linken Ellbogen auf dem oberen Handlauf des Geländers ab. Schweiß steht auf seiner Stirn. Über dem weißen "Gridiron Imports"-Trikot, das in der Teilnahmegebühr von 59 Euro enthalten war und das hier alle Bewerber anhaben, trägt der Siebzehnjährige eine großgliedrige, im gleißenden Sonnenlicht sehr golden schimmernde Halskette. So zeigen sich auch Rapper gern.
Für seinen Platz als Quarterback der Berlin Adler A-Jugend hat er hart gearbeitet.
"Teamtraining haben wir mindestens drei Mal in der Woche", sagt er. "Dann haben wir am Wochenende natürlich immer noch so ein paar Camps oder so oder treffen uns hier einfach mit Coaches und machen alleine Training. Und manchmal dann, sporadisch – nicht jeden Tag – aber zwischen den Teamtrainings dann immer nochmal eine Extraeinheit, vor allem jetzt in den Playoffs."
"Ist dann noch Zeit für die Schule überhaupt? Also wenn man so einen harten Trainingsplan hat."
"Ja, zur Zeit sind halt Sommerferien. Da kann ich mir natürlich so viel Zeit nehmen wie es geht dafür. Aber, man muss halt immer gucken, dass man direkt nach der Schule dann oder in der Schule direkt seine Sachen mitnimmt und dann direkt danach hingeht. Manchmal geht's dann auch, schafft man die Hausaufgaben nicht ganz. Aber dann macht man die vorm Unterricht oder so. Also, ich schaff's bisher einfach immer. Also, läuft auf jeden Fall."

Aus Israel nach Berlin gekommen

Zehn Meter von den Bergs entfernt steht Leo Goldmann. Genau wie Kilian Berg lehnt sich der 15-jährige Israeli mit seinem Oberkörper gegen das Geländer der Spielfeldabgrenzung. Aber Leo Goldmann steht außerhalb des Spielfelds. Als einziger der über 100 Jungs im Stade Napoleon trägt er an diesem Vormittag ein blaues "Gridiron Imports"-Trikot. Leo Goldmann beugt sich ein wenig über das Geländer, spuckt aus und blickt zu Boden.
Leo will gar nicht sehen, was die anderen gerade auf dem Spielfeld machen. Am zweiten Tag des Camps, dem entscheidenden Tag, kann er nicht mehr mitmachen, weil er sich am Bein verletzt hat. Leo Goldmann ist traurig.
Der junge Footballspieler Leo Goldmann steht an einem Baum.
Der Israeli Leo Goldmann muss wegen einer Verletzung ausscheiden.© Deutschlandradio/Thomas Jaedicke
Leo Goldmann ist extra aus Israel zum "Gridiron-Camp" nach Berlin gekommen. Er liebt es, zu kämpfen. Und weil er dafür die richtige Statur hat, entschied er sich - statt mit Fußballspielen anzufangen -, eben gleich für American Football.
Genau wie die jungen Italiener, Spanier und Deutschen, die sich im Stadion vorstellen, träumt natürlich auch der junge Mann aus Tel Aviv von einer Profikarriere in den USA. 1000 Dollar haben seine Eltern für diese Bewerbungsreise gezahlt; damit Leos Traum Wirklichkeit werden kann. Und jetzt ist er verletzt. So ein Pech!

Dauerhafter Zulauf für Football in Deutschland

American Football, diese uramerikanische Traditionssportart, hatte es in Europa nie leicht. In den 90er-Jahren gab hierzulande einen kleinen Boom, nach der Jahrtausendwende dann noch einen. Doch 2007 stellte die Profiliga NFL-Europe, ein Ableger des amerikanischen Originals, nach 15 Spielzeiten den Betrieb ein. Die vier deutschen Teams, Frankfurt Galaxy, Rhein Fire, Hamburg Sea Devils und Berlin Thunder kamen in der letzten Saison im Schnitt auf 21.690 Zuschauer pro Spiel.
Trotz der gescheiterten Profiliga verweist der American Football Verband Deutschland, AFVD, auf dauerhaften Zulauf. Seit 2008 hat sich demnach die Mitgliederzahl von knapp 33.000 auf etwa 63.000 fast verdoppelt. Dazu zählen etwa 5000 Spielerinnen und zehn- bis fünzehntausend Cheerleaderinnen.
Zu den Spielen der German Football League, GFL, der höchsten deutschen Spielklasse, kamen in der vergangenen Saison im Schnitt 1576 Zuschauer.
"Bei den Adlern kann man nicht meckern. Ich glaub andere 'kleinere Vereine', die jetzt nicht so eine Historie auch haben so ein bisschen, wovon ja die Adler auch viel profitieren, da ist es schwerer. Aber, das ist schon okay."
Jörg Bauerfeind ist Sportlicher Leiter der Berlin Adler. Im Schnitt wollen ungefähr 1000 bis 2000 Fans die erste Männermannschaft sehen, die nach zwei Abstiegen zur Zeit in der Regionalliga Nord-Ost spielt, der dritten deutschen Footballliga. Mit der seit Jahren fast konstanten Mitgliederzahl von etwa 500 ist Bauerfeind insgesamt zufrieden.
Früher hat er selbst als Tight End - eine anspruchsvolle Allroundposition mit defensiven und offensiven Aufgaben - für die Adler gespielt. Jörg Bauerfeind erzählt, dass in allen Altersklassen pro Jahr etwa acht bis zehn neue Gesichter dazu kommen. Alle Mannschaften, die jeweils zwischen 30 und 40 Spieler umfassen, können im städtischen Stade Napoleon, das die Adler kostenlos nutzen dürfen, ausreichend trainieren.
"Und wie viele Trainer braucht man, um so eine Mannschaft zu trainieren?"
"Sieht man ja hier schon, es gibt ja im Prinzip für jeden Bereich einen Spezialisten, manchmal sogar mehrere."
"Wie groß ist so ein Trainerteam, so ein Funktionsteam?"
"Unterschiedlich. Bei den Colleges, bei den Profis drüben, da sind das 20 bis 30 Mann, die da sich um so eine Mannschaft drum beschäftigen können. Hier in Deutschland ist man schon gut aufgestellt, wenn man mit sechs, sieben Mann pro Abteilung da irgendwie was, was auch schon eine ganze Menge ist. Das ist schon ein relativer Glücksfall. Also, das funktioniert auch mit zwei, drei oder vier. Aber, optimal ist schon so sieben, sag ich mal."

Zu langsam für American Football

Jörg Bauerfeind ist eine imposante Erscheinung. Doch der Zwei-Meter-Mann, der früher auch boxte und Tennis gespielt hat, hat nie von einer Spielerkarriere in den USA geträumt. Nach realistischer Einschätzung seiner Talente sei ihm relativ schnell klar geworden, dass er für eine Profilaufbahn im American Football ganz einfach zu langsam gewesen sei.
Seiner Meinung nach ist die gesamte athletische Ausbildung in den USA überhaupt nicht mit dem europäischen Ansatz vergleichbar.
"A) fangen sie viel jünger an. B) haben sie immer eine Kombination aus Footballsaison, Basketballsaison und Track und Field, also Leichtathletik irgendwie. Das haben sie so bei sich an der High School übers Jahr hin saisonal verteilt. Und schon kommt da ein ganz anderer Typ von Athlet bei raus."
Obwohl die athletisch und taktisch anspruchsvolle Sportart American Football in Deutschland dem Platzhirsch Fußball wohl nie den Rang wird ablaufen können, sieht Jörg Bauerfeind noch Wachstumspotenzial. Wer das hohe Verletzungsrisiko dieser Kontaktsportart scheue, könne zum Beispiel auf das weniger harte Flag Football ausweichen. Dabei tragen die Spieler einen ganz bestimmten Gürtel, an dem sich rechts und links eine Flagge befindet. Um den Spielzug zu beenden, reicht es, dem Gegner, statt ihn mit Gewalt zu Fall zu bringen, einfach eine Flagge abzuziehen.

Hart zur Sache

"Und dementsprechend wesentlich gelenkschonender und kontaktfrei eben, außer dass man sich ab und zu dann mal doch irgendwo prellt oder was. Und das wurde vor ein paar Jahren über den deutschen Verband angeschoben und richtige Ligen aufgebaut. Und da haben wir auch ein Team, was so 30, 40 Mann – altherrenstark – ist. Nicht regelmäßig, aber die sich ein, zwei Mal die Woche finden und auch Turniere spielen."
Beim "Gridiron Imports"-Camp wurde dagegen richtig getackelt. Es ging hart zur Sache. Am frühen Nachmittag ist das Sichtungstraining im Stade Napoleon beendet. Am Schluss gibt es ein großes Gedränge auf dem Platz. Alle wollen mit aufs Abschiedsfoto mit Björn Werner und den US-Coaches. Danach fliehen die Jungs, so schnell sie ihre müden Beine jetzt noch tragen, in den kühlen Schatten der Bäume vor den Umkleidekabinen. Abgekämpft und verschwitzt haben sie jetzt die Helme abgesetzt.
"Die Realität ist einfach. Von den 150 Jungs werden es vielleicht zehn nach Amerika schaffen."
Björn Werner, der in den USA als Profifootballer Millionen verdient hat, dämpft die Erwartungen. Kaum einer der Jungs, die sich heute hier im Camp vorgestellt haben, wird eine Profikarriere schaffen. Es ist ihm wichtig, den jungen Spielern das klarzumachen. Das muss er ihnen einfach mit auf den Weg geben.
"Es ist viel wichtiger, dass ihr für euer Leben plant: Ja, mein Ziel ist Amerika. Aber was ist mein Plan, wenn das nicht funktioniert? Musst du haben. Du musst einen Plan B haben! Keine Fragen?"
Nach Björn Werners Schlusswort löst sich die große Spielertraube unter den Bäumen langsam auf. Es gibt viele Umarmungen, es wird abgeklatscht und riesige Sporttaschen werden geschultert. Ein paar "Gridirons" drängen sich jetzt noch um Björn Werner, der geduldig jede Frage beantwortet.
"Wir quatschen mal, ja!?"
"Ich wollte mich fürs Coaching bedanken."
"Du warst der aus Kiel, wa?"
"Genau."
"Hast einen super Job gemacht."
"Danke."
Nicht nur der Junge aus Kiel hofft, dass sich das "Gridirons"-Team bei ihm melden wird.
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