Deutscher Hochadel in Hitlers Diensten
Der Historiker Lothar Machtan hat schon mit seinem Buch "Hitlers Geheimnis" für Schlagzeilen gesorgt. Darin versuchte der Bremer Professor die vermeintlichen homoerotischen Veranlagungen Hitlers nachzuweisen. In seinem neuen Buch "Der Kaisersohn bei Hitler" untersucht er die Rolle von August Wilhelm Prinz von Preußen, dem Sohn von Deutschlands letztem Kaiser Wilhelm II., für das Nazi-Regime.
Eigentlich sollte man glauben, dass 61 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges alles über die Nazi-Zeit bekannt sein müsste. Dem scheint nicht so zu sein. "Der Kaisersohn bei Hitler" heißt das neue Buch des deutschen Historikers Lothar Machtan. Lothar Machtan, Professor für Geschichte in Bremen, veröffentlichte 1998 eine Sozialgeschichte der Bismarck-Zeit: "Bismarcks Tod und Deutschlands Tränen", und er löste 2001 heftige Diskussionen aus, als er in seinem Buch "Hitlers Geheimnis" dessen vermeintliche homoerotische Veranlagung nachzuweisen versuchte.
Nun ist sein drittes Buch erschienen: "Der Kaisersohn bei Hitler". Die Rede ist von August Wilhelm Prinz von Preußen, dem Sohn von Deutschlands letztem Kaiser Wilhelm II., der neben Goebbels einer der wichtigsten Propagandisten Hitlers war.
Spezialisten wissen um die enge Verflechtung des deutschen Hochadels mit den Nazis, und man weiß auch zum Beispiel um den geradezu fanatischen Antisemitismus im deutschen Kaiserhaus, der den Boden für die Nazi-Ideologie bereitete; als Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser, ein halbes Jahr vor der Wannseekonferenz starb, äußerte er in seinem Testament einen letzten großen Wunsch: doch bitte alle Juden restlos auszurotten.
Nur sind diese Tatsachen nie wirklich ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland gedrungen. Insofern sind dieses Thema und auch das Buch von Lothar Machtan in der Tat eine wahre Entdeckung.
August Wilhelm Prinz von Preußen, seine Freunde durften ihn "Auwi" nennen, wurde 1889 geboren; er war der vierte Sohn des letzten deutschen Kaisers.
Auwi wuchs auf als verhätscheltes Kind, studierte offiziell Jura und erlebte den Ersten Weltkrieg als Salon-Offizier. Nach dem Krieg langweilte er sich in seiner 34-Zimmer-Villa zu Tode, malte also Bilder oder kümmerte sich um den Potsdamer Blumenkorso. Dann wohl mehr aus Langeweile und aus Geltungssucht entdeckt er 1927 sein Herz für Hitler, tritt 1930 in die NSDAP und die SA ein, und erreicht dort den Rang eines Obergruppenführers, also eines Generals in Hitlers Schlägertruppe, er selbst wird, Zitat SA-Akten, sogar "als einer der wildesten Schläger" gelobt.
Bis 1934 darf er für Hitler nach außen den kultivierten Vorzeige-Adligen und Konservativen-Rattenfänger spielen. Dann aber schaltet Hitler Auwis SA aus. Auch Auwi darf nicht mehr Tee mit dem Führer trinken, wird melancholisch und malt wieder Bilder, gestört 1945 von den Amerikanern, die ihn zwei Jahre in einem Barackenlager internieren. Danach hortet der sich missverstanden fühlende Multi-Millonär nur noch manisch Schokolade und stirbt 1949.
Göring nannte ihn einen "Hanswurst", Goebbels hielt ihn für "doof", und Hitler nannte ihn ein "adliges Rekord-Zuchtergebnis der Dummheit". Geradezu genüsslich boshaft reiht Machtan diese Zitate aneinander, - hervorragend recherchiert. Machtan ist bekannt für seine polemische und provokante Sprache. Da entmystifiziert er Hitlers Tricks, spricht vom "Selbsttheater Hitler", in dem der perfekt den "politischen Herzensbrecher" spielt. Oder er schildert eben Hitlers Steigbügelhalter August Wilhelm als "ein Requisit mit einem Rest von Talmiglanz aus einer längst abgesetzten Inszenierung".
Lothar Machtan schafft es, Geschichte durchschaubar und erfahrbar zu machen. "Der Kaisersohn bei Hitler" ist ein aufregendes Buch, - für Laien wie für Spezialisten.
Lothar Machtan: Der Kaisersohn bei Hitler
Hoffmann und Campe 2006
464 Seiten, 24 Euro
Nun ist sein drittes Buch erschienen: "Der Kaisersohn bei Hitler". Die Rede ist von August Wilhelm Prinz von Preußen, dem Sohn von Deutschlands letztem Kaiser Wilhelm II., der neben Goebbels einer der wichtigsten Propagandisten Hitlers war.
Spezialisten wissen um die enge Verflechtung des deutschen Hochadels mit den Nazis, und man weiß auch zum Beispiel um den geradezu fanatischen Antisemitismus im deutschen Kaiserhaus, der den Boden für die Nazi-Ideologie bereitete; als Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser, ein halbes Jahr vor der Wannseekonferenz starb, äußerte er in seinem Testament einen letzten großen Wunsch: doch bitte alle Juden restlos auszurotten.
Nur sind diese Tatsachen nie wirklich ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland gedrungen. Insofern sind dieses Thema und auch das Buch von Lothar Machtan in der Tat eine wahre Entdeckung.
August Wilhelm Prinz von Preußen, seine Freunde durften ihn "Auwi" nennen, wurde 1889 geboren; er war der vierte Sohn des letzten deutschen Kaisers.
Auwi wuchs auf als verhätscheltes Kind, studierte offiziell Jura und erlebte den Ersten Weltkrieg als Salon-Offizier. Nach dem Krieg langweilte er sich in seiner 34-Zimmer-Villa zu Tode, malte also Bilder oder kümmerte sich um den Potsdamer Blumenkorso. Dann wohl mehr aus Langeweile und aus Geltungssucht entdeckt er 1927 sein Herz für Hitler, tritt 1930 in die NSDAP und die SA ein, und erreicht dort den Rang eines Obergruppenführers, also eines Generals in Hitlers Schlägertruppe, er selbst wird, Zitat SA-Akten, sogar "als einer der wildesten Schläger" gelobt.
Bis 1934 darf er für Hitler nach außen den kultivierten Vorzeige-Adligen und Konservativen-Rattenfänger spielen. Dann aber schaltet Hitler Auwis SA aus. Auch Auwi darf nicht mehr Tee mit dem Führer trinken, wird melancholisch und malt wieder Bilder, gestört 1945 von den Amerikanern, die ihn zwei Jahre in einem Barackenlager internieren. Danach hortet der sich missverstanden fühlende Multi-Millonär nur noch manisch Schokolade und stirbt 1949.
Göring nannte ihn einen "Hanswurst", Goebbels hielt ihn für "doof", und Hitler nannte ihn ein "adliges Rekord-Zuchtergebnis der Dummheit". Geradezu genüsslich boshaft reiht Machtan diese Zitate aneinander, - hervorragend recherchiert. Machtan ist bekannt für seine polemische und provokante Sprache. Da entmystifiziert er Hitlers Tricks, spricht vom "Selbsttheater Hitler", in dem der perfekt den "politischen Herzensbrecher" spielt. Oder er schildert eben Hitlers Steigbügelhalter August Wilhelm als "ein Requisit mit einem Rest von Talmiglanz aus einer längst abgesetzten Inszenierung".
Lothar Machtan schafft es, Geschichte durchschaubar und erfahrbar zu machen. "Der Kaisersohn bei Hitler" ist ein aufregendes Buch, - für Laien wie für Spezialisten.
Lothar Machtan: Der Kaisersohn bei Hitler
Hoffmann und Campe 2006
464 Seiten, 24 Euro