Deutscher Buchhandel sieht sich nicht durch Google bedroht

Ronald Schild im Gespräch mit Dieter Kassel |
Die Vereinbarung zwischen der Random House Group und der Google Book Search bedroht den deutschen Buchhandel nicht, glaubt Ronald Schild. Er ist für die Internet-Plattform "Libreka.de" zuständig, in der deutsche Verlage ihre Bücher elektronisch anbieten. Damit sei man unabhängig von Anbietern wie Google, unterstreicht Schild. "Libreka" sei deshalb deutscher Marktführer, weil es im Gegensatz zu Google auch aktuelle Neuerscheinungen anbiete.
Dieter Kassel: Wenn der größte Buchverlag der Welt, die Bertelsmann Random House Gruppe zumindest in den USA ab sofort mit der größten Büchersuche der Welt, der Google-Booksearch, zusammenarbeitet, dann hat das auch Auswirkungen auf den deutschen Buchmarkt. Am Telefon begrüße ich dazu jetzt Ronald Schild. Er ist als Geschäftsführer von MVB, einer Tochterfirma des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, zuständig für die deutsche Google Book Search-Alternative "Libreka". Schönen guten Tag, Herr Schild!

Ronald Schild: Guten Tag, Herr Kassel!

Kassel: Wenn wir, das ist eine reine Spekulation, uns vorstellen, Random House würde nach diesem Abschluss mit Google in den USA nun Entsprechendes mit Google auch für Europa, auch für die deutschen Random House Verlage vereinbaren, wäre das für Libreka eine Bedrohung?

Schild: Nein, das sehen wir so nicht, weil wir wissen, das strategische Entscheidungen in Verlagen in den USA und in Europa häufig sehr unterschiedlich gefällt werden.

Kassel: Nun haben Sie inzwischen knapp 100.000 Bücher verfügbar unter "libreka.de". Man kann natürlich jetzt sagen, Google hat laut eigenen Angaben über eine Million. Aber mir will scheinen, das ist vielleicht gar nicht der Punkt. Random House selber hat ja auch zugegeben, dass man, nachdem man lange Zeit nicht mit Google zusammenarbeiten wollte, das jetzt tun will, weil man doch überrascht ist vom kommerziellen Erfolg der Google Book Search. Und das ist doch ein Problem von Libreka. Es scheint ja so zu sein, wenn man bei Google mit dabei ist, dann verkaufen sich die Bücher auch besser?

Schild: Ja, auch hier muss man wieder die Situation im US-Markt von den europäischen Märkten unterscheiden. Wir sehen ja gerade hier einen Beleg dafür, wie wichtig Alternativangebote zu dem Informationsmonopolisten Google sind. Denn in Märkten, in denen es eben keine Alternative gibt wie in den USA, wo die Verleger und Buchhändler sich nicht eben zusammengetan haben und eine gemeinsame Plattform geschaffen haben, wie schnell abhängig wird von einem Internetanbieter.

In Deutschland haben wir eine ganz andere Situation. Dort betreibt unter Federführung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels die gesamte Branche seit mittlerweile drei Jahren das Projekt Libreka. Von daher gibt es überhaupt keine Notwendigkeit für Verlage, auf einen Anbieter wie Google oder andere zu setzen.

Kassel: Ja, aber das stimmt ja nicht so ganz. In den USA haben ja auch andere versucht, Alternativen zu Google Book Search zu bieten. Amazon hat es versucht, ohne Zweifel ein Anbieter mit einer gewissen Marktmacht, Yahoo hat es versucht. Und so richtig konnte sich da keiner durchsetzen. Wieso gehen Sie denn so optimistisch davon aus, dass in einem Land wie Deutschland, wo als Suchmaschine ja auch Google ein Fast-Monopol hat, jemand wie Libreka gegen so einen Riesen sich durchsetzen wird können?

Schild: Na ja, der Erfolg gibt uns in gewisser Weise schon recht, weil wenn Sie sich das deutsche Angebot der Google-Buchsuche einfach mal anschauen, werden Sie sehen, dass der Schwerpunkt ganz klar im historischen Bereich liegt, das heißt im Bereich der rechtefreien Bücher, die bei Bibliotheken gescannt werden. Im Bereich der lieferbaren, der verkaufbaren Bücher ist Libreka mittlerweile der Marktführer und bietet eine große Auswahl an verfügbaren Titeln.

Kassel: Muss es Entweder-Oder sein oder ist es rechtlich und auch praktisch möglich, dass ein Verlag, der, es kostet ja auch Geld, genug Geld hat, sagt, ich bin bei absolut jeder Volltextsuche dabei, die in meinem Verbreitungsgebiet angeboten wird?

Schild: Ja, der Verlag muss sich natürlich entscheiden, in welchem Umfeld, in welcher Qualität er sich dem Leser oder dem Internetsurfer präsentieren will. Wir wissen natürlich, dass die meisten Verlage auch mit der Google Book Search experimentieren. Aber die wenigsten Verlage gehen über ein reines Experimentieren hinaus, stellen aber gleichzeitig einen großen Teil ihres Programmes in Libreka ein, sodass sich diese Frage für uns eigentlich nicht wirklich stellt.

Kassel: Nun bleibt aber noch das Problem der Bekanntheit. Das müssen Sie zugeben, Google kennt jeder. Man kann bei Google ja auch, indem man eine normale Suche betreibt, ab und zu zufällig auf die Book-Search-Daten, Libreka muss man wirklich kennen.

Schild: Ja und nein. Zum einen öffnen wir uns natürlich auch für die Google-Suchmaschine, indem wir dort Inhalte indizieren lassen. Und unser großes Pfund ist ja gerade die Integration in den Buchhandel. Alle großen oder fast alle großen Internetbuchhändler nutzen die Libreka-Buchsuche und integrieren sie in ihrem eigenen Angebot, sodass wir insgesamt eine sehr hohe Reichweite haben, auch wenn man nicht immer sieht, dass Libreka draufsteht.

Kassel: Können Sie bei der Technik vielleicht ein bisschen was bei Google lernen, weil Google Book Search hat ja nun diese legendäre Maschine, die ich gerne mal bei der Arbeit sehen würde, die automatisch den Buchdeckel abrasiert und dann zack, zack das ganze Buch scannt. Geht bei gewissen und seltenen Büchern nicht so gut, weil man sie nachher wegschmeißen muss, ist jetzt natürlich bei neuen Büchern aus dem Verlagsprogramm wiederum kein Problem. Bei Ihnen braucht man, glaube ich, PDF-Dokumente, die dann auch noch umgewandelt werden müssen. Haben Sie da noch ein bisschen was aufzuholen?

Schild: Überhaupt nicht, weil diese Technik, die Google verwendet, ist durchaus beeindruckend, aber wie gesagt, nur für einen Teil der Bücher einsetzbar und die Qualität der Buchsuche leidet auch erheblich unter dem Scannprozess. Der Einsatz von digitalen Daten, die direkt von dem Verlag kommen, die direkt aus dem Produktionsprozess gewonnen werden, erzeugt wesentlich bessere Qualität, einfach weil keine Fehler in der Konvertierung auftreten können. Von daher ist das, was wir an Technik einsetzen, absolut state of the art. Wir werden sogar noch einen Schritt weitergehen und verhandeln gerade mit den Verlagen, dass ihre Produktionsprozesse dergestalt geändert werden, dass nicht nur in Libreka einstellbare Titel am Ende der Produktionskette entstehen, sondern dass direkt auch verkaufbare E-Books generiert werden.

Kassel: Es scheint mir, dass inzwischen, und da sieht man, wie schnell das alles geht, eine Diskussion sich fast erledigt zu haben scheint, wobei nur fast. Man darf nicht vergessen, dass in den USA immer noch Verlage auch gegen die Google Book Search klagen in einigen speziellen Punkten. Ist in Deutschland diese Debatte, ob so eine Volltextsuche, egal ob nun mit einem Angebot wie Libreka, mit Google oder jemand anderem, ob die überhaupt Sinn macht oder ob man das nicht lassen sollte, am Anfang haben Verlage ja gefürchtet, das wird ihnen eher schaden, ist diese Diskussion schon völlig beendet?

Schild: Die Verlage haben eingesehen, dass es überhaupt keinen Sinn macht, sich gegen diese digitale Revolution zu wehren. Im Gegenteil, die Verlage haben sehr viel von der Musikindustrie gelernt und behandeln das Thema elektronische Bücher, Volltextsuchmaschinen sehr proaktiv.

Kassel: Wobei man sagen muss, sie haben vor allen Dingen aus den Fehlern der Musikindustrie gelernt.

Schild: Ja, genau. Aber das ist gerade die Diskussion, die auch sehr intensiv in der Branche geführt wird. Und die herrschende Meinung ist die, man will sich an den Anfang dieser Bewegung setzen und durchaus auch dazu beitragen, dass das Lesen, der Konsum von Büchern revolutioniert wird.

Kassel: Ja, aber diese Revolution, die kann man natürlich, wenn man ein bisschen konservativ ist, auch mit Angst betrachten, mit diesem Kindle-E-Book von Amazon scheint es ja das erste Mal ein elektronisches Gerät auf dem Markt zu geben, das wirklich auf eine Art und Weise, die sich durchsetzen könnte, Bücher in elektronischer Form präsentiert. Sie haben selber gerade gesagt, Sie wollen auch Libreka soweit kriegen, dass die Bücher gleich während des Produktionsprozesses da eingestellt werden. Das klingt so, als könnte es irgendwann, vielleicht noch nicht in ein paar Jahren, aber in ein paar Jahrzehnten kein gedrucktes Buch mehr geben. Ist das Ihre Zukunftsvision?

Schild: Ich bin da fest davon überzeugt, dass wir auch in 50 Jahren noch gedruckte Bücher lesen werden. Aber die Verteilung zwischen gedruckten und elektronischen Büchern wird sich natürlich verschieben. Man muss sich allerdings vor Augen halten und das wird häufig missverstanden, dass die Aufgabe eines Verlages in erster Linie eben nicht ist, Bücher zu drucken und Papier zu verbrauchen, sondern um Inhalte, Ideen und Meinungen zu transportieren. Und das kann man eigentlich genauso gut in elektronischer Form wie in gedruckter Form.

Kassel: Random House und die Google Book Search in den USA arbeiten zusammen. Aber das lässt zumindest in Europa immer noch genug Platz für konkurrierende Betreiber von Buchsuchmaschinen, sagt Ronald Schild. Er ist als Geschäftsführer von MVB, einer Tochterfirma des Börsenvereins des deutschen Buchhandels verantwortlich für das Internetangebot Libreka.