Deutsche Technik-Skepsis

Warum Windräder vor der Haustür so unbeliebt sind

06:45 Minuten
Eine Luftaufnahme zeigt Felder in verschiedenen Grüntönen mit Windkraftanlagen vor einem dramatischen Himmel.
Windräder in der Landschaft: Sobald Technologie sichtbar wird, "scheint das die Dinge ein bisschen durcheinander zu bringen", sagt Armin Nassehi. © unsplash / Thomas Richter
Armin Nassehi im Gespräch mit Ute Welty · 18.11.2019
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Unsere Abhängigkeit von technischen Infrastrukturen sei "existenziell", betont der Soziologe Armin Nassehi. Dennoch sei die Vorstellung, dass Technik "unsichtbar" sein müsse, um zu funktionieren, weit verbreitet.
Ohne Windräder keine grüne Energie. Ohne Funkmasten kein schneller Mobilfunk. Soweit, so selbstverständlich. Doch bei Anwohnern sind Windräder und Funkmasten äußerst unbeliebt. Regelmäßig ziehen sie dagegen vor Gericht.
Ein Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums sieht nun vor, dass zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen künftig mindestens 1000 Meter Abstand liegen sollen, um die Akzeptanz bei Anwohnern zu vergrößern. Kritiker fürchten allerdings, dass dies den Ausbau der Windenergie weiter verschleppen oder zum Erliegen bringen könnte.
"Man möchte natürlich all diese Segnungen erleben, aber möglichst selber nicht zu stark davon betroffen sein", stellt dazu der Soziologe Armin Nassehi fest. Er erkennt in dem Phänomen, dass man Windräder und Funkmasten am liebten nicht vor der eigenen Haustür haben möchte, nicht nur Egoismus, sondern auch Verunsicherung: Technik sei "relativ unbegriffen".

Technik funktioniert, wenn sie unsichtbar ist

Wir alle würden Technik gerne in Anspruch nehmen, allerdings solle sie im Alltag möglichst unsichtbar sein, erläutert Nassehi. Auf der anderen Seite werde man zum Beispiel beim Bau von Masten mit der Sichtbarkeit von Technik konfrontiert. "Und das scheint ein bisschen die Dinge durcheinander zu bringen."
Armin Nassehin ist Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier ein Portät vor der TV Talkshow "Hart aber Fair".
Der Soziologe Armin Nassehi: „Es gibt Leute, die sagen, wenn die Eisenbahn noch nicht erfunden wäre, könnte man sie in Deutschland wahrscheinlich nicht implementieren."© picture alliance / Sven Simon
So entstehe eine Skepsis gegenüber einer "zu sichtbaren Technik", die uns darauf verweist, wie wenig autonom wir eigentlich mit unseren eigenen konkreten menschlichen Mitteln seien. Diese verbinde sich mit einer Skepsis gegenüber Eliten, denn technische Großprojekte seien natürlich meistens Elitenprojekte.

Schwierige "Grundskepsis" der Deutschen

Tatsächlich sei ja die Abhängigkeit von technischen Infrastrukturen in der modernen Welt "existenziell", betont der Soziologe. Darauf würden wir immer dann hingewiesen, wenn Technik installiert wird.
Zwar gebe es auch in anderen Ländern in der Bevölkerung Vorbehalte. Doch die "Grundskepsis" der Deutschen gegenüber Technologie sei manchmal "doch etwas schwierig", meint Nassehi. "Es gibt Leute, die sagen, wenn die Eisenbahn noch nicht erfunden wäre, könnte man sie in Deutschland wahrscheinlich nicht implementieren" - und das sei vermutlich kein Witz.
(huc)
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