Deutsche Sprachpolizei

Hilfe, mein Name ist nicht korrekt!

Das Schild der Mohrenstraße in Berlin-Mitte: Hier ist unter anderem das Bundesjustizministerium ansässig. Die Straße erhielt um 1700 ihren Namen nach den hier einquartierten "Mohren", die Friedrich Wilhelm I., König in Preußen aus den Niederlanden als Geschenk bekommen hatte und zu Militärmusikern ausbilden ließ.
Das Schild der Mohrenstraße in Berlin-Mitte: Hier ist unter anderem das Bundesjustizministerium ansässig. © picture-alliance/ dpa
Von Reinhard Mohr · 26.02.2014
Unser Autor Reinhard Mohr macht sich Gedanken über seinen politisch unkorrekten Nachnamen. Wenn schon die Berliner Mohrenstraße unter Rassismus-Verdacht steht, wie verhält es sich dann bei einem wie ihm, der auch so heißt?
Gestatten, mein Name ist Mohr. Reinhard Mohr. Mohr mit o-h, wohlgemerkt. Nie habe ich Stammbaumforschung oder Etymologie betrieben, aber soviel weiß ich: Mohr kommt von Maure, ein ursprünglich griechisches Wort, das dunkel- und schwarzhäutige Menschen bezeichnet. Ich aber bin weiß.
Unzählige Male bin ich in meinem Leben mit dem abgewetzten Zitat aus Schillers "Fiesco" konfrontiert worden: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." Haha. Ein Zitat übrigens, das falsch ist. Richtig muss es heißen: "Der Mohr hat seine Arbeit getan …" Egal: Er gehört zu mir wie meine Name an der Tür, sang schon Marianne Rosenberg.
Doch jetzt ist Schluss mit lustig. Seit Neuestem steht mein Familienname unter akutem Rassismus-Verdacht. Der Mohr soll gehen, und zwar für immer. Den Anfang soll die Mohrenstraße in Berlin-Mitte samt der gleichnamigen U-Bahn-Station machen. Weg damit! Das fordert jedenfalls der Berliner "Tagesspiegel" und hat gleich eine sehr originelle Alternative parat: die Nelson-Mandela-Straße.
Der "Sarotti-Mohr" wurde zum "Magier der Sinne"
Das ist konsequent antirassistisch gedacht, nachhaltig, transparent, interkulturell sensibel, antifaschistisch und antimilitaristisch. Schließlich rührt der Straßenname aus jener Zeit vor rund 300 Jahren, als sogenannte "Hofmohren" beim preußischen König und im Heer für Musik und Unterhaltung sorgten.
Aber was ist mit dem "Mohr im Hemd", jener herrlichen k.u.k.-Süßspeise in Wiener Kaffeehäusern? Vorschläge, ihn in einen sprachethisch unbedenklichen Schokohupf umzubenennen, haben sich bisher nicht durchgesetzt.
Da ist der gute alte Sarotti-Mohr schon weiter. Er wurde für immer ins Schokoladenmuseum verbannt. Sein politisch korrekter Nachfolger heißt "Magier der Sinne", ist weiß und wirft mit kleinen goldenen Sternlein um sich.
Gewiss, ein kleiner Fortschritt. Doch es gibt noch viel zu tun für die Säuberungskommandos der neuen deutschen Sprachpolizei, die auch die Untiefen des historisch rückwärtigen Raumes von allem reaktionären Schmutz zu reinigen hat.
Ernst Neger sang "Humba humba tätärä"
In Karnevalszeiten sei rasch noch an den singenden Mainzer Dachdecker Ernst Neger erinnert, der so unvergessliche Lieder wie "Ich stemm' die Fleischwurst mit einer Hand", "Heile heile, Gänsje" und "Humba humba tätärä" zum Besten gab. Seit 25 Jahren trällert er mutmaßlich den Gonsbach-Lerchen im Himmel vor.
Auf Erden aber praktizieren die Namens- und Sprachreiniger noch eine ganz andere Strategie als die Denunziation vermeintlich rassistischer Bezeichnungen: Das neue Nebeldeutsch, ein vermeintlich fortschrittliches Kauderwelsch, das im Wortsinn keine Diskriminierung, also keine Unterscheidung mehr duldet. Der semantische Kern ist zum Schwamm geworden, der alles aufsaugt und neutralisiert.
Willkommenskultur, Inklusion, Gendergerechtigkeit, strukturelle Nachhaltigkeit, postkonventionelle Partizipationsformen, interkulturelle Sensibilität, Transparenz: Schaumgummi-Vokabeln wie diese sollen die freie Anschauung der vielfältigen und konfliktreichen Wirklichkeit apriori standardisieren und vereinheitlichen.
Die perfekte Sprachregelung: Alles soll vorgegeben, angeglichen, gleich gemacht werden. Ein tendenziell totalitäres Vodoo. Semantik als Religion der Guten und Gerechten, die rein begriffliche Beschwörung einer schönen neuen Welt, in der nur Böswillige und hoffnungslos Rückständige den gesellschaftlichen Frieden stören.
Schlimmstenfalls heißt der Uneinsichtige auch noch Mohr, Reinhard Mohr. Dann kann er wirklich gehen.
Reinhard Mohr, geboren 1955, ist freier Journalist. Zuvor schrieb er für "Spiegel Online" und war langjähriger Kulturredakteur des "Spiegel". Weitere journalistische Stationen waren der "Stern", "Pflasterstrand", die "tageszeitung" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Reinhard Mohr
Reinhard Mohr© dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler
Buchveröffentlichungen u. a.: "Bin ich jetzt reaktionär? Bekenntnisse eines Altlinken", "Das Deutschlandgefühl", "Generation Z", "Der diskrete Charme der Rebellion. Ein Leben mit den 68ern" und "Meide deinen Nächsten. Beobachtungen eines Stadtneurotikers".