Deutsche Reichsgründung vor 150 Jahren

Vom architektonischem Allerlei zum verbindenden Nationalstil

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Der Siegerentwurf für das Reichstagsgebäude des Architekten Ludwig Bohnstedt.
Der Architekt Ludwig Bohnstedt konnte zwar den Wettbewerb zum Bau des Reichstags für sich entscheiden, sein Entwurf wurde aber nie umgesetzt. © picture alliance / akg-images
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Gabi Wuttke · 17.01.2021
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Die Reichsgründung fiel in die Hochphase des Historismus, Architekten griffen vor allem auf verschiedene Baustile früherer Zeiten zurück. Der Wettbewerb für den Reichstag sollte einen neuen Nationalstil hervorbringen.
Mit den deutschen Staaten, die sich vor 150 Jahren zusammenschlossen, fanden auch regionale Identitäten, Stilsprachen und Bauweisen zueinander. Während in Preußen die Schinkelschule hoch angesehen war, favorisierte man in Bayern seit den 1850er-Jahren den Maximilianstil. In Dresden gab es eine "großartige Neurenaissance", berichtet der Architekturkritiker Nikolaus Bernau, und in Hannover erstellte man "phänomenal gute neugotische Entwürfe".

Neurenaissance in Dresden, Neugotik in Hannover

Die Reichsgründung fiel in eine Hochphase des Historismus - also in eine Zeit, in der man architektonisch auf frühere Stilrichtungen zurückgriff, sie teilweise kombinierte und damit Selbstbewusstsein ausdrücken wollte. "Es gab zum ersten Mal in der Architekturgeschichte die Möglichkeit der Auswahl", sagt Bernau.
Doch wie sollte nun der neue Nationalstil des Deutschen Reichs aussehen? Um das herauszufinden, wurde ein Architekturwettbewerb zum Bau des Reichstages ausgeschrieben. Das Gebäude sollte "vor allem spiegeln, dass es zwar in Berlin steht, aber kein Berliner Gebäude ist", so Bernau. Den Abgeordneten aus den einzelnen Bundesstaaten sei besonders wichtig gewesen, sich nach außen hin nicht als Vertreter einer "Filiale Preußens, sondern als ganz neuer Staat" zu zeigen.

Neugotischer Entwurf in engerer Auswahl

Schließlich gewann der Hochrenaissance-Entwurf des Architekten Ludwig Bohnstedt aus Gotha. Interessant ist, dass auch der neugotische Entwurf des Engländers Gilbert Scott in der engeren Auswahl war. Am Ende habe man aber sich für die Renaissance entschieden, weil dieser Stil als modern und bürgerlich gegolten habe, sagt Bernau. Ein Kompromiss, auf den sich alle einigen konnten - und der dann doch letztlich nicht umgesetzt wurde.
(ckr)
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