Deutsche Kultur als Exportware
Deutschland sieht sich gerne als Exportweltmeister - zumindest was die klassischen Exportgüter angeht. Doch nicht nur mit Maschinen oder Autos lässt sich Geld verdienen. Wie auch die deutsche Kultur zum Exportschlager werden kann, damit befasste sich eine Tagung im Auswärtigen Amt.
Es wird eben doch zu selten übers Geld geredet in der Kultur – darüber zumindest ist der Kongress sich einig – und zwar deshalb, weil Kultur in der Wahrnehmung derjenigen, die am Ende die Rechnung bezahlen müssen, immer nur als Bittsteller vorkommt, als Subventionsfall und als Posten in einem Kostenplan. Das soll sich ändern: Kunst ist weder gratis noch überteuert, sondern eben ein Wirtschaftsgut unter anderen. An dem – nebenbei bemerkt - auch gut verdient kann, man muss nur wissen wie.
"Geld verdienen ist nicht das Ziel der Kultur. Aber Geldverdienen ist nicht unanständig."
Das sagt Georg Boomgarden, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht ohne anzufügen, dass Kultur vom deutschen Außenminister nicht nur gefördert wird, damit wir besser exportieren können, sondern auch als Wert an sich. Trotzdem, die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Die Kulturwirtschaft erzielt – im Inland - Gewinne ähnlich der der Automobilindustrie. Und wenn wir Autos exportieren, können wir doch auch Kultur exportieren. Das haben nur noch nicht alle begriffen.
"Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor geworden, von dem sehr viele Brot und Einkommen beziehen. Wir sehen den großen Star, der sich sicherlich nicht mit kleinen Einkommen zufrieden gibt. Wir sehen dann vielleicht noch den Straßenkünstler, der den Hut hinstellt."
… die breite Masse aber, die an der Kulturwirtschaft verdient, die sehen wir nicht, sagt Staatsekretär Boomgarden. Und wie groß und ertragreich wäre die Kulturwirtschaft erst, wenn wir begännen, den Kulturbegriff neu zu definieren – oder, um im Fachjargon zu bleiben: Das Sortiment zu erweitern. Zunächst einmal, so argumentiert Tim Renner, Musikindustrieunternehmer und Chef einer Radiostation, muss, wenn wir mit Kultur noch mehr Geld verdienen wollen, die Trennung von U und E, von Unterhaltung und ernster Kost fallen.
"Auch von der historischen Herführung her, hat sich alles, was E ist, irgendwann man daran orientiert, bei Hofe dann doch stattzufinden. Und eben halt heute: Was hoch ist, orientiert sich gerne daran, im Feuilleton stattzufinden, hat also auch seinen Abnehmer und seinen Reflektor. Die Diskussion ist einerseits irreführend und andererseits verlogen und fatalerweise für beide Seiten behindernd. Auch das, was unter E subsumiert wird, wird damit eben halt Spaßfeindlich dargestellt. Und Kultur soll Seele haben, soll nah sein, soll berühren, soll eben auch spaß machen."
Was dem Fachkongress zufolge künftig zur Kultur gehört ist dies: Werbung, Design, Sport, Mode, Marketing, Architektur, sogar Computerspiele – alles vorzügliche deutsche Exportartikel, die lediglich umetikettiert werden müssten, um unter neuem Label als Kulturgut eine auch ökonomische Aufwertung zu erhalten. Computerspiele gehören dank Ego-Shooter und anderer unschöner Begleiterscheinungen noch zu den Schmuddelkindern, das könnte sich aber ändern, sobald die Bundesregierung nicht mehr nur schädliche Spiele indiziert, sondern didaktisch wertvolle fördert, ähnlich wie sie dies bereits mit Filmen tut. Das legt die Frage nah, was dann eigentlich nicht dazu gehört zum neuen deutschen Kulturbegriff – die Politik? Die Mode jedenfalls gehört dazu, sobald sie mehr ist als nur Klamotte, sagt Joachim Schirrmacher von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie nicht ohne Eigennutz.
"Das Selbstbewusstsein der Deutschen im Bezug auf Mode ist relativ gering ausgeprägt. Über die Gründe kann man lang spekulieren. Man kann natürlich den Zweiten Weltkrieg, Ausbombung Berlins, Rückzug der Konfektion anführen. Fakt ist, dass wir heute ungefähr 50 Prozent der europäischen Modedesigner ausbilden. In fast jedem führenden internationalen Modehaus arbeiten Deutsche in Führungspositionen. Was man hier in Berlin an Kollektionen sieht, kann international durchaus mithalten, und zwar in kultureller Kraft."
Was Schirrmacher von der Politik fordert, ist beispielsweise eine Mode-Akademie, auf der mit staatlichen Mitteln geforscht werden kann. Denn die Reflektion über Mode, etwa in kulturwissenschaftlicher Hinsicht, muss aus der Mode selbst kommen, zunächst möglichst ohne ökonomischen Hintergedanken. Wenn aber der Staat dann doch mehr fördern soll, kommt ein weiteres Problem hinzu:
"Es ist natürlich leichter, ein Produkt zu fördern, das bereits Preise gewonnen hat, oder unsere sogenannte Hochkultur, die man bereits im Brockhaus nachlesen kann, wieder zu fördern, Museen, die das Etablierte wieder darstellen, da bin ich eben auf der sicheren Seite."
… sagt Andreas Rocholl, als Sprecher der Zeitgenössischen Oper Berlin muss er es wissen: Noch nie war der Anteil der toten Künstler auf öffentlich geförderten Bühnen so groß wie heute, einfach weil denen, die über die Gelder entscheiden müssen, der Mut fehlt, auf etwas zu setzen, das noch nicht fertig ist. Sie verlassen sich lieber auf Statistiken, mithin auf objektive Kriterien, die der Kunst eigentlich sehr fern sind, beklagt Rocholl.
"Es gibt keine Objektivierung in der Kultur. Aber wir sind gezwungen, durch Anträge, durch Formulieren, durch Kriterien eine Art von Objektivierung herzustellen, die uns immer mehr entfernt von der Lebendigkeit des konkreten Prozesses. Derjenige, der an einem Werk sitzt, den interessiert es noch nicht, was das ist. Es sei denn, er produziert als Dienstleister in einen Begriff hinein."
Und wäre dann schon kein echter Künstler mehr. Ein Ergebnis der Tagung ist die Empfehlung, künftig weniger deutsch zu sein. Die Briten etwa stützen bewusst den Export von Ideen, fördern das, was bereits erste Resonanzen auf anderen Märkten erreicht hat, fast im Sinne einer Wirtschaftsförderung. Glückliches Britannien, selbst die Begriffe sind dort nützlicher als bei uns: Creative Industrie wird das genannt, was hierzulande mit Kulturwirtschaft – oder gar Kulturindustrie – falsch bezeichnet wird. Jeder, der mit einer Idee Geld verdient, sollte dem Kongress zufolge dabei sein. Und das – weil dieses Treffen nicht zufällig im Auswärtigen Amt stattfindet – hat dann auch seine Wirkung auf die Goethe-Institute. Wenn erst einmal die 68er die Institution verlassen haben, klagt ein Institutsmitarbeiter, der nicht zitiert werden will, dann wird auch ein Kulturbegriff in Rente gehen und die Goethe-Institute können von Mexiko bis Manila endlich das zeigen, worin die Deutschen weit besser sind als ihr Ruf: Werbung, Architektur und Mode. Und Techno. Und Computerspiele – alles, was auch ohne Förderung die Exportbilanzen steigen lässt.
"Geld verdienen ist nicht das Ziel der Kultur. Aber Geldverdienen ist nicht unanständig."
Das sagt Georg Boomgarden, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht ohne anzufügen, dass Kultur vom deutschen Außenminister nicht nur gefördert wird, damit wir besser exportieren können, sondern auch als Wert an sich. Trotzdem, die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Die Kulturwirtschaft erzielt – im Inland - Gewinne ähnlich der der Automobilindustrie. Und wenn wir Autos exportieren, können wir doch auch Kultur exportieren. Das haben nur noch nicht alle begriffen.
"Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor geworden, von dem sehr viele Brot und Einkommen beziehen. Wir sehen den großen Star, der sich sicherlich nicht mit kleinen Einkommen zufrieden gibt. Wir sehen dann vielleicht noch den Straßenkünstler, der den Hut hinstellt."
… die breite Masse aber, die an der Kulturwirtschaft verdient, die sehen wir nicht, sagt Staatsekretär Boomgarden. Und wie groß und ertragreich wäre die Kulturwirtschaft erst, wenn wir begännen, den Kulturbegriff neu zu definieren – oder, um im Fachjargon zu bleiben: Das Sortiment zu erweitern. Zunächst einmal, so argumentiert Tim Renner, Musikindustrieunternehmer und Chef einer Radiostation, muss, wenn wir mit Kultur noch mehr Geld verdienen wollen, die Trennung von U und E, von Unterhaltung und ernster Kost fallen.
"Auch von der historischen Herführung her, hat sich alles, was E ist, irgendwann man daran orientiert, bei Hofe dann doch stattzufinden. Und eben halt heute: Was hoch ist, orientiert sich gerne daran, im Feuilleton stattzufinden, hat also auch seinen Abnehmer und seinen Reflektor. Die Diskussion ist einerseits irreführend und andererseits verlogen und fatalerweise für beide Seiten behindernd. Auch das, was unter E subsumiert wird, wird damit eben halt Spaßfeindlich dargestellt. Und Kultur soll Seele haben, soll nah sein, soll berühren, soll eben auch spaß machen."
Was dem Fachkongress zufolge künftig zur Kultur gehört ist dies: Werbung, Design, Sport, Mode, Marketing, Architektur, sogar Computerspiele – alles vorzügliche deutsche Exportartikel, die lediglich umetikettiert werden müssten, um unter neuem Label als Kulturgut eine auch ökonomische Aufwertung zu erhalten. Computerspiele gehören dank Ego-Shooter und anderer unschöner Begleiterscheinungen noch zu den Schmuddelkindern, das könnte sich aber ändern, sobald die Bundesregierung nicht mehr nur schädliche Spiele indiziert, sondern didaktisch wertvolle fördert, ähnlich wie sie dies bereits mit Filmen tut. Das legt die Frage nah, was dann eigentlich nicht dazu gehört zum neuen deutschen Kulturbegriff – die Politik? Die Mode jedenfalls gehört dazu, sobald sie mehr ist als nur Klamotte, sagt Joachim Schirrmacher von der Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie nicht ohne Eigennutz.
"Das Selbstbewusstsein der Deutschen im Bezug auf Mode ist relativ gering ausgeprägt. Über die Gründe kann man lang spekulieren. Man kann natürlich den Zweiten Weltkrieg, Ausbombung Berlins, Rückzug der Konfektion anführen. Fakt ist, dass wir heute ungefähr 50 Prozent der europäischen Modedesigner ausbilden. In fast jedem führenden internationalen Modehaus arbeiten Deutsche in Führungspositionen. Was man hier in Berlin an Kollektionen sieht, kann international durchaus mithalten, und zwar in kultureller Kraft."
Was Schirrmacher von der Politik fordert, ist beispielsweise eine Mode-Akademie, auf der mit staatlichen Mitteln geforscht werden kann. Denn die Reflektion über Mode, etwa in kulturwissenschaftlicher Hinsicht, muss aus der Mode selbst kommen, zunächst möglichst ohne ökonomischen Hintergedanken. Wenn aber der Staat dann doch mehr fördern soll, kommt ein weiteres Problem hinzu:
"Es ist natürlich leichter, ein Produkt zu fördern, das bereits Preise gewonnen hat, oder unsere sogenannte Hochkultur, die man bereits im Brockhaus nachlesen kann, wieder zu fördern, Museen, die das Etablierte wieder darstellen, da bin ich eben auf der sicheren Seite."
… sagt Andreas Rocholl, als Sprecher der Zeitgenössischen Oper Berlin muss er es wissen: Noch nie war der Anteil der toten Künstler auf öffentlich geförderten Bühnen so groß wie heute, einfach weil denen, die über die Gelder entscheiden müssen, der Mut fehlt, auf etwas zu setzen, das noch nicht fertig ist. Sie verlassen sich lieber auf Statistiken, mithin auf objektive Kriterien, die der Kunst eigentlich sehr fern sind, beklagt Rocholl.
"Es gibt keine Objektivierung in der Kultur. Aber wir sind gezwungen, durch Anträge, durch Formulieren, durch Kriterien eine Art von Objektivierung herzustellen, die uns immer mehr entfernt von der Lebendigkeit des konkreten Prozesses. Derjenige, der an einem Werk sitzt, den interessiert es noch nicht, was das ist. Es sei denn, er produziert als Dienstleister in einen Begriff hinein."
Und wäre dann schon kein echter Künstler mehr. Ein Ergebnis der Tagung ist die Empfehlung, künftig weniger deutsch zu sein. Die Briten etwa stützen bewusst den Export von Ideen, fördern das, was bereits erste Resonanzen auf anderen Märkten erreicht hat, fast im Sinne einer Wirtschaftsförderung. Glückliches Britannien, selbst die Begriffe sind dort nützlicher als bei uns: Creative Industrie wird das genannt, was hierzulande mit Kulturwirtschaft – oder gar Kulturindustrie – falsch bezeichnet wird. Jeder, der mit einer Idee Geld verdient, sollte dem Kongress zufolge dabei sein. Und das – weil dieses Treffen nicht zufällig im Auswärtigen Amt stattfindet – hat dann auch seine Wirkung auf die Goethe-Institute. Wenn erst einmal die 68er die Institution verlassen haben, klagt ein Institutsmitarbeiter, der nicht zitiert werden will, dann wird auch ein Kulturbegriff in Rente gehen und die Goethe-Institute können von Mexiko bis Manila endlich das zeigen, worin die Deutschen weit besser sind als ihr Ruf: Werbung, Architektur und Mode. Und Techno. Und Computerspiele – alles, was auch ohne Förderung die Exportbilanzen steigen lässt.