Deutsche Kolonialverbrechen an Herero

"Das beweist Kriegsverbrechen, aber nicht unbedingt Völkermord"

Vor dem Abmarsch in den Kampf gegen die aufständischen Herero in Deutsch-Südwestafrika wird im Jahr 1904 die 2. Marine-Feldkompanie eingesegnet.
Vor dem Abmarsch in den Kampf gegen die aufständischen Herero in Deutsch-Südwestafrika wird im Jahr 1904 die 2. Marine-Feldkompanie eingesegnet. © picture-alliance / dpa - Friedrich Rohrmann
Kai Ambos im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 09.07.2015
Das Massaker in Srebrenica vor 20 Jahren ist weitgehend als Völkermord anerkannt. Die Tötung von 80.000 Herero und Nama durch die deutsche Kolonialmacht nicht. Welche völkerrechtlichen Schwierigkeiten es bei der Bestimmung eines Genozids gibt, erklärt der Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos.
Der Begriff des Völkermords ist in diesen Tagen in Bezug auf ganz unterschiedliche Orte präsent: Die Volksgruppen der Herero und Nama fordern von der Bundesregierung, die Morde Deutschlands vor mehr als 100 Jahren in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika - dem heutigen Namibia - als Völkermord anzuerkennen. Damals starben rund 80.000 Angehörige dieser Volksgruppen. Zumindest die Bundesregierung verweigert diese Anerkennung jedoch.
Anders in Bezug auf das bosnische Srebrenica. Dort wird am Samstag daran erinnert, dass vor 20 Jahren bosnisch-serbische Truppen 8.000 Muslime ermordet haben. Das ist weitgehend als Völkermord anerkannt: von der EU, der Mehrheit im UN-Sicherheitsrat - bis auf Russland -, auch im US-Repräsentantenhaus. Diese Anerkennung hat viele Folgen: strafrechtlich, historisch, politisch.
Absicht der Zerstörung einer ganzen Gruppe nachweisen
In der völkerrechtlichen Definition des Genozids sein für ihn das wesentlichste Merkmal die Absicht der Zerstörung einer ganzen Gruppe, sagte der Professor für Internationales Strafrecht an der Universität Göttingen, Kai Ambos am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Der Nachweis sei jedoch meist nicht ganz einfach zu erbringen.
So sei beispielsweise auch der Vernichtungsbefehl des Generalleutnants Lothar von Trotha gegenüber den Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika für ihn kein Beweis für Völkermord. Dieser lautet. "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen."
Ambos sagte dazu: "Das beweist auf jeden Fall Kriegsverbrechen, beweist auf jeden Fall auch Verbrechen gegen Menschlichkeit, also zum Beispiel Verbrechen der Verfolgung einer Gruppe aus rassistischen Gründen. Aber es beweist nicht unbedingt den Völkermord."
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