Deutsche Kampfspiele

Ein Wahrzeichen "deutscher Volkskraft"

25:32 Minuten
Eine riesige Formation von Turnern in einem Berliner Stadion zeigt Übungen auf einer Aufnahme von 1922
Vorführung von Freiübungen der Turner während der "Deutschen Kampfspiele" in Berlin-Eichkamp 1922 © picture-alliance / akg-images
Von Eduard Hoffmann |
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Als die für 1916 nach Berlin vergebenen Olympischen Spiele dem Ersten Weltkrieg zum Opfer fielen, beschloss der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen, zukünftig alle vier Jahre „Deutsche Kampfspiele“ auszurichten.
Die Idee von „Kampfspielen“ reicht zurück bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über die Franzosen in Sedan 1870. Der 1891 gegründete Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele, kurz ZA, treibt die Idee eines nationalen olympischen Sport- und Volksfestes voran. Hier sind die patriotischen und kaisertreuen Kräfte versammelt, die Pierre de Coubertins Idee von weltoffenen und friedlichen internationalen olympischen Sportbegegnungen im Zeichen von Freundschaft und Völkerverständigung rigoros ablehnen.
Da ist die erzkonservative Deutsche Turnerschaft, die dem englischen Wettbewerbssport mit seinen beliebten Sportspielen wie Rugby, Hockey oder Fußball mit offener Feindseligkeit begegnet. Und da sind vor allem Lehrer und Erzieher der Sport- und Spielbewegung, die sich um die Gesundheit und Wehrtauglichkeit der Jugend sorgen. Im Zuge fortschreitender Industrialisierung und sich verändernder sozialer und ökonomischer Strukturen – so die vorherrschende Meinung – erschlafften „die Garanten der Zukunft“ mehr und mehr.

Durchführung scheiterte lange am fehlenden Geld

Die erste – für 1900 geplante – Durchführung nationaler Kampfspiele scheitert an Finanzierungsschwierigkeiten und an völlig überzogenen und unrealistischen Vorstellungen, was die Sportstätten anbetrifft. Vor diesem Hintergrund finden die ersten „Deutschen Kampfspiele“ schließlich erst 1922, vier Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, statt. Private Spenden und Werbeeinnahmen, die Unterstützung von Kommunen und Reich, vor allem aber eine Kampfspiel-Lotterie machen das „nationale Olympia“ möglich.
1922 sind die Kampfspiele gezwungenermaßen ein Olympia-Ersatz. Denn von den internationalen Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen und auch vier Jahre später in Paris wurden deutsche Sportler ausgeschlossen. Nach einer eher unbedeutenden Winterwoche in Garmisch und Partenkirchen findet im Sommer 1922 das große Kampfspiel-Fest im Deutschen Stadion statt. Eigentlich sollen die Kampfspiele sportlich ein Top-Niveau präsentieren und in möglichst allen Sportarten Schauplatz der Deutschen Meisterschaften sein. Das gelingt allerdings nur in wenigen Fällen.

Arbeitersport ist gegen "Deutsche Kampfspiele"

Absolut gar nichts im Sinn mit dieser nationalistischen Veranstaltung haben die Arbeitersportler. Der Sporthistoriker Lorenz Peiffer berichtet:

Die Arbeitersportler haben diese nationalen Deutschen Kampfspiele als eine Gegenveranstaltung der sogenannten bürgerlichen Sportler zu ihrem ersten ATSB-Bundesfest verstanden, was auch 1922 in Leipzig durchgeführt worden ist, unmittelbar im Anschluss an die Deutschen Kampfspiele in Berlin. Also die Arbeitersportler waren immer international orientiert, und mit dem Begriff des Nationalen, der sehr stark ins Völkische und dann vor allen Dingen auch in das Revanchistische hineinging nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Versailler Friedensvertrag, damit hatten die Arbeiter gar nichts zu tun.

Lorenz Peiffer, Sporthistoriker

Die Auswahl der Sportarten bei den „Deutschen Kampfspielen“ orientiert sich an den internationalen Olympischen Spielen. 1922 stehen in der ersten „Spielwoche“ Fußball, Rugby und Hockey auf dem Programm sowie Rudern, Golf und Tennis. In der zweiten Woche folgen Turnen, Leichtathletik, Schwimmen und Turmspringen, Radfahren, Fechten und Segeln sowie Kraftsport und Schießen.
Ab 1928 dürfen Deutschlands Sportlerinnen und Sportler wieder an Olympischen Spielen teilnehmen. Die internationalen Wettkämpfe sind für die meisten wesentlich attraktiver. Darunter leiden die III. Kampfspiele 1930 in Breslau erheblich. Das Fernbleiben vieler Athleten und Athletinnen führt zum Sinken des sportlichen Niveaus. Zudem schwächen finanzielle Probleme im Zuge der Weltwirtschaftskrise die Breslauer Kampfspiele.

Deutsche Kampfspiele als NS-Propaganda-Schau

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten treiben diese die Gleichschaltung auch des Sports zügig voran und unterwerfen ihn dem Führerprinzip. Ende April 1933 wird der SA-Gruppenführer Hans von Tschammer und Osten zum Reichssportkommissar für Turnen und Sport ernannt und im Juli zum Reichssportführer. D
as Bild der Kampfspiele 1934 ist von SA- und SS-Formationen mit Hakenkreuzflaggen geprägt. Die Wettkämpfe sind ein willkommener Test für die Olympischen Spiele zwei Jahre später in Berlin, die die braunen Machthaber als große propagandistische Bühne nutzen wollen.
Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten, Portrait, Obergebietsführer der HJ
Nutzte die "Kampfspiele" zur NS-Propaganda: Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten.© picture alliance / arkivi

Die NS-Kampfspiele 1937 und 1938 stehen ganz klar im Zeichen der Wehrertüchtigung und Kriegsvorbereitung. Bei den Kampfspielen 1938 stehen etwa Handgranatenzielwurf auf dem Programm, Schwimmen im Drillichanzug mit Tornister und ein 15-Kilometer-Gepäcklauf. Zum Mannschaftsfünfkampf gehört auch ein 400-Meter-Hindernislauf.
Die „Deutschen Kampfspiele“ 1938 sind die letzten. Am 1. September 1939 beginnt mit dem Überfall deutscher Truppen auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die für das gleiche Jahr geplanten paramilitärischen Wettkämpfe fallen aus.

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