Deutsche Brieftaubenausstellung

Boten der Lüfte fliegen nach China

Ein Schwarm von Brieftauben startet am Weltfriedenstag am 1.9.2013 in den Himmel.
Brieftauben starten am Weltfriedenstag am 1.9.2013. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Leila Knüppel · 10.01.2015
Hierzulande ist es ein aussterbender Sport - doch reiche Chinesen finden es inzwischen schick, Brieftauben zu besitzen. Unsere Autorin war mit dem Regionalverbandsmeister Klaus Giesbert unterwegs im Taubenschlag und beim Taubenzüchtertreffen in Dortmund.
"Das ist ein Raubvogel, genau."
In Gummischlappen und wetterfester Jacke steht Klaus Giesbert vor seinem Taubenschlag und schaut in den grauen Winterhimmel. Ein Greifvogel zieht dort seine Runden.
"Wenn die Tauben jetzt auf den Dach säßen, würden die sofort abhauen."
Er ist Schuld, dass Giesberts Tauben im Winter nicht fliegen dürfen.
"Das ist eigentlich ein Skandal, dass ein Kulturgut wie der Brieftaubensport aufgrund der Raubvogelplage kaum mehr ausgeübt werden kann."
Aber die Sorgen der Brieftaubenzüchter, die interessieren ja kaum mehr einen, sagt Giesbert und beginnt, das Fressen für seine Tauben zuzubereiten. Eine spezielle Kornmischung, Grünkohl – und frisches Wasser aus dem Gartenschlauch.
"Da war ein Brieftaubenzüchter, der hieß Fleischmann."
Von seinem weitläufigen Waldgründstück am Rande Dortmunds zeigt der 69-Jährige hinunter Richtung Stadt.
"Da unten war ein Schlag namens Luther. Auf jedem zweiten Haus waren Brieftauben beheimatet. Das gehörte einfach zur Ruhrgebiets- … zur Lebensart zur Kultur dazu."
Sicherheitskameras im Taubenschlag
Doch seit die Schlote nicht mehr qualmen, geht es bergab mit der Brieftaubenzucht. Erst wurden die Kokereien nach China verschifft, nun die Brieftauben, sagt Giesbert und greift sich den Futtereimer.
"Man muss dazu sagen, dass dort die Milliardäre es schick finden, Brieftauben zu besitzen. Während das bei uns ein aussterbender Sport ist."
"Jetzt gehen wir rein."
Er öffnet die hölzerne Schiebetür zu seinem Taubenschlag. Der ist über 20 Meter lang – an der Vorderseite aus Draht, die Rückseite hölzern, mit Sitzregalen für die 130 Tauben.
Der Augenarzt im Ruhestand hat seinen Taubenschlag außerdem mit speziellen Transportbändern für den Taubenkot ausgestattet – und mit Sicherheitskameras.
"Im Internet auf dem iPhone könnten wir uns jetzt selber sehen. Das wird tags und nachts – nachts mit Infrarot – aufgenommen, so dass ich ständigen Überblick habe."
Smartphone, Kamera, Internet - digitale Kommunikationstechnik, um die Boten der Lüfte im Blick zu behalten. Andere Züchter haben für ihre Tauben sogar Fußbodenheizung und andere Sperenzchen eingebaut. Aber Giesberts Tauben sind in der Region die schnellsten.
"Das hier ist Dicken, der mit den weißen Federn. Das ist Dicken hier. Dann habe ich eine Taube, die ist etwas grob im Körperbau. Dann nenne ich ihn Unförmigen."
Die blaugrauen Tiere scharren sich um die Futterkrippen, schlagen mit den Flügeln.
"Das sind natürlich Namen, die finde ich einfach toll. Es muss nicht immer Blue Sky, Diamant oder Bright Sun oder so was sein."
Vom Äußeren unterscheidet die Brieftaube nicht viel von der gewöhnlichen Stadttaube. Bei den Wettbewerben, die die Züchter aber im Sommer austragen, zeigt sich, wie schnell und zäh die unscheinbaren Tiere sind.
Tauben trotzen Gewitterfronten und Habichtsattacken
Dann durchfliegen sie mit 100 Stundenkilometern Gewitterfronten, trotzen Habichtsattacken, erzählt Giesbert – und schaut auf die Vögel, die zu seinen Füßen flattern und picken.
"Wenn 40.000 oder 50.000 Tauben aus dem Ruhrgebiet irgendwo an der bayerisch-österreichischen Grenze aufgelassen werden. Und dann diese 50.000 Tauben in einer unwahrscheinlichen Geschwindigkeit Richtung Heimat streben. Wenn diese Tauben dann zu Hause ankommen, sich von oben aus der Luft einzeln in den Schlag fallen lassen, das ist einfach ein unbeschreibliches Erlebnis. Das ist das, was den Taubensport wertvoll macht.
Der Taubenzüchter fliegt ja auch im Geiste immer etwas mit."
Klaus Giesbert schließt den Taubenschlag – er ist nicht nur ein besonders passionierter, sondern auch ein besonders erfolgreicher Züchter.
Beim Taubenzüchtertreffen in Dortmund sitzt er wenige Tage später an langen Tischen mit weißhaarige Herren bei Bier, Kartoffelsalat und Mettbrötchen mit ordentlich viel Zwiebeln.
"Das sind die, die überbleiben, alle anderen sind schon tot. Es ist wenig Nachwuchs."
Während vorne Urkunden und Pokale für die Sieger der Saison vergeben werden, fachsimpeln die Taubenfreunde über Gefieder, Muskulatur und Genetik der Tiere.
Klaus Giesbert: "Dann habe ich ihm die Eier aus einer sehr guten Taube gegeben."
Zuchtkollege: "Ja, ja, aus einer Super-Taube."
Giesbert ist ein beliebter Gesprächs- und Geschäftspartner. Seine Tauben sind die schnellsten.
Züchter: "Ich hoffe ich, dass ich auch so erfolgreich werde, wie der Herr Giesbert. Aber das muss bald kommen, sonst erlebe ich das nicht mehr."
Dann muss Giesbert aber nach vorne, seine Urkunde abholen. Er ist erster Regionalverbandsmeister geworden.
"Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Tauben, die zu langsam sind."
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