Deutsch-Iranische Handelskammer warnt vor Embargo

Daniel Bernbeck im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 26.06.2009
Der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer in Teheran, Daniel Bernbeck, hat vor einem Handelsembargo gegen den Iran gewarnt. Bernbeck sagte, die Wirtschaft könne nicht für politische Ziele die Verantwortung übernehmen.
Jörg Degenhardt: Der Iran und Deutschland, wirtschaftlich passiert da eine ganze Menge. Die Bundesrepublik ist Irans größter Wirtschaftspartner unter den westlichen Industriestaaten und insgesamt zweitgrößter Exporteur hinter China. Erdöl vor allem kommt aus dem OPEC-Staat, im Gegenzug liefert Deutschland Maschinen, Eisen und Stahl sowie chemische Erzeugnisse. Allerdings haben der Streit um Teherans Atomprogramm und die damit verbundenen internationalen Sanktionen die Geschäfte nicht gerade beflügelt und auch die gegenwärtige Entwicklung nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen ist nicht dazu angetan, allzu optimistisch in die nächste Zukunft zu schauen. – Daniel Bernbeck ist der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer zu Teheran und er lebt auch in der iranischen Hauptstadt, wenn er nicht gerade auf Geschäftsreise ist. Guten Morgen, Herr Bernbeck.

Daniel Bernbeck: Guten Morgen!

Degenhardt: Wie haben Sie die letzten Tage in Teheran erlebt? Hat sich das Klima in der Stadt verändert?

Bernbeck: Also die allerletzten Tage in Teheran haben in der Tat wieder eine etwas ruhigere Lage einziehen lassen. Zuvor war es durchaus sehr dynamisch, sage ich mal vorsichtig, in dieser Stadt. Es war natürlich zu spüren die allgemeine Unruhe, auch in der Bevölkerung, auch in der Belegschaft der Handelskammer. Dieses hat sich jetzt etwas wieder gelegt. Es ist quasi wieder etwas Normalität eingezogen.

Degenhardt: Bevor wir über Ihre Arbeit reden, was meinen Sie, wie groß ist bei den Iranern der Wunsch nach Demokratie und Freiheit, so wie wir sie uns vorstellen?

Bernbeck: Das lässt sich schwer sagen. Ich denke, Demokratie ist immer ein Begriff, der mit nationalem Verständnis und mit lokaler Kultur zusammenhängt. Es wird unterschiedlich verstanden, wie man mit Autorität umgeht, und deswegen lässt sich das schwer transportieren oder transferieren auf ein anderes Land. Ich denke, auch die Iraner haben ihre ganz eigene Vorstellung von dem, was Freiheit ist, was Unabhängigkeit ist, und auch, was Demokratie ist. Insofern verbietet sich aus meiner Sicht eine schlichte Übertragung dessen, was wir in Deutschland darunter verstehen.

Degenhardt: Noch mal die Nachfrage: ist das Land dabei, sich zu verändern, wenn ich zum Beispiel speziell an die Rolle der Frau denke, oder möchte der Westen nur, dass es so ist?

Bernbeck: Beides stimmt. Das Land verändert sich sicher, es verändert sich sicher auch im Moment, weil es sowohl für Iraner und andere Beobachter eine überraschende Dynamisierung und Mobilisierung war, die jetzt kurz vor dem Wahltag und auch kurz jetzt danach stattgefunden hat. Dieses verändert sicher das Land auch in seinem internen Gefüge. Auch das Bewusstsein der Leute um ihre Meinung und um ihre Präsenz in der Öffentlichkeit hat sich sehr stark verändert. Ich denke, das ist der eine Teil.
Das andere stimmt sicher auch. Wir als Ausländer, auch vom Ausland insbesondere, haben natürlich eine Wahrnehmung und haben auch bestimmte Vorstellungen von dem, wie wir glauben, wie unser Land oder wie die ganze Welt sein soll. Das wird häufig projiziert, das geht auch damit einher, dass man das Gefühl hat, das kann doch jetzt nicht sein, dass die Demonstrationen einfach wieder sang- und klanglos verschwinden. Das sind Sachen, wo man vorsichtig mit umgehen sollte, das ist immer auch die eigene Brille.

Degenhardt: Die Regierung im Iran, ich sagte es eingangs, sieht sich internationalen Restriktionen ausgesetzt. Was heißt das für Ihre Arbeit?

Bernbeck: Die Arbeit ist sehr stark erschwert, sage ich mal. Die Beratung und die Abwicklung des deutsch-iranischen Handels ist sehr stark erschwert, beispielsweise durch den Rückzug der Banken aus dem Iran. Das sind sozusagen nicht Sanktionen im juristischen Sinn, das ist ja nicht vorgegeben durch UN- oder EU-Recht, sondern das ist Unternehmensentscheidung der Bankhäuser. Dieses belastet beispielsweise die Abwicklung im deutsch-iranischen Handel sehr stark und das ist insgesamt, sage ich mal, eine politische Situation, der die Wirtschaft unterliegt. Man kann darüber trefflich streiten, wie weit moralische Verantwortung im wirtschaftlichen Handel platzgreifen muss, wie weit jetzt ein mittelständisches Unternehmen sagen sollte, weil das Land von einer Regierung regiert wird, die uns nicht sympathisch ist jetzt in Deutschland, deswegen mache ich das Geschäft nicht, was ich machen könnte, das ist ein sehr weites Feld und da möchte ich mich jetzt auch nicht weiter direkt dazu äußern, weil das zu sehr in die Politik hineingeht.

Degenhardt: Trotzdem noch mal die Nachfrage. Berlin hat sich natürlich auch zum brutalen Vorgehen des Regimes gegen die Demonstranten geäußert, es hat das kritisiert. Fanden Sie die Art und Weise angemessen, oder war das vielleicht auch nicht förderlich für Ihre wirtschaftlichen Kontakte?

Bernbeck: Es war sicher nicht förderlich, denn es wird dazu genutzt oder es macht im Iran den Eindruck, dass Deutschland in interne Angelegenheiten sich einmischt. Es ist meiner Meinung nach auch so, dass man zu konkreten Einzelmaßnahmen oder Aufforderungen, wie es die Bundesregierung teilweise formuliert hat, eigentlich sich eher für mein Gefühl etwas zurückhalten sollte und wie Obama zunächst auch sehr diplomatisch formuliert hat und gesagt hat, wir gehen davon aus, dass die Regierung auf die Wünsche des Volkes eingehen wird, im Rahmen der Verfassung sich verhalten wird und so weiter, und auch die Menschenrechte respektieren wird, aber dass man jetzt konkrete Forderungen äußert und sagt, wie eine bestimmte Administration, wie eine bestimmte Behörde in dem Land jetzt beispielsweise die Wahl auszählen sollte oder neu auszählen sollte, das ist für mein Gefühl über das Ziel hinaus geschossen. Das zähle ich zu internem deutschen Bundestagswahlkampf.

Degenhardt: Immerhin hat Berlin aber auf ein größeres Handelsembargo bisher verzichtet. Wagen Sie denn, Herr Bernbeck, eine Prognose für die künftigen Geschäftsbeziehungen zwischen beiden Ländern?

Bernbeck: Ich bin ein strikter Gegner von Handelsembargos als Stellvertreter für eine qualifizierte Außenpolitik oder für Verhandlungen auf politischer Ebene. Die Wirtschaft kann nicht die Verantwortung ganz pauschal übernehmen, insbesondere nicht der Mittelstand, für politische Ziele. Wir akzeptieren selbstverständlich das Primat der Politik, aber sind nicht in der Lage, letztlich politische Erfolge zu erzielen durch Einschränkungen des Handels. Deswegen erwarte ich, weil das auch eigentlich in den meisten Ländern so gesehen wird, dass Embargomaßnahmen nur kurze und auch zweiseitige Einschränkungen oder Wirkungen haben, aber langfristig nicht wirksam sein können, dass man jetzt nicht damit rechnen wird oder rechnen muss, dass es zu weiteren schärferen Sanktionen kommt, denn es ist schlicht für mein Gefühl nicht geeignet, um in irgendeiner Form Änderungen zu erzwingen. Das ist für mein Gefühl nur eine Maßnahme, die der Öffentlichkeit dient.

Degenhardt: Daniel Bernbeck, er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer zu Teheran. Vielen Dank für das Gespräch.

Bernbeck: Gerne!