Designe deine Gefühle

Bessere Laune durch Elektroden im Hirn?

Menschliches Gehirn
Computergrafik des menschlichen Gehirns mit dem rot markierten Hippocampus. © imago/Science Photo Library
10.08.2017
Eine Stimulation des Belohnungssystems im Hirn kann die Lebensqualität von Depressionskranken verbessern. Auch bei Gesunden ließen sich so viele Hirnfunktionen verbessern, meint der Psychiater Thomas Schläpfer. Allerdings bestehe hier Missbrauchsgefahr.
Liane von Billerbeck: Wir designen heute längst nicht mehr nur Stühle oder Kleider, sondern immer mehr auch von uns selbst und unserem eigenen Leben, das haben Sie vielleicht gehört in unserer Sommerreihe über neues Design, Designer als Weltgestalter. Die Frage, wie der 3-D-Druck unsere Gesellschaft verändert, und wie wir unseren eigenen Körper designen. Zugegeben, sehr unterschiedliche Arten von Design, und heute geht es um die Veränderung von Gefühlen.
Zunächst die von Erkrankten, Parkinson-Erkrankte oder schwer depressive, die mittels tiefer Hirnstimulation wieder so etwas wie ein normales Leben führen können. Der Psychiater Professor Thomas Schläpfer forscht daran, er leitet die Abteilung für Interventionelle Psychologische Psychiatrie an der Universität Freiburg. Schönen guten Tag!
Thomas Schläpfer: Guten Tag!

Gezielte Stimulation des Belohnungssystems im Hirn

von Billerbeck: Sie können bereits jetzt die Stimmung durch Stimulation an den richtigen Stellen im Gehirn beeinflussen. Zum Glück, muss man sagen, denn so können Sie Schwerstkranken, an Depressionen Erkrankten helfen, und das machen Sie mittels Elektroden im Gehirn und einem kleinen Apparat im Bauch. Aber wie, bitte schön, genau funktioniert das?
Schläpfer: Das ist richtig. Bei sehr schwer depressiven Patienten, die wirklich kaum mehr Lebensqualität haben, können wir mit einer gezielten Stimulation des Belohnungssystem, also das System im Hirn, das uns sagt, was gut für uns ist, Essen, Trinken, Sex, was auch immer, können wir dieses System in seiner Funktion normalisieren, was dann sekundär dazu führt, dass Emotionen richtig verarbeitet werden. Also, dass wenn ein Patient angelächelt wird von jemandem, kann er dieses Lächeln als einen belohnenden Reiz wieder wahrnehmen, und das wirkt dann in der Summe antidepressiv, verbessert die Gefühle. Die Gefühle selbst können wir – und ich sage das in Klammern – zum Glück nicht beeinflussen. Das würde mir etwas Angst machen.
Mann sitzt auf einer Bank.
Viele Depressionskrank können sich nicht mehr freuen, weil das Belohnungssystem im Hirn nicht richtig arbeitet.© imago
von Billerbeck: Aber was genau bewirkt die Veränderung der Gefühle, wenn Sie da intervenieren?
Schläpfer: Wir gehen davon aus, und das ist eigentlich gut belegt, dass bei einer schweren Depression Belohnungsreize nicht mehr richtig verarbeitet werden können. Sie können zwar noch ein Fußballspiel anschauen, aber auch, wenn Deutschland ein Tor schießt, sich nicht darüber freuen, es macht keinen Spaß mehr. Es kommt zur Anhedonie, zur Unfähigkeit, Freude zu erleben. Und das korreliert mit einer Dysfunktion des Belohnungssystems, und das, glauben wir und da haben wir sehr gute Hinweise dafür, dass wir das mit unserer elektrischen Stimulation normalisieren können.

"Die Depression bessert sich bei fast allen Patienten"

von Billerbeck: Nun sind das ja sehr unterschiedliche Menschen, sehr unterschiedliche Patienten, mit denen Sie zu tun haben. Wie machen Sie denn das, dass es für den einzelnen Patienten genau die richtige Stimulation ist? Also an welcher Schraube drehen Sie da, um es mal mechanisch auszudrücken?
Schläpfer: Das ist eine sehr, sehr gute Frage, weil das, was uns Menschen ja auszeichnet, ist, dass wir so verschieden sind. Aber das Belohnungssystem ist eine evolutionsgeschichtlich ganz alte Funktion, die es bei allen Wirbeltieren gibt. Und interessanterweise ist, wenn wir an einem ganz speziellen Ort tief im Hirn, beim sogenannten medialen Vorderhirnbündel – wenn wir dort stimulieren, haben wir bei allen Patientinnen und Patienten fast die gleichen Wirkungen. Die unmittelbare Wirkung im Operationssaal sieht sehr ähnlich aus bei den ganz vielen Patienten, die wir haben. Und die Depression bessert sich dann auch bei fast allen Patienten, nachdem sich dann als Sofortwirkung das Belohnungssystem in seiner Funktion normalisiert hat.
von Billerbeck: Die Erfolge, so habe ich es in der Vorbereitung auf unser Gespräch gelesen, sind beträchtlich, und es soll auch kaum Persönlichkeitsveränderungen durch diese Eingriffe gegeben haben. Trotzdem, und jetzt kommt das Aber, und Sie kennen vermutlich diesen Einwand, trotz der Erfolge ist diese Technologie ja auch ein Eingriff in die Persönlichkeit, oder?
Schläpfer: Das kommt auf die Definition an. Ich denke, es ist unbedingt ein Eingriff in die Persönlichkeit, weil wir Kognition und Emotion verändern, natürlich in dem Sinne, wie wir es anwenden, verbessern. Das macht aber eigentlich jede Therapie, die bei Depressionen wirkt. Auch Psychotherapie muss diese Persönlichkeitsmerkmale Kognition und Emotion verbessern, um überhaupt eine Wirkung zu haben. Darum finde ich das gar nicht so kategorisch negativ, wenn man sagt, eine Therapieform ermöglicht den Eingriff in die Persönlichkeit. Es wäre nicht gut, wenn sie das nicht tun würde.

Auch Gesunde könnten ihre emotionale Stabilität verbessern

von Billerbeck: Sie haben ja davon gesprochen, dass Sie da am Belohnungssystem des Gehirns ansetzen. Gehen wir mal weg von Ihrer konkreten Forschung und fragen den Experten, der sich mit Gehirn-Maschine-Schnittstellen auskennt: Wir haben ja Zeiten, die erleben wir gerade, zunehmender Selbstoptimierung von Menschen. Wäre es denn durch solche Interfaces im Gehirn theoretisch auch für gesunde Menschen möglich, ihre emotionale Stabilität auf diese Weise zu beeinflussen?
Schläpfer: Ich denke, ja, unbedingt. Eine Veränderung von -5 zu 0 ist kategorisch genau das Gleiche wie die Veränderung von 0 auf +5. Also ich denke, dass wir ganz viele Hirnfunktionen auch bei gesunden Menschen verbessern können mit irgendwelchen elektrischen neuromodulatorischen Eingriffen.
von Billerbeck: Ich stelle mir das jetzt gerade vor. Da gibt es dann vielleicht irgendwann so kleine Kabinen auf der Straße, da kann man reingehen und kann sich eine bessere Stimmung besorgen. Sehen Sie so eine Gefahr für diese Technologie, oder ist das noch Zukunftsmusik oder wird vielleicht auch nie passieren?
Schläpfer: Der Mensch verbessert sich eigentlich grundsätzlich immer mit allen möglichen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Man muss sich gut überlegen, ob eine solche Verbesserung wirklich gesellschaftlich gesehen eine Verbesserung ist. Verhindern können wir diese Entwicklung aber ganz sicher nicht. Ich kann mich als Arzt glücklich zurückziehen und sagen, ich bin nicht Teil dieser Entwicklung.
Aber ganz sicher wird es gesellschaftliche Entscheidungen geben müssen und überlegt werden, erlauben wir so etwas? Erlauben wir Menschen, die sich künstlich ihre kognitiven Fähigkeiten verbessern, erlauben wir die bei Prüfungen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Das sind spannende Themen, mit denen sich die Gesellschaft der Zukunft auseinandersetzen muss.

"Alles kann missbraucht werden"

von Billerbeck: Das heißt ja, Ihre Forschung legt möglicherweise auch Grundsteine für Missbrauch dieser ja eigentlich hilfreichen Stimulation für Kranke?
Schläpfer: Ja, selbstverständlich. Alles kann missbraucht werden. Die Erfindung des Telefons ist für uns natürlich sehr segensreich. Aber ein Telefon kann auch missbraucht werden, um eine kriminelle Aktion abzusprechen. Jede Technologie hat ihre dunklen Seiten. Man muss die kennen, damit man überhaupt etwas dazu sagen kann. Aber man kann nicht eine ganze Entwicklung verhindern, nur weil es das Potenzial einer negativen Konnotation dabei gibt.
von Billerbeck: Professor Thomas Schläpfer war das. Er leitet die Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie an der Universität Freiburg, und wir sprachen mit ihm über die Stimulation des Gehirns. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Schläpfer: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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