"Deshalb gehen wir da gelassen ran"

Birgit Kolkmann im Gespräch mit Hartmut Möllring |
Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring, sieht Streiks im öffentlichen Dienst gelassen entgegen. Bei den letzten Tarifverhandlungen habe man 15 Wochen ausgehalten, ehe die Gewerkschaft eingelenkt habe, sagte Möllring.
Birgit Kolkmann: Vor drei Jahren wurde im öffentlichen Dienst 15 Wochen lang gestreikt. Eine Horrorvorstellung für alle Bürger und natürlich die Arbeitgeber, in diesem Fall die Bundesländer, zumindest die, die in der Tarifgemeinschaft zusammengeschlossen sind. Das sind alle minus Hessen und Berlin. Drei Mal sind die Verhandlungen für die 700.000 Bediensteten für die aktuelle Tarifrunde schon gescheitert.

Morgen und übermorgen geht es in die vierte Runde in Potsdam, und zuvor macht die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Druck mit Warnstreiks und der Drohung, im März in den Arbeitskampf zu gehen, falls am Wochenende die Verhandlungsdelegationen nicht zu Potte kommen sollten. Hartmut Möllring ist als langjähriger Verhandlungsführer der Länder schon wohl geübt im Tarifpoker, den niedersächsischen CDU-Finanzminister begrüße ich in der "Ortszeit". Schönen guten Morgen!

Hartmut Möllring: Ja, guten Morgen!

Kolkmann: Freuen Sie sich aufs Wochenende?

Möllring: Ach, na ja, wir hoffen, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir haben ja bisher sehr sachliche und ruhige Gespräche geführt, wenn auch bisher ohne Ergebnis. Aber wir können nur einem Tarifvertrag zustimmen, den wir auch verantworten, das heißt bezahlen können. Und deshalb gehen wir da gelassen ran.

Kolkmann: 4,2 Prozent haben Sie ja angeboten mit einer Laufzeit von 18 Monaten, die Gewerkschaft will deutlich mehr. Die haben ausgerechnet, wenn das so lange läuft, sind das nur noch eins Komma soundso viel Prozent, die mehr in der Kasse sind. Das reicht nicht.

Möllring: Na ja, über diese Rechnung kann man lang und breit streiten, aus unserer Sicht ist sie falsch, das ist aber müßig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen das durchaus anders. Die sagen, 4,2 Prozent ist doch ein Wort, wenn auch erst ab 1. Juli, aber besser als gar nichts. Und nun müssen wir mal sehen, wie die Verhandlungen ausgehen.

Kolkmann: Die Drohgebärde Bsirskes, die mit dem Streik, lässt Sie das kalt?

Möllring: Ja, wir haben, wie eben in der Anmoderation ja schon gesagt worden ist, beim letzten Mal 15 Wochen Streik ausgehalten, dann hat die Gewerkschaft eingelenkt. Ich glaube, dass das wieder erforderlich ist. Aber wenn es sein muss, müssen wir eben auch Arbeitskampfmaßnahmen aushalten. Ich mir aber nicht sicher, ob die Gewerkschaft eine Urabstimmung gewinnen würde, denn wie gesagt, 4,2 Prozent ist ja auch schon mal ein Wort.

Kolkmann: Also ein Streik käme ja jetzt wahrscheinlich auch nicht so günstig, Konjunkturprogramme sollen schnell umgesetzt werden, und da braucht man natürlich auch die funktionierende Verwaltung und nicht gerade streikende Mitarbeiter?

Möllring: Ja, das ist richtig, aber das Konjunkturprogramm können wir auch, selbst wenn es Arbeitskampfmaßnahmen gibt, umsetzen. Nur Sie müssen mal die Situation sehen: 20.000 Opel-Mitarbeiter gehen auf die Straße, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten und 10.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gehen auf die Straße, um 8 Prozent mehr lohn zu haben. Also hier ist doch in der öffentlichen Wahrnehmung die Gewichtung ganz anders, als die Gewerkschaft das glaubt. Und darauf wird sie sich einstellen müssen.

Kolkmann: Kommen wir doch noch mal zu einem wichtigen Kern des Streites: Es geht ja wohl nicht nur ums Geld, sondern vor allen Dingen auch um die Laufzeit der Tarifverträge. Also ver.di will eine kurze Laufzeit, dann könnte nämlich irgendwann, vielleicht schon Ende des Jahres, der Tarifvertrag für die Länder-Angestellten auslaufen und zusammenfallen mit dem für Bund und Kommunen. Und dann könnte es ja ganz andere Verhandlungen geben. Hätte die Gewerkschaft dann mehr Machtmittel?

Möllring: Nein, also über Laufzeit redet man meistens am Ende der Tarifverhandlungen. Wir werden sicherlich keiner Laufzeit zustimmen, die uns in die Situation bringt, dann gemeinsam mit den Kommunen verhandeln zu müssen, also zeitgleich, nicht gemeinsam, sondern zeitgleich. Wenn es aber nicht anders geht, würden wir auch das aushalten. Ich glaube aber, dass wir nicht eine sehr kurze Laufzeit bekommen.

Kolkmann: Sie haben eine längere auch deswegen lieber, weil es für Sie dann einfacher ist, auch auszurechnen, was Sie zu zahlen haben und eine längere Perspektive haben?

Möllring: Ja, ist für beide Seiten Rechtssicherheit, für diejenigen, die das Gehalt zahlen müssen, und für diejenigen, die mit dem Gehalt kalkulieren müssen. Sie wissen dann ganz genau, ich habe bis Ende 2010 zum Beispiel das und das in meiner Lohntüte, als dass sie alle zwölf Monate abwarten müssen, wie wieder langwierige Tarifverhandlungen ausgehen.

Kolkmann: Wo liegt denn für Sie eine Kompromisslinie?

Möllring: Na gut, dafür sind Verhandlungen da, um die auszuloten. Das macht man verständlicherweise nicht über die Medien, weder über Rundfunk noch über die Zeitung, da bitte ich einfach um Verständnis.

Kolkmann: Aber wo könnten Sie eventuell nachjustieren? Noch ein bisschen Geld drauflegen oder doch bei der Laufzeit noch ein bisschen ansetzen oder Einmalzahlungen? Was ist das, was Sie noch im Köcher haben?

Möllring: Da gibt es viele Stellschrauben. Jetzt liegt erst mal die Zahl von 4,2 auf dem Tisch, und darum kann man rum verhandeln, und da gibt es viele Stellschrauben. Man kann etwas weniger geben, dafür früher zahlen, man kann Einmalzahlungen vereinbaren. Die Gewerkschaft hätte gerne einen Sockelbetrag. Also da gibt es viele Möglichkeiten, über die wir am Wochenende sprechen müssen. Nur es muss, wie gesagt, hinterher bezahlbar sein, denn alles das, was wir ausgeben – und das sind auch unsere Gehälter, die wir zahlen –, müssen wir vorher den Bürgerinnen und Bürgern über Steuern wegnehmen.
Kolkmann: Sie haben eben gesagt, dass Sie einem Streik gelassen entgegensehen. Heute ist ein Tag der Kundgebungen, diese Woche war eine Woche der Warnstreiks. Setzt Sie das auch nicht unter Druck?

Möllring: Nein, selbst bei den Warnstreiks ist es nicht zu Betriebsstilllegungen gekommen, sondern die Bevölkerung hat das gar nicht gemerkt. Und ich bin auch überzeugt, dass ein längerer Streik von den Ländern ausgehalten werden kann, und es ist auch nicht so schlimm, wenn man mal zwei, drei Wochen nicht verwaltet wird. Außerdem haben wir bei den Warnstreiks relativ geringe Prozentsätze in den einzelnen Behörden, sodass die Behörden daran unbeeindruckt weiterarbeiten können.

Kolkmann: Vielen Dank! Das war Hartmut Möllring, Niedersachsens Finanzminister von der CDU und Verhandlungsführer der Länder in den Tarifverhandlungen, die dann morgen in Potsdam in die vierte Runde gehen. Danke fürs Gespräch!

Möllring: Bitteschön!