Des Kolumnisten Gespür für präzise Prosa
Der Kolumnist Harald Martenstein erzählt in seinem ersten Roman die Geschichte vom Weltkriegsheimkehrer Josef und dessen Probleme, sich in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft zurechtzufinden. Martenstein zeichnete dabei ein facettenreiches Bild der 50er und fängt die atmosphärischen Stimmungen und gesellschaftlichen Konflikte der Zeit gekonnt ein. - Ein überaus gelungenes Debüt.
Zugespitzt gesagt: Es gibt zwei Kolumnisten, die sind in Deutschland weltberühmt: Hass-Biller und Ironie-Martenstein. Weil der eine aber vor allem Plattitüden und hohles Geschwätz hasst, trägt ihn sein mit sarkastischem Witz gepaarter Zorn weit über den Rahmen des Publizistischen hinaus – seit Jahren veröffentlicht Maxim Biller Romane und Erzählungen, deren atemlose Prosa sich in Balance hält mit der Präzision der Sprache. Womöglich kommt es ja allein darauf an: Nicht auf den Blick und nicht auf das Menschenbild, vielleicht noch nicht einmal auf das Genre, sondern auf die Fähigkeit, mit den 26 Buchstaben des Alphabets Welten zu schaffen, die vor dem inneren Auge des Lesers Kontur annehmen, ohne allein mit Rhetorik Evidenz zu behaupten.
Und jetzt, da alles gut ist - will heißen mit "Heimweg" ein überaus gelungener Debütroman vorliegt – schämt man sich fast ein wenig der Zweifel, die einen beschlichen hatten, als man Harald Martensteins Buch in die Hände nahm. Würde es so unlehrerhaft-klug und feinsinnig-konkret wie die "ZEIT"-Kolumnen sein oder - siehe das Verhältnis zwischen über 200 Druckseiten und etwa 100 Zeitungszeilen – überhaupt sein dürfen, könnte der Autor den Spannungsbogen halten und der Versuchung des Apercus wiederstehen? Man darf sich mit ihm freuen: Er kann’s, er kann’s auch in einem Roman, der nun bei aller Geschmeidigkeit allerdings das Gegenteil flott geschriebener Journalisten-Prosa ist, wie man es von den Herren Osang und Matussek kennt und nicht mögen muss.
Erzählt wird hier die Geschichte vom Weltkriegsheimkehrer Josef, der in Russland hinter der Front zum zweifachen Mörder geworden war und sich nun in der Realität der jungen aufstrebenden Bundesrepublik ebenso wenig zurechtfindet wie in seiner Ehe mit der lebenslustigen Katharina, die inzwischen eine eindeutig zweideutige Bar betreibt. Alles ist da: Diese uns bereits reichlich exotisch anmutende Gestimmtheit der westdeutschen Fünfziger, kollektive Hoffnungen und individuelles Scheitern, Freddy Quinn und Nylonstrümpfe, Rock’n’Roll und Kriegsgefangenengeschichten, dazu das Schweigen zwischen den Generationen – ein Hauch von Böll, Paul Schallück und leise persifliertem Gerd Gaiser (sofern man sich noch an diese Autoren erinnert.) Harald Martenstein, Jahrgang 1953, hat sich also kundig gemacht, doch erzählt er seine Geschichte nicht allein im Rahmen clever angeordneter Folkore-Details, sondern im dezenten Ton des Verstehen-Wollens und Hinhörens, das Kopfschütteln und Unverständnis nicht ausschließt. Sein Ich-Erzähler, Enkel der (ironischerweise als kinderlos gestorben beschriebenen) Katharina und Josef, ist kein Besserwisser, weder Ankläger aus sicherer Distanz noch neudeutsch patriotischer Absolutionserteiler. Er ist im besten Sinne ein Bürger, ein Zivilist, der darauf vertraut, dass auch das Vertrackteste erzählbar ist – bis zu einer gewissen Grenze. Diese dann aber schreibend zu überwinden, hätte vermutlich Genie erfordert, ganz sicher aber eine kräftige Dosis jener Hybris, die Harald Martenstein bereits als Kolumnist reichlich suspekt war.
Das Resultat seines belletristischen Schreibens kann sich wohl gerade deshalb sehen und lesen lassen – als Prosa gewordener Respekt vor den Absurditäten des Lebens, die Verantwortlichkeiten gleichwohl keineswegs einnebelt.
Rezensiert von Marko Martin
Harald Martenstein: Heimweg
Roman
C. Bertelsmann, München 2007
220 Seiten, 18 Euro
Und jetzt, da alles gut ist - will heißen mit "Heimweg" ein überaus gelungener Debütroman vorliegt – schämt man sich fast ein wenig der Zweifel, die einen beschlichen hatten, als man Harald Martensteins Buch in die Hände nahm. Würde es so unlehrerhaft-klug und feinsinnig-konkret wie die "ZEIT"-Kolumnen sein oder - siehe das Verhältnis zwischen über 200 Druckseiten und etwa 100 Zeitungszeilen – überhaupt sein dürfen, könnte der Autor den Spannungsbogen halten und der Versuchung des Apercus wiederstehen? Man darf sich mit ihm freuen: Er kann’s, er kann’s auch in einem Roman, der nun bei aller Geschmeidigkeit allerdings das Gegenteil flott geschriebener Journalisten-Prosa ist, wie man es von den Herren Osang und Matussek kennt und nicht mögen muss.
Erzählt wird hier die Geschichte vom Weltkriegsheimkehrer Josef, der in Russland hinter der Front zum zweifachen Mörder geworden war und sich nun in der Realität der jungen aufstrebenden Bundesrepublik ebenso wenig zurechtfindet wie in seiner Ehe mit der lebenslustigen Katharina, die inzwischen eine eindeutig zweideutige Bar betreibt. Alles ist da: Diese uns bereits reichlich exotisch anmutende Gestimmtheit der westdeutschen Fünfziger, kollektive Hoffnungen und individuelles Scheitern, Freddy Quinn und Nylonstrümpfe, Rock’n’Roll und Kriegsgefangenengeschichten, dazu das Schweigen zwischen den Generationen – ein Hauch von Böll, Paul Schallück und leise persifliertem Gerd Gaiser (sofern man sich noch an diese Autoren erinnert.) Harald Martenstein, Jahrgang 1953, hat sich also kundig gemacht, doch erzählt er seine Geschichte nicht allein im Rahmen clever angeordneter Folkore-Details, sondern im dezenten Ton des Verstehen-Wollens und Hinhörens, das Kopfschütteln und Unverständnis nicht ausschließt. Sein Ich-Erzähler, Enkel der (ironischerweise als kinderlos gestorben beschriebenen) Katharina und Josef, ist kein Besserwisser, weder Ankläger aus sicherer Distanz noch neudeutsch patriotischer Absolutionserteiler. Er ist im besten Sinne ein Bürger, ein Zivilist, der darauf vertraut, dass auch das Vertrackteste erzählbar ist – bis zu einer gewissen Grenze. Diese dann aber schreibend zu überwinden, hätte vermutlich Genie erfordert, ganz sicher aber eine kräftige Dosis jener Hybris, die Harald Martenstein bereits als Kolumnist reichlich suspekt war.
Das Resultat seines belletristischen Schreibens kann sich wohl gerade deshalb sehen und lesen lassen – als Prosa gewordener Respekt vor den Absurditäten des Lebens, die Verantwortlichkeiten gleichwohl keineswegs einnebelt.
Rezensiert von Marko Martin
Harald Martenstein: Heimweg
Roman
C. Bertelsmann, München 2007
220 Seiten, 18 Euro