Der zornige Poet

Von Julia Macher · 10.10.2007
Der 30-jährige Dichter, Schauspieler und Polit-Barde Carles Rebassa schreibt und spricht am liebsten über das, was nach seiner Meinung alles schief läuft. Als politischer Dichter versteht er sich dennoch nicht. Er mag eben angriffslustige Poeten, "die einen mit ihren Werken ohrfeigen".
Sehr schüchtern sei er, sagt Carles Rebassa gleich zur Begrüßung und schlappt mit seinen Flip-Flops schnurstracks in den abgelegensten Winkel des kleinen Stadtparks: Eine Steinbank, versteckt hinter Palmenblättern. Sollte zufällig ein Bekannter vorbeikommen, würde er den kleinen korpulenten Mann mit Drei-Tage-Bart und Meckischnitt garantiert übersehen.

Dabei hat Carles Rebassa, 30 Jahre alt, eigentlich gar nichts gegen große Auftritte. Solange sie auf einer Bühne stattfinden. Katalanische Kritiker loben sein schauspielerisches Talent, seine kraftvolle Stimme.

"Ich mag das, weil sich so die Persönlichkeit eines Gedichts unterstreichen lässt. Wenn du ein Gedicht vorträgst, bist du nicht du als Person, sondern bist wirklich das Gedicht. In Frankfurt wird das alles noch etwas phonetischer und weniger textlich. Ich werde Worte sagen und sein wie: bchibtschbtsche."

Auf Einladung des Festivals Sònar wird Rebassa mit dem Multimediakünstler Zach Liebermann Texte des katalanischen Dichters Joan Brossa in Bilder und Klänge verwandeln. Lautmalerei im Wortsinn also. Für ihn ist das ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Denn eigentlich verlässt er sich - trotz seines Faibles für dramatischen Vortrag - lieber auf den Inhalt als auf den Klang. Schließlich schreibt und spricht Carles Rebassa über das, was schief läuft seiner Meinung nach ... Und das wäre?

Wenn er alles aufzählen müsste, dann säße er noch morgen hier, sagt er.

Der zornige Poet ärgert sich über vieles. Er schimpft über Spaßguerilleros und Hausbesetzer, die nach der Demo zum Manu-Chao-Konzert gehen. Über korrupte Bausenatoren auf Mallorca. Und - als überzeugter Katalane – natürlich über den spanischen Zentralstaat ganz allgemein.

"Ich bin schon häufig danach gefragt worden, ob ich ein politischer Dichter bin. Das klingt so wahnsinnig abstrakt. Was ich mache, gab es schon immer: bei den Römern, bei den Griechen. Damals hieß es eben epische Lyrik. Ich mag Poeten, die etwas Konkretes zu sagen haben, die angriffslustig sind, die einen mit ihren Werken ohrfeigen."

Carles Rebassa liebt Dante und mittelalterliche Lyrik. Er glaubt fest an die Macht des Wortes. Literatur, sagt er, war für ihn schon immer beides: Eine Möglichkeit vor der Welt zu fliehen und ein Mittel, um sich gegen sie aufzulehnen.

"Ich habe schon als kleines Kind sehr gerne gelesen, weil es das Leben und die Welt größer gemacht hat. Mit zehn Jahren hatte ich einen Verkehrsunfall, konnte ein ganzes Jahr nicht mehr laufen und musste mehrfach operiert werden. Da habe ich eben noch mehr gelesen und irgendwann als logische Folge daraus angefangen zu schreiben."

Auf Mallorca, der Insel auf der er geboren wurde, hat er seine ersten Texte geschrieben. Er fing an zu studieren, hörte wieder auf und arbeitete: Als Kellner, Koch, Verkäufer. Bereut hat er es nicht, im Gegenteil: Die Jobs halfen ihm, die Welt zu verstehen. Außerdem musste er ja irgendwie Geld verdienen; von politischer Lyrik lässt sich auf einer Ferieninsel schlecht leben. Vor drei Jahren wagte Carles Rebassa schließlich den Sprung ins Ungewisse: Er zog nach Barcelona, um weiter zu studieren – und vor allem um zu schreiben.

"Mallorca ist eine Insel und deshalb muss man irgendwann eben weg. Natürlich gibt es ein paar Strände, ein paar Menschen, die mir fehlen. Barcelona gefällt mir jeden Tag weniger. Es ist eine ziemlich kaputte Stadt, die nur noch auf den Tourismus setzt. Die Kultur ist ein Desaster. Es gibt kaum mehr Kneipen mit Life-Musik. Die Theater sind elitär. Barcelona geht es wirklich mies."

Von der Lautpoetenszene, die seit einigen Jahren in Barcelona wächst, hält Rebassa übrigens nicht viel. Die werten Kollegen könnten zwar hervorragend mit Gedichtfetzen sampeln, hätten von Metrik allerdings keine Ahnung. Wäre ja auch noch schöner, wenn der Polit-Barde gar nichts zu meckern hätte.