Der Witz als geistige Waffe

Von Mona Sarkis · 03.01.2010
Jeder wichtige libanesische Fernsehsender hat eine eigene Politsatire-Show im Programm. Die käut hämisch genau das wieder, was die Nachrichtensendungen soeben vermeldeten. Allerdings nur so weit, wie es der Ideologie des jeweiligen TV-Senders dient.
"Heute Nacht habt ihr zwei Möglichkeiten: Entweder ihr gebt euer Einverständnis, dass keiner beleidigt ist, egal, über wen wir uns lustig machen - oder die Show dauert zehn Minuten."

(Publikum lacht)

"Alsooo? Gebt ihr euer Einverständnis?"

(Lautes "Ja" aus dem Publikum)

"Keiner wird beleidigt sein?"

(Lautes "Nein" aus dem Publikum)

"Ihr wollt also eine offene Show? Na gut, dann sind wir bereit für eine offene Show!"

Der Nachtclub des Hotel Royal im schicken Beiruter Vorort Jounieh quillt über. Das Publikum tobt. Nur zu gut haben alle verstanden, wen Libanons Comedystar Mario Bassil gerade nachgeäfft hat: Hassan Nasrallah, den Chef der Hisbollah. Der hatte 2006 Erzfeind Israel einen "offenen Krieg" angekündigt, nachdem Israel die Wohnviertel der libanesischen Schiiten gnadenlos bombardiert hatte. Seit über vier Jahren freut sich Mario Bassils Politkabarett über großen Zulauf. Kurz zuvor hatte sich das ereignet, was den Libanon nahezu aus den Angeln hob: das Attentat auf Ex-Premier Rafik al-Hariri.

Ein Politmord, der sämtliche verdrängten Feindschaften in dem kleinen Land offen ausbrechen ließ und das Volk in zwei große Blöcke spaltete, in den sogenannten "pro"- und in den "contra"-westlichen. In Gegner und Verfechter des bewaffneten Widerstandes gegen Israel. Wessen Ansichten Mario Bassils Politkabarett vertritt, verrät seine spöttische Imitation von Nasrallah somit eindeutig – und er verrät sie nicht nur in Nachtclubs, sondern auch im Fernsehen. Zumindest auf bestimmten Sendern.

"Es dauerte nicht lange, bis diese extreme Polarisierung, die die Ermordung Hariris ausgelöst hat, sich in Polit-Comedys im Fernsehen niederschlug. Mit Ausnahme der muslimisch-religiösen oder christlich-religiösen Kanäle begannen alle, ihre eigenen Shows zu präsentieren. Und da im Libanon auch die Fernsehsender polarisiert sind, folgen die Witze natürlich deren jeweiliger politischer Linie. Gelacht wird also weniger um des Lachens willen, sondern um die gegnerische Fraktion lächerlich zu machen."

Mayssa Awad ist Medienredakteurin der libanesischen Tageszeitung "As-Safir". Und sie präzisiert: Es gehe zwar um die Fortsetzung parlamentarischer Schlammschlachten via Fernsehen und somit um die Instrumentalisierung der Medien. Zugleich aber stecke hinter dem Boom der Politsatire ein Bedürfnis, das alle Libanesen teilen – nämlich, mit den eigenen Ängsten humoristisch umzugehen.

"Nichts fürchten die Libanesen, die zwischen 1975 und 1990 bereits einen Bürgerkrieg durchlebt haben, mehr als den Ausbruch eines neuerlichen Bürgerkrieges."

Vor diesem Abgrund wähnten sich viele vor dreieinhalb Jahren. Damals tobte der sogenannte Julikrieg zwischen Israel und der Hisbollah, und zahlreiche Libanesen warfen der Hisbollah vor, lieber das eigene Land der Zerstörung preiszugeben als ihre Waffen niederzulegen. Zu ihnen gehörte auch der Kabarettist Charbel Khalil. In seiner Satire-Sendung befragte er 2006 einen Schauspieler, der Hassan Nasrallah darstellte, wann die Hisbollah ihre Waffen abgeben werde. Die Antwort des Nasrallah-Doubles:

"Wir benötigen unsere Waffen weiterhin. Erstens besetzt Israel noch libanesischen Boden. Und wenn wir den zurückerobert haben, müssen wir noch den Garten eines libanesischen Landsmannes in Detroit befreien. Denn der wird von einem amerikanischen Juden besetzt."

Charbel Khalils Spott sprach zwar einem Teil der Libanesen aus dem Herzen, trat dem anderen Teil aber gefährlich nahe: Die Sendung trieb Tausende protestierender Nasrallah-Anhänger auf die Straßen. Erst die Erklärung des Schiitenführers, er nehme das Ganze nicht persönlich, beruhigte die Lage wieder.

Nasrallahs gemäßigte Reaktion ist zweifelsohne seinem diplomatischen Geschick geschuldet. Aber auch der vergleichsweise großen Redefreiheit im Libanon. In ihr sieht Mayssa Awad den Hauptgrund für die hohe Popularität, die die Politsatire in Libanons arabischen Nachbarstaaten genießt.

"Auf meinen Reisen bin ich immer wieder überrascht, wie detailliert die Menschen in Saudi-Arabien, Syrien oder den Emiraten unsere Politshows verfolgen. Ich denke, es fasziniert sie, dass wir Sachen aussprechen dürfen, die in anderen Ländern des Mittleren Ostens verboten sind. Fast scheint es, als sei unser Kabarett ihr Tor zur Politik."

Genau deshalb bedauert Mayssa Awad auch das niedrige Niveau des Kabaretts. Vielfach seien die Witze nur eine dümmliche Verunglimpfung des politischen Gegners. So stelle sich das Land ein Armutszeugnis aus - und das Kabarett langweile letztlich sein Publikum. Dennoch prognostiziert sie kein Abflauen des Interesses. Dazu sei die Politik viel zu sehr Tagesgespräch. Und zudem ereigne sich ständig Neues. Diesem Sog könne sich keiner entziehen, sagt die Medienredakteurin und beweist es, indem sie selbst begeistert einen der wohl nettesten Witze wiedergibt:

"Darin geht es um den Größenwahn unserer beiden verfeindeten Christenführer: General Michel Aoun und Samir Geagea. Gott ruft beide zu sich, um sie zu versöhnen. Geagea geht auf Gott zu und sagt: 'Ich bin dein Sohn.' Daraufhin ruft Aoun spontan: 'Du bist weder mein Sohn, noch kenne ich dich.'"