Der wertvolle Blick von ganz oben

Von Dirk Asendorpf · 21.09.2013
Rund 50 Satelliten dokumentieren das globale Zusammenspiel von Wasser, Boden und Luft. Die gewonnenen Daten - etwa über die Konzentration der Treibhausgase oder den Zustand der arktischen Eisdecke - beschäftigen Tausende Wissenschaftler und beeinflussen die Umweltpolitik.
Die Erde atmet. Wenn im Frühjahr die Natur aufblüht, sinkt der CO2-Gehalt der Atmosphäre, denn der Kohlenstoff wandert ins frische Grün. Im Herbst verrotten die abgefallen Blätter und das Treibhausgas nimmt wieder zu. Ähnliches geschieht beim Methan, dem zweitwichtigsten Treibhausgas. Es steigt aus aufgetauten sibirischen Sümpfen und gefluteten asiatischen Reisfeldern auf. In der Atmosphäre wird es langsam wieder abgebaut. Aus dem Orbit ist das gut zu sehen. Der Bremer Umweltphysiker Michael Buchwitz leitet das Treibhausgasprojekt der europäischen Weltraumagentur Esa. Eine bunte Animation zeigt die Satellitenmessungen der letzten zehn Jahre im Schnelldurchlauf auf einer Weltkarte.

"Was wir hier jetzt sehen sind die großräumigen Muster der jährlichen Schwankungen des CO2, und man kann zum Beispiel die CO2-Messungen vergleichen mit anderen Messungen, zum Beispiel mit den zeitgleichen Methanmessungen. Jedes Gas hat sein eigenes Muster sozusagen wie es sich in Raum und Zeit verteilt und aus diesen Schwankungen kann man Rückschlüsse ziehen, wo ein bestimmtes Gas emittiert wird, oder umgekehrt von der Atmosphäre im Boden aufgenommen wird."

Gut zu sehen ist die stetige Zunahme der beiden wichtigsten Treibhausgase um 0,3 bis 0,5 Prozent pro Jahr. Rund 50 Erdbeobachtungssatelliten haben das globale Zusammenspiel der Elemente in Wasser, Boden und Luft permanent im Blick. Die Daten, die sie liefern, bestimmen zunehmend Umweltbewusstsein und -politik. Die Erdbeobachtung ist eine der einflussreichsten Wissenschaftsdisziplinen geworden.

Was sie kann und was nicht, das haben fast 2000 Erdbeobachter in der vergangenen Woche im schottischen Edinburgh über alle Fachgrenzen hinweg präsentiert und debattiert. Der Chef des wissenschaftlichen Beratungsgremiums der Esa. Alan O’Neill, hat dabei bereits das nächste Ziel ausgerufen:

"Was wir jetzt wirklich brauchen, ist ein globales Erd-Management-System. Als ich geboren wurde, wussten wir so gut wie gar nichts darüber, wie unser Planet aus dem All aussieht. Jetzt haben wir eine enorm wachsende Menge an Daten über alle Aspekte der Erde. Wenn wir sie nutzen, aufbereiten, visualisieren und interpretieren, dann bedeutet dieser Reichtum an Umweltdaten eine echte Revolution."

Verschiedene Disziplinen müssen eng zusammenarbeiten
Zum Beispiel bei der arktischen Eisdecke. Ihr saisonales Anwachsen und Wegschmelzen ist auf Satellitenfotos ebenso gut zu erkennen wie das langfristige Schrumpfen. Doch wie dick das Eis ist, war lange unbekannt. Für die Klimaforschung ist das aber ein wichtiger Faktor. Es könnte ja sein, dass das Eis, das in der Fläche fehlt, sich anderswo auftürmt. Seit drei Jahren liefert Europas Cryosat dazu harte Daten. Sie deuten darauf hin, dass das Eis tatsächlich auch im Volumen abnimmt. Der Satellit misst das allerdings nicht direkt. Er kann nur zentimetergenau feststellen, wie hoch das Eis über den Meeresspiegel ragt. Wenn die dänische Geophysikerin Sine Hvistegaard daraus das Volumen der Schollen errechnet, muss sie zum Beispiel auch berücksichtigen, ob es sich um kompaktes oder locker mit Schnee überzogenes Eis handelt.

"Meine Rolle ist die Sammlung von Daten aus Flugzeug-Überflügen, um sie mit den Satellitenmessungen zu vergleichen. Manchmal landen wir auch direkt auf dem Eis. Dessen Eigenschaften berücksichtigen wir dann in unseren Berechnungen. Und wir überprüfen sie anhand vieler weiterer Bodenbeobachtungen und Modelle, alles, was uns einfällt, um den Fehlerbalken am Ende möglichst klein zu halten."

Das Klimasystem der Erde ist hoch komplex, rund 50 Variablen spielen eine wichtige Rolle, für etwa die Hälfte davon liefern Satelliten Messreihen. Bei der Auswertung müssen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen eng zusammenarbeiten. Volker Liebig ist Chef aller Erdbeobachtungsprogramme der Esa.

"Es ist einer der Gründe, warum wir diese großen Konferenzen machen. Wir haben hier eben die Ozeanographen, die Atmosphärenforscher, die Eisforscher, alle sind da, sie sitzen gegenseitig in ihren Präsentationen, lernen voneinander, was die neuesten Erkenntnisse sind und nehmen Ideen mit."

Für die Klimapolitik wären detailgenaue Beobachtungen der Treibhausgasemittenten hilfreich. Über die Gesamtmenge der Gase ist inzwischen zwar viel bekannt, die Frage aus welchem Schornstein oder Acker sie aufsteigen, kann bisher aber nur indirekt aus dem Verbrauch fossiler Energie und Daten über Bodenbeschaffenheit, Land- und Forstwirtschaft, Chemieindustrie und Abfallentsorgung errechnet werden. Michael Buchwitz:

"Wir würden gerne in Zukunft das nicht nur für ganz große Gebiete machen wie die Ostküste der USA und ganz Europa, sondern viel mehr Details bekommen. Aber das ist mit derzeitigen Satellitendaten nicht möglich, hoffentlich mit zukünftigen."

Zum Beispiel mit Carbonsat, für dessen Instrumente bereits ein Konzept vorliegt. Mit diesem Satellit könnte die Ära der Klimapolizei im Orbit beginnen. Doch über den Bau wird die Esa erst in einigen Jahren entscheiden.
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