Der weiße Tod

Von Susanne Nessler |
Schon immer haben Lawinen die Menschen bedroht, doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die Lawinengefahr verschärft: Die Bebauungsgrenze ist immer dichter an gefährdete Stellen herangerückt, natürliche Barrieren wie Wälder wurden für Liftanlagen abgeholzt und immer mehr Touristen rücken den Bergen auf die Pelle und machen vor keinem Abhang mehr halt.
Ein dumpfes, ohrenbetäubendes Grollen, wie bei einem Gewitter. Brutal, gewaltig und grausam. Tonnenschwere Schnee- und Eismassen rutschen einen Gebirgshang hinunter. Eine Lawine ist ausgelöst! Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 350 km/h rasen die eisigen Schneemassen den Berg herab.

Kein Winter ohne Lawinen und ohne Tote. Jedes Jahr sterben in den Alpen bis zu 100 Menschen durch Lawinen. Und jedes Jahr versuchen Bergwacht und Rettungsdienste mit Helikoptern, Suchtrupps und Lawinenhunden Menschen aus den Schneemassen zu befreien. Doch nur die Hälfte aller Lawinenopfer kann gerettet werden.

Arzt: " Das muss man klar betonen, die Leute die gerettet sind, das sind Ausnahmefälle, das sind die Glücklichen, der Normalfall ist Sterben.“
Ein besonders schweres Unglück erlebte die Schweiz im Februar 1999, als gewaltige Schneemengen und stürmisches Wetter zum Abgang von verheerenden Lawinen im Schweizer Kanton Wallis und im Tiroler Paznauntal führten.

Zahlreiche Todesopfer unter den Einheimischen und Touristen waren in den Ortschaften Evoléne und Galtür zu beklagen. Insgesamt starben 38 Menschen in den Schneemassen. Die heftigen Lawinenabgänge schnitten im österreichischen Galtür alle Zufahrtswege ab, die eingeschlossenen Menschen wurden tagelang über eine Hubschrauber-Luftbrücke versorgt.

Die schlimmste Lawinenkatastrophe in den Alpen seit 1945 ereignete sich bei Garmisch-Partenkirchen im Jahre 1965. Damals kamen 100 Menschen ums Leben, als eine ungeheure Staubschneelawine ein Hotel völlig verschüttete.

Drei Jahre später, 1968, rasten innerhalb von nur zwei Tagen 41 Lawinen auf Davos, verschütteten die Landstraßen und weite Teile der Ortschaft.

Höchste Lawinengefahr besteht, wenn im Gebirge sehr viel Neuschnee fällt. Kritisch ist immer der erste schöne Tag nach einer Schlechtwetterperiode. Das Tragische: In neun von zehn Fällen lösen die Opfer – meist Ski- und Snowboardfahrer – die Lawinen selbst aus.

In der Schweiz hat man sehr früh mit der wissenschaftlichen Erforschung von Schnee und Lawinen begonnen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts hat der erste eidgenössische Oberforstinspektor angefangen, alle Kenntnisse über Lawinen zusammenzutragen.

Und im Jahr 1934 fingen Forscher im schweizerischen Davos an, den Schnee systematisch zu untersuchen. Dies war der Beginn des Eidgenössischen Institutes für Schnee- und Lawinenforschung. Heute kontrolliert das Institut ständig die Wetterverhältnisse in den Alpen, errichtet Schutzwälle, sprengt vorsorglich größere Schneemassen und trainiert regelmäßig im Einsatzgebiet für den Katastrophenfall.