Der wahre Eiertanz

Von Udo Pollmer · 22.04.2012
Discounter-Federvieh, Friede-Freude-Eierkuchen-Hennen und glückliche Hühner für den Biomarkt: Beinahe für jeden Verbraucherwunsch gibt es Spezialzüchtungen.
"Das weiß ein jeder, wer´s auch sei - gesund und stärkend ist das Ei." Doch seither ging es bergab mit dem Image. Sorgte Loriots frivoler Ehe-Disput um‘s Viereinhalb-Minuten-Frühstücksei noch für Schmunzeln, konnte einem beim Cholesterin das Lachen glatt vergehen, ganz zu schweigen von den manchmal beschämenden Haltungsformen. Inzwischen haben sich die Tierschützer der Hühner angenommen und sie wurden vom Gesetzgeber erhört. Die Anforderungen an die Haltung werden sukzessive verschärft.

Der Gesetzgeber orientierte sich dabei am Verbraucher, an seinen Vorstellungen von glücklichen Hühnern. Und die sind geprägt vom Heile-Welt-Marketing für Käfigeier: Da stolzieren auf den Prospekten schmucke Hennen gemessenen Schrittes von Blüte zu Blüte, picken da ein Kräutlein und dort ein Körnchen, pflegen ihr buntes Gefieder, kuscheln sich in warme Nester, und legen hin und wieder ein braunes Ei. Doch was des Menschen Herz erfreut, ist noch lange nicht das Glück der Hennen.

Denn unsere bewährten Legehennen funktionieren in den neuen Haltungsformen nicht so, wie sie sollten. Das hängt vielfach mit der Hackordnung zusammen, die vor allem bei der Auslaufhaltung großer Hühnerherden zu massiven Tierverlusten führt, vor allem dann, wenn das Kupieren der scharfen Schnäbel verboten ist. Deshalb nahmen die Züchter die neuen Gesetze zum Anlass, das Federvieh neu zu erfinden. Sie fingen an, ihnen ihr typisches Sozialverhalten mir nichts dir nichts wegzuzüchten. Und bald werden wohl auch die Schnäbel neu designed. Ziel ist die Friede-Freude-Eierkuchen-Henne.

Die Gentechnik stößt das Tor zu den Verbraucherwünschen weit, weit auf. Denn es ist den Züchtern gelungen, im Erbgut der Hühner 600.000 genetische Marker zu erfassen. Nun werden die Merkmale nach Kundenwunsch kombiniert. Dazu gehören nicht nur die Größe und Zahl der Eier, sondern beispielsweise die Zeit, die ein Huhn im Nest verbringt. Je schneller das Huhn sein Ei gelegt hat, desto weniger Nester braucht man. Für den Discounter werden die Hühnerlinien zudem auf mittlere Eigröße eingestellt. Da ist die Futterverwertung am besten. Das senkt abermals die Kosten.

Bei Hühnern für den Biomarkt gelten besondere Anforderungen. Hier sind zusätzlich "hohes Federvolumen bis Ende der Legeperiode", modische Farben und optimale "Nestgängigkeit" gefragt, damit der Kunde auch sieht, wie gut es den Tieren geht. Vor allem aber müssen die Hennen im Gegensatz zu konventionellem Federvieh "robust gegen Fütterungs- und Haltungsfehler" sein. So werden mit gentechnikgestützten Züchtungsprogrammen aus gestressten Biohennen endlich wieder glückliche Hühner.

Bei den Hühnern, die die Eier für die Brütereien legen, sind wieder andere Ziele wichtig. Da der Verbraucher diese Tiere nicht zu Gesicht bekommt, konnte man ungeniert ihre Ökobilanz verbessern. So wurden sie - simsalabim - in Zwerghühner verwandelt, die brauchen weniger Platz und vor allem weniger Futter. Nimmt man als Befruchter einen großen Hahn, dann werden - sofern die Zwerglinien das passende Designer-Genom haben - dann werden ihre weiblichen Nachkommen wieder die volle Legehennen-Größe erreichen.

Wer all dem Rumgegackere ums Ei nicht traut, geht auf den Wochenmarkt, um dort direkt vom Bauern zu kaufen. Doch selbst die Tiere, die die Eier für den Marktstand legen, sind für diesen Zweck generierte Hühnerlinien, also gleichermaßen Spezialzüchtungen wie beim Käfig- oder Auslaufhuhn. Ihre Spezialität sind besonders große Eier - weil das die Käufer so von einem Bauernmarkt erwarten. Der Bauer mit den dicksten Eiern erzielt nicht nur die höchsten Preise, sondern hat auch die treuesten Kunden. Mahlzeit!

Literatur:
Schmidt G: Auf dem Weg zu einer ökologischen Tierzucht. Ökologie & Landbau 2003; Nr. 128: 6-10
Dekkers JCM: Commercial application of marker- and gene-assisted selection in livestock: strategies and lessons. Journal of Animal Science 2004; 82: E313-328
Hunton P: Welfare regulations and their effects on breeding and genetics in laying hens. World Poultry 2002; 18: 20-21
Abasht B et al: Review of quantitative trait loci identified in the chicken. Poultry Science 2006; 85: 2079-2096
Dunn N World Poultry 2005
Preisinger R: Kriterien für die wichtigsten Zuchtziele für die ökologische Hühnerzucht aus der Sicht der Industrie. Präsentation anlässlich des Workshops Ökologische Hühnerzucht am 30. April 2003 in Frankfurt/M. Netzwerk Tierzucht im Ökologischen Landbau
Einschlägige Fortbildungsveranstaltungen und Firmenschriften für Legehennenbetriebe zum Beispiel Sasso, Ökolinien SA51 & SA51A