Der Wachmacher

    Von Axel Schröder |
    Schon im Jahr 1673 soll erstmals in Deutschland Kaffee aufgebrüht worden sein. Mittlerweile ist Kaffee das Lieblingsgetränk der Deutschen: Jeder Bundesbürger konsumiert pro Jahr mehr als sechs Kilo. Ein Großteil davon wird in Hamburg und Bremen verarbeitet.
    Mitten im Hamburger Hafen, ein paar hundert Meter von der Kaikante entfernt ragt ein graugrüner Bau in die Höhe: Deutschlands größtes Kaffeelager, die sogenannte KALA. Gut 50 Meter hoch, Fassungsvermögen 30.000 Tonnen. So viel Kaffee trinkt die Republik in ungefähr drei Wochen. Unten, am Fuße der Anlage wird Nachschub angeliefert: Eine mächtige Hydraulik kippt einen ganzen Lkw-Hänger aus. Hinten rauschen die noch grünen Bohnen aus dem Container.

    "Was wir hier sehen, ist die Entladung von, was wir Big Bags nennen oder Inlets. Da ist ein Kunststoffsack im Container. Der wird gekippt, aufgeschlitzt und dann sind die einundzwanzigeinhalb Tonnen in acht Minuten raus."

    David Southard steht neben dem schräg hängenden Container, direkt dahinter - mit scharfer Klinge - schlitzt ein Kollege den weißen Kunststoffsack noch weiter auf. Ein breiter Strom Bohnen umfließt seine Stiefel, rauscht durch ein Gitterrost im Boden. Southard trägt einen weißen Kittel, die Haare graumeliert. Der IT-Fachmann leitet die Schaltwarte der Anlage, von der Entladung bis zum Weitertransport sind alle Abläufe computergesteuert. Ein dickes blaues Rohr führt vom Boden hinauf durch die Decke. Hinter einem kleinen Sichtfenster hüpfen die Bohnen auf einem nach oben.

    "Dann haben wir hier Elevatoren. Sie sehen diese Schaufeln. Der Kaffee wird nach oben befördert, dann wird er gereinigt. Das heißt: Steine werden entfernt, kleine Stöckchen oder Erde. Staub wird abgesaugt. Und dann kommt der in Silozellen."

    Der gebürtige New Yorker zeigt Richtung Fahrstuhl, will nach oben fahren, den Bohnen hinterher. Über 300 Einzelsilos beherbergt das Gebäude, für Kaffeebohnen aus rund 40 verschiedenen Anbauländern. Vor allem aus Brasilien, Vietnam, Indonesien oder Kolumbien. Im Einkauf kostet das Pfund Rohkaffee rund 80 Cent. Der Plantagenbesitzer verdient daran am meisten, die Kaffeebauern nur knapp zehn Cent pro Pfund. Anders ist das bei fair gehandelten Kaffee, bei gut einem Prozent des deutschen Verbrauchs. Sein Marktanteil wächst. Im achten Stock öffnen sich die Fahrstuhltüren aus blankem Edelstahl. Southard geht vorweg in den 2000-Quadratmeter-Raum.

    "Jetzt sind wir ganz oben! Auf dem achten Boden. Und jetzt sehen wir die Verteilung in die 330 einzelnen Zellen. Das sind weiße Leitungen, und von der Schaltwarte wird gesteuert, in welche Zelle der Kaffee reingeht."

    David Southard klopft mit einer Hand auf die blechernen weißen Rohrleitungen. Kreuz und quer verlaufen die Rohrleitungen, von oben rauschen die Bohnen PC-gesteuert in die richtigen Silozellen: getrennt nach Kunde, Herkunftsland und Sorte.

    "Über uns ist ein Verteiler. Und der bedient die Rohre und das wird alles haargenau gesteuert von der Zentrale. Die geben eine Zelle vor und sagen: dahin! Und da geht der Kaffee dann auch hin."

    Zur Kundschaft der KALA gehören die großen Kaffeeröster: Tchibo, Dallmayr oder Darboven lagern ihre Bohnen hier, aber auch die kleinen Röstereien holen hier ihre Ware ab.

    Wieder unten angekommen verabschiedet sich David Southard mit kräftigem Händedruck. Er empfiehlt einen Besuch bei einer ganz kleinen, aber feinen Hamburger Rösterei. Bei Jens Burg in Eppendorf.

    "So. Hier sind beim Rösten! Heut morgen hat Röstmeister Schirmer Dienst. Der streichelt die Bohnen schon seit 50 Jahren. Oder seit 48 Jahren? Ist ein Altmeister seines Faches!"

    Und Horstma Schirmer behält die Bohnen immer im Blick. Er steht neben Jens Burg, ist eigentlich schon pensioniert. Ein wortkarger Hamburger:

    "Ja, der Kaffee und ich. Wir kennen uns."

    Drei Monate Ruhestand hat der weißhaarige Röstmeister Schirmer ausgehalten, dann fing er wieder an, auf 400-Basis bei Jens Burg.
    "Wir sind eine kleine Kaffeerösterei. So wie es in Hamburg bis 1965 noch 300 Stück gab. Der Röster ist im Laden und dann ist auch dieses Verkaufsprogramm dabei. Wenn sie reinkommen, sehen sie Kaffee, Kaffeezubehör, Pralinen, Geschenkartikel. Also, die Kombination eines klassischen alten Kaffeeladens."

    Gleich rechts neben dem Eingang steht die runde pechschwarze Rösttrommel. Groß wie ein Ölfass, angeheizt von 21 Gasbrennern unter dem Gerät. Jens Burg, Hemd und Hose in blauem Jeansstoff, erklärt das Verfahren:

    "Wir rösten ja hier mit einer Probat-Röstmaschine. Baujahr 1950. Und zwar wird der Kaffee geröstet nach einem alten traditionellen Handröstverfahren: 20 Minuten röstet der Kaffee bei einer Temperatur von 200 Grad. Dann hat er das feinste Aroma, die schönste Milde und ist richtig rund und ausgeröstet."

    Neben ihm nickt Horstma Schirmer, wirft einen Blick auf den runden Temperaturmesser an der Maschine. Die Großröstereien, erklärt er, jagen die Bohnen nur wenige Minuten durch einen brennend heißen Luftstrom. Zu kurz, um das volle Aroma aus den Bohnen zu holen.

    "Das kann man doch nicht vergleichen! Der Kaffee, die Bohne, muss von innen durch gehen. Nicht von außen sich sofort schließen, braun werden. Und innen ist sie nicht durch. Die muss richtig von innen durch gehen die Bohne!"

    Schirmer zieht am Holzknauf den sogenannten Probenzieher aus der Mitte der Trommel: Ganz vorn in dem heißen Messingrohr liegt eine Handvoll Bohnen, mittel- fast dunkelbraun. Ein kurzer Blick genügt und der Röstmeister weiß: In zwei Minuten sind die Bohnen fertig. Dann legt er einen Metallhebel um, unten schwenkt der Röster auf: Die Bohnen fließen in einen runden Messingbottich, ein Luftstrom kühlt die heiße Ware.

    "Das Schönste für mich ist, wenn ich die Gelegenheit habe, morgens hier im Laden das erste Pfund Kaffee durch mahlen zu können. Das Aroma von diesem reinen unaromatisierten Kaffee hat eben immer wieder eine Faszination!"

    Fast zärtlich streicht Jens Burg über die heißen, dunklen Bohnen. Fünf Tassen trinken die Deutschen im Schnitt pro Tag und füllen damit jedes Mal die Staatskasse: Pro Pfund verlangt der Fiskus rund ein Euro fünfzig, macht jährlich: eine Milliarde Euro Kaffeesteuer.