Der Unrechtsstaat als Eignungstest für Politiker
Wie würden wir reagieren auf folgende politische Äußerung: „Nein, es war nicht alles schlecht im Dritten Reich. Dass den Dabeigewesenen die Bratwürstchen an den Lagerfeuern der Hitler-Jugend in der Erinnerung besonders köstlich erscheinen, ist doch normal. Viele Rechtsbereiche lagen in einem auch heute gültigen Spektrum: Man konnte heiraten, es galt die Straßenverkehrsordnung … Es war also nicht alles Unrecht, was damals geschah – und demzufolge war das Dritte Reich auch kein Unrechtsstaat. Denn das Unrecht war nicht total. Die Idee war gut, sie ist nur falsch ausgeführt worden.“
Ein Politiker, der so argumentierte, riefe einen Skandal hervor. Seine politische Laufbahn wäre sofort zu Ende. Und zwar zu Recht. Er hätte den „Unrechtsstaat“ verharmlost und indirekt das Bekenntnis abgelegt, dass er dessen kriminellen und menschenverachtenden Wesenskern entweder nicht erkennen will oder nicht erkennen kann.
Bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten galt dies auch für den Umgang mit der DDR. Kennzeichnend dafür ist die Verwendung des Wortes „Unrechtsregime“ als Synonym für „Unrechtsstaat“ im Einigungsvertrag zur begrifflichen Einordnung der SED-Diktatur. Das war kein Zufall, sondern Ausdruck des demokratischen Grundkonsens´, an dem von den damaligen Parteien im Bundestag nicht gerüttelt wurde. Man kann ihn auch antitotalitären Grundkonsens nennen, weil er sich gegen Diktaturen jeglicher Art richtet. Positiv gewendet bedeutet er die Anerkennung der Idee der Menschenwürde als dem zentralen Wert des Grundgesetzes.
Im Kern besteht die Menschwürde in der Achtung des Menschen als einem Wesen, das Entscheidungen trifft. Der demokratische Rechtsstaat bundesdeutscher Prägung ist Ausdruck dieses Prinzips. Diese Staatsform hat die Aufgabe, den mit unverlierbaren Rechten ausgestatteten Menschen und seine Freiheiten zu schützen. Im direkten Gegensatz dazu steht der Begriff „Unrechtsstaat“. Solch ein Staat negiert die Menschenwürde und versucht den Menschen als Wesen, das Entscheidungen trifft, abzuschaffen.
Genau das war das Programm der nach sowjetischem Vorbild gegen den Mehrheitswillen des Volkes errichteten SED-Herrschaft. Die Idee zur Gründung dieses Staates war nicht legitim, auch wenn das der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag und Retter der SED, Gregor Gysi, seit vielen Jahren nimmermüde beteuert. Denn als Idee fungierte der Marxismus-Leninismus, der als Legitimationsgrundlage zur Herstellung von Leichenbergen in der ganzen Welt keinen quantitativen Vergleich zu scheuen braucht. Und in dieser Hinsicht den Nationalsozialismus durchaus übertrifft.
Im Falle der DDR führte die Utopie der Zwangsbeglückung nicht nur zur Massenflucht, sondern die Dagebliebenen wurden eingemauert und als Eigentum des Staates behandelt. Das politische Programm bedeutete: Indoktrination, Erziehung zur Lüge und zum Hass auf Andersdenkende, Diskreditierung humaner Traditionen. Dass dieses Programm letztlich gescheitert ist, weil viele sich ihm entzogen, nimmt ihm nichts von seinem totalitären Anspruch, an dem die SED bis zum Schluss festhielt. Die Schäden, die es in den Köpfen und Seelen der Menschen angerichtet hat, werden noch lange nachwirken, etwa in der tiefen Entfremdung von demokratischen Grundwerten, wie Umfragen immer wieder zeigen.
Doch es wird wieder diskutiert. Allein schon über die Frage zu streiten, ob ein Staat wie die DDR als „Unrechtsstaat“ bezeichnet werden kann, ist absurd. Der ehemalige DDR-Bürgerrechter Konrad Weiß hat die Debatte deshalb schlicht „niederträchtig“ genannt.
Doch ist sie für die Wähler auch aufschlussreich. Denn sie zeigt indirekt, welche Politiker und Parteien den zentralen Wert des Grundgesetzes in der vergangenheitspolitischen Praxis nachvollziehbar anerkennen und welche nicht. Wer in der SED-Diktatur und ihren Folgen kein Werk des Unrechtsstaates erblicken kann, ist für politische Funktionen – auf welcher Ebene auch immer – schlicht untragbar.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“, die „FAZ“, den „Rheinischen Merkur“, „Das Parlament“, den „Tagesspiegel“ und die „tageszeitung“, wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.
Bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten galt dies auch für den Umgang mit der DDR. Kennzeichnend dafür ist die Verwendung des Wortes „Unrechtsregime“ als Synonym für „Unrechtsstaat“ im Einigungsvertrag zur begrifflichen Einordnung der SED-Diktatur. Das war kein Zufall, sondern Ausdruck des demokratischen Grundkonsens´, an dem von den damaligen Parteien im Bundestag nicht gerüttelt wurde. Man kann ihn auch antitotalitären Grundkonsens nennen, weil er sich gegen Diktaturen jeglicher Art richtet. Positiv gewendet bedeutet er die Anerkennung der Idee der Menschenwürde als dem zentralen Wert des Grundgesetzes.
Im Kern besteht die Menschwürde in der Achtung des Menschen als einem Wesen, das Entscheidungen trifft. Der demokratische Rechtsstaat bundesdeutscher Prägung ist Ausdruck dieses Prinzips. Diese Staatsform hat die Aufgabe, den mit unverlierbaren Rechten ausgestatteten Menschen und seine Freiheiten zu schützen. Im direkten Gegensatz dazu steht der Begriff „Unrechtsstaat“. Solch ein Staat negiert die Menschenwürde und versucht den Menschen als Wesen, das Entscheidungen trifft, abzuschaffen.
Genau das war das Programm der nach sowjetischem Vorbild gegen den Mehrheitswillen des Volkes errichteten SED-Herrschaft. Die Idee zur Gründung dieses Staates war nicht legitim, auch wenn das der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag und Retter der SED, Gregor Gysi, seit vielen Jahren nimmermüde beteuert. Denn als Idee fungierte der Marxismus-Leninismus, der als Legitimationsgrundlage zur Herstellung von Leichenbergen in der ganzen Welt keinen quantitativen Vergleich zu scheuen braucht. Und in dieser Hinsicht den Nationalsozialismus durchaus übertrifft.
Im Falle der DDR führte die Utopie der Zwangsbeglückung nicht nur zur Massenflucht, sondern die Dagebliebenen wurden eingemauert und als Eigentum des Staates behandelt. Das politische Programm bedeutete: Indoktrination, Erziehung zur Lüge und zum Hass auf Andersdenkende, Diskreditierung humaner Traditionen. Dass dieses Programm letztlich gescheitert ist, weil viele sich ihm entzogen, nimmt ihm nichts von seinem totalitären Anspruch, an dem die SED bis zum Schluss festhielt. Die Schäden, die es in den Köpfen und Seelen der Menschen angerichtet hat, werden noch lange nachwirken, etwa in der tiefen Entfremdung von demokratischen Grundwerten, wie Umfragen immer wieder zeigen.
Doch es wird wieder diskutiert. Allein schon über die Frage zu streiten, ob ein Staat wie die DDR als „Unrechtsstaat“ bezeichnet werden kann, ist absurd. Der ehemalige DDR-Bürgerrechter Konrad Weiß hat die Debatte deshalb schlicht „niederträchtig“ genannt.
Doch ist sie für die Wähler auch aufschlussreich. Denn sie zeigt indirekt, welche Politiker und Parteien den zentralen Wert des Grundgesetzes in der vergangenheitspolitischen Praxis nachvollziehbar anerkennen und welche nicht. Wer in der SED-Diktatur und ihren Folgen kein Werk des Unrechtsstaates erblicken kann, ist für politische Funktionen – auf welcher Ebene auch immer – schlicht untragbar.
Hans-Joachim Föller, 1958 in Schlüchtern geboren, wuchs in Hessen auf, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Dem Zeitungsvolontariat in Hessen folgte 1992 der Umzug nach Thüringen sowie dort eine mehrjährige Tätigkeit als Redakteur in verschiedenen Regionalzeitungen. Seit 1998 arbeitet Föller als freier Journalist unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“, die „FAZ“, den „Rheinischen Merkur“, „Das Parlament“, den „Tagesspiegel“ und die „tageszeitung“, wobei die Darstellung der Folgen der SED-Diktatur einen Schwerpunkt bildet.

Hans-Joachim Föller© privat