Der Umgang mit der AfD

Die Nichtwähler sind entscheidend

09:47 Minuten
Ein Plakat mit der Aufschrift "Wofür stehst Du?" an einer Häuserwand in Leipzig.
Wahlaufruf an einer Häuserwand in Leipzig: In Sachsen, Brandenburg und Thüringen bleiben 35 bis 40 Prozent der Wahlberechtigten zu Hause. © imago images/Peter Endig
Steffen Mau im Gespräch mit Nicole Dittmer · 10.02.2020
Audio herunterladen
Ist es hilfreich, wenn in Thüringen die etablierten Parteien auf größere Distanz zur AfD gehen – und damit auch zu ihren Wählern? Für das Funktionieren der Demokratie hält der Soziologe Steffen Mau eine andere Frage für dringlicher.
In einer gerade veröffentlichten Langzeituntersuchung ist die Konrad Adenauer Stiftung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Menschen im Osten die Demokratie schlechter bewerten als in Westdeutschland. In Thüringen hatten 23 Prozent die AfD gewählt und damit der aktuelle Politik eine Absage erteilt. Wie können und sollten die anderen Parteien mit dieser Wählerschaft umgehen?
Steffen Mau hält das für eine schwierige Frage. Ja, 22 Prozent hätten mit der AfD eine "radikale und chauvinistische Partei" gewählt, sagt der Professor für Soziologie an der Berliner Humboldt-Universität und Autor des Buches Lütten Klein, ein Stadtteil von Rostock, in dem sich Mau mit der Seele der Ostdeutschen beschäftigt hat.

Anknüpfungspunkte suchen oder Kontaktverbot?

Am besten sei es zu unterscheiden, sagt Mau: zwischen der Wählerschaft und der Partei, und zu schauen, wo man Anknüpfungspunkte finde, "ohne dass man natürlich die Programmatik, das Vokabular und das Auftreten dieser Partei imitiert." Das Risiko dieser Strategie bestehe jedoch darin, die Partei durch gemeinsame Anknüpfungspunkte zu normalisieren.
Die Alternative sei ein Kontaktverbot. Wie man kein Wasser in den Keller eines Hauses eindringen lasse, weil es die Beständigkeit des Hauses zerstöre, sagt Mau, "so gibt es natürlich auch die Gefahr, dass wenn man zu stark auf diese Gruppen eingeht, man möglicher Weise dann auch unser Haus Demokratie langfristig beschädigt."
Die Wählerschaft der AfD sei vor allem mittleren Alters, darunter viele Berufstätige, häufig mit mittlerem Bildungsabschluss, fast doppelt so viele Männer als Frauen, eher ländlich geprägt und in kleineren Städten zu Hause. "Es ist im Prinzip das Gegenmilieu zu einer urbanen, kosmopolitischen Schicht." Die Wählerschaft verbinde eine Entfremdung von der Politik und den Eliten. Diese werde von den Volksparteien nicht mehr "eingebunden" und zudem von Rechtspopulisten befeuert.

85 Prozent der Ostdeutschen wählt nicht die AfD

Ein Punkt ist Mau in dieser Diskussion besonders wichtig: Die stärkste Wählergruppe sei immer noch die der Nichtwähler. In Brandenburg, Thüringen und Sachsen seien das 35 bis 40 Prozent. "Das ist eine große Gruppe von Ostdeutschen, die offensichtlich nicht der AfD hinterherläuft. Und wenn man die einberechnet, dann schrumpft die AfD häufig dann auch auf 15 Prozent zusammen." Die anderen 85 Prozent müssten sich nun "politisch mobilisieren".
Dazu müssten jetzt die anderen politischen Parteien Verantwortung übernehmen. Sie müssten lernen, mehr auf die Mentalitäten vor Ort einzugehen. Mau fordert dazu "große Kraftanstrengungen", um ins Gespräch zu kommen und auch neue Formen von Beteiligung jenseits von Parteien zu finden, die nur eine geringe Rolle spielten.
(sed)
Mehr zum Thema