Der Teppich als Staatsschmuck

Von Kathrin Hondl · 14.05.2007
Seit 400 Jahren wird in den Ateliers der "Manufacture des Gobelins" in Paris gewirkt und gewebt: Im Jahr 1607 von Heinrich IV. gegründet, war die Tapisserie-Manufaktur später unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. als "Königliche Manufaktur" für die Innenausstattung der königlichen Schlösser und Paläste zu ständig. Und auch heute noch werden hier Gobelins und andere dekorative Schmuckstücke für die Paläste der Republik gefertigt. Ausgewählte Schätze aus der Sammlung dieser sehr speziellen Traditions-Institution à la francaise sind jetzt in einer Ausstellung zu sehen - der ersten Schau in der "Galerie des Gobelins", die nach 35-jähriger Schließung und einer umfassenden Renovierung wieder aufgemacht hat.
Könige kamen und gingen. Revolutionen erschütterten das Land. Kaiserreiche und Republiken lösten einander ab. Doch die Gobelin-Manufaktur blieb. Seit 400 Jahren werden hier - im heutigen 13. Arrondissement von Paris - Gobelins an traditionellen Hochwebstühlen hergestellt. Eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, meint Bernard Schotter, Direktor der Manufakturen und des dazugehörigen Möbellagers "Mobilier National":

"Es ist tatsächlich paradox, dass diese Institution alle Revolutionen und politischen Regime-Wechsel in Frankreich überlebt hat. Ich glaube, der Grund dafür ist, dass Heinrich IV. und Ludwig XIV. hier ein wirkungsvolles System erfunden haben: den Staat als Mäzen. Dieses staatliche Mäzenatentum ermöglichte es, die jeweils zeitgenössische Kunst zu fördern. Der Dialog zwischen den Kunsthandwerkern und den Künstlern, die Ideen bringen, wurde gefördert, und so war dieses System künstlerisch außerordentlich fruchtbar."

Werke aus den letzten zehn Jahren sind da jetzt in der wiedereröffneten Galerie zu sehen: Zum Beispiel ein schwarz-weißer, fast schon reliefartiger Gobelin nach einer Tuschezeichnung des Bildhauers Eduardo Chillida. Oder Arbeiten von Raymond Hains: er hat kurz vor seinem Tod 2005 den Entwurf für ein Diptychon geliefert: zwei Gobelins, die Computeroberflächen darstellen. "Mackintoshages" nannte Hains diese Bildkompositionen. In den traditionsreichen Manufakturen wurden die digitalen Bilder detailgenau nachgewebt. Bernard Schotter:

"Viele Künstler sind fasziniert von der Ähnlichkeit zwischen dem Raster digitaler Pixel-Bilder und dem Raster der Tapisserie. Denn letztlich ist es das gleiche Prinzip der Bildkonstruktion - wie in einem Koordinatensystem - und einige Künstler spielen in ihren Werken ganz bewusst mit dieser Ähnlichkeit."

Die meisten zeitgenössischen Bildteppiche allerdings entstehen wie auch früher schon nach Gemälde-Vorlagen. Die gigantische Farb- und Faden-"Pallette" der Manufakturen begeistert die Malerin Monique Frydman:

"Es gibt da ein Repertoire von 14.400 Farbtönen und letztlich endlos viele Nuancen und Farben. Das ist das Paradies, das Paradies des Malers! Ich war entzückt, als nach einem meiner Bilder eine Tapisserie gefertigt wurde - das Bild wird sozusagen in ein anderes Material, in Wolle, übertragen. Besonders spannend war es, den 'Licier', den Gobelin-Weber dabei zu beobachten, wie er zweieinhalb Jahre lang an der Reproduktion meines Bildes arbeitete. Er kennt mein Bild jetzt vielleicht besser als ich selbst, weil er es Millimeter um Millimeter erarbeitet hat."

Diese zeitgenössischen Gobelins sind nicht für den Kunstmarkt bestimmt und auch nur selten in Ausstellungen zu sehen. Sie sind ohnehin eine französische Besonderheit - im Vokabular der Gegenwartskunst spielt die Tapisserie so gut wie keine Rolle mehr. Die Bildteppiche aus der nationalen Gobelin-Manufaktur sind als Wandschmuck für die Paläste und Botschaften der Republik gedacht. So wie einst für die Paläste der Könige.

Den historischen Stücken ist der zweite Ausstellungsteil gewidmet. Zum einen sind da prunkvolle Möbel, Uhren und Vasen zu sehen - Objekte, die im Auftrag des Staates in den Manufakturen entstanden sind. Arnauld Brejon de Lavergnée, Direktor der illustren Sammlung:

"Wir sind hier im Dienste der Macht. Wir machen Objekte, die den Mächtigen dienen, der Einrichtung der Könige, der Kaiser oder heute eben der Präsidenten der Republik. Sie sehen hier also Kronleuchter, wertvolle Vasen, kleine Tapisserien, Teppiche, die im 18. und 19. Jahrhundert hergestellt wurden."

Um diese Pretiosen herum, an den Wänden, präsentiert die Galerie dann noch ein ganz frühes Beispiel französischer Tapisserie-Kunst: Ein Ensemble von 15 Gobelins, die nach Zeichnungen von Antoine Caron zu Beginn des 17. Jahrhunderts gefertigt wurden. Ein Auftrag Heinrichs IV. Auch 400 Jahre später glänzen die Gold- und Silberfäden noch. Ein "Meisterwerk" schwärmt Arnauld Brejon de Lavergnée - froh, dass er die geheimen Schätze der Mächtigen nun endlich wieder der Öffentlichkeit zeigen kann.

"Es ist ein Skandal, dass diese Galerie so lange geschlossen war. Glauben Sie mir, ich habe hier Objekte für 40 Jahre Wechselausstellungen. Es gibt so viel zu erzählen. Wir sind das Gedächtnis der Inneneinrichtung, das Gedächtnis der französischen Tapisserie."