Der Talent-Entdecker der modernen Kunst
Ambroise Vollard hat als Kunsthändler maßgeblich die Entwicklung der modernen Kunst beeinflusst. Durch seine Hände gingen Werke von Cézanne, van Gogh, Picasso und Matisse. Das Musée d’Orsay zeigt zahlreiche dieser Gemälde und ehrt den visionären Kunsthändler mit der Ausstellung "Die Meisterwerke der Galerie Vollard".
Die Hommage beginnt mit einer "Hommage an Cézanne". Ein Bild im Bild, das den unaufhaltsamen Aufstieg Vollards bereits im Jahr 1900 mit der Zukunft der Moderne verknüpft: Das großformatige Ölgemälde von Maurice Denis versammelt rund um ein Stillleben Cézannes’ die Meistermaler der Nabis-Gruppe: von Redon über Vuillard bis Bonnard. Im Hintergrund hält Vollard die Fäden in der Hand, erzählt Kuratorin Anne Roquebert:
"Ich würde nicht sagen, dass Vollard sich hier versteckt hat, sondern im Gegenteil: Er dominiert die Szene, die sich in seiner Kunstgalerie abspielt. Er ist größer als alle anderen, er war 1 Meter 92 groß. Wir sehen ihn hier, wie er im Hintergrund die Stange der Staffelei hält. Man hat den Eindruck, dass er die Entstehung der modernen Kunst in der Hand hält."
1866 war Ambroise Vollard in Saint-Denis de la Réunion als erstes von insgesamt zehn Kindern einer Notarsfamilie auf die Welt gekommen. Nach seinem Jura-Studium entschied er sich im Alter von 27 Jahren 1893 in der weltweiten Kunstmetropole Paris eine kleine Galerie zu eröffnen. Zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte. Die Ehrung des epochemachenden Kunsthändlers gleicht einem Abriss der Kunstgeschichte. Durch Vollards Hände gingen die Meisterwerke des 20. Jahrhunderts.
"Er war sehr effizient mit seinen Ausstellungen. Er entdeckte das Talent der Leute - das spektakulärste Beispiel ist Cézanne - und entschied sich dann sofort, eine Ausstellung zu machen."
Anders formuliert: Vollard nahm einfache Gemälde in Empfang und verwandelte sie in klingende Münze und ein Stück Kunstgeschichte. Er verband Künstlerschicksale und machte aus seiner Galerie einen intellektuellen Treffpunkt der Malerei. Als Vollard Cézannes "Drei Badende" ausstellte, verdrehte er damit Matisse den Kopf, den das Werk nicht mehr losließ. "Amors Kampf" hatte für Renoir größte Bedeutung. Degas tauschte bei Vollard eigene Werke gegen Gemälde von Manet und Van Gogh. 1895 wagte Vollard die erste Einzelausstellung von Cézanne und machte diesen über Nacht berühmt.
"Seine Begegnung mit Cézanne hat sich folgendermaßen abgespielt. Eines Tages hat er in der Galerie Père Tanguy ein Gemälde Cézannes gesehen – und das war Liebe auf den ersten Blick. Er entschied sich, Kunsthändler zu werden und eine Ausstellung mit Werken Cézannes zu machen. Diesen Traum hat er dann mit der Eröffnung seiner zweiten Galerie im November 1895 verwirklicht."
Von Vollards Pariser Galerie gingen die Gemälde hinaus in alle Welt. Die Ausstellung im Musée d’Orsay präsentiert uns nun – 100 Jahre danach – eine Art "Klassentreffen" der Vollard-Epoche. Werke von Dutzenden Meistermalern hängen Seite an Seite: Gaugins Badende aus Haiti, Renoirs Junge mit roter Weste, Dégas Pferderennen, Cézannes St.Victoire-Landschaften - und erstmals seit 1896 kann wieder der smaragdfarbene Landschafts-Triptychon van Goghs bewundert werden.
"Die 'Seine-Ufer'-Gemâlde, die sich mittlerweile in Chicago und Dallas befinden und ein anderes Gemälde 'Frau im Garten', das sich in Privatbesitz befindet, stellen dieses Triptychon dar. Darauf weist das gemeinsame Format, die gemeinsame Farbgebung und das Motiv hin. Aber bei einem Gemälde war kein roter Rand zu sehen. Die Kollegen in Dallas haben also das Gemälde aus dem Rahmen genommen und tatsächlich einen roten Rand entdeckt. Diese Bilder bilden also sehr wahrscheinlich jenen Triptychon, der 1896 zum letzten Mal ausgestellt worden ist."
Kuratorin Anne Roquebert erzählt, dass sie schon oft versucht habe, die Augen zu schließen und sich vorzustellen, was aus der modernen Kunst ohne Ambroise Vollard geworden wäre.
"Ich glaube, ein Teil des Kubismus würde nicht existieren – wenn Vollard nicht die Verbindung zwischen Cézanne und Picasso ermöglicht hätte. Ich denke, der Fauvismus wäre früher zu Ende gewesen. Vollard war ein außergewöhnliches Bindeglied. Selbst ein Teil des Expressionismus wäre weniger stark ausgefallen. Die moderne Kunst wäre erheblich ärmer gewesen, erheblich isolierter."
Vollards Kunst bestand aus einem unbestechlichen Blick für das Neue und Einzigartige jenseits aller Kunstrichtungen und akademischen Stile. Hinzu kam eine unnachahmliche und berühmt-berüchtigte Methode im richtigen Augenblick zuzugreifen. Manche Zeitgenossen bezeichneten ihn als skrupellosen Händler, der die Unwissenheit der Käufer schamlos ausnutzte. Gauguin bezeichnete ihn wenig schmeichelhaft als "Krokodil", Rouault gar als "Blutsauger". Nur Cézanne verteidigte ihn zeitlebens als "ehrlichen Menschen".
"Ich glaube, ehrlicherweise muss man sagen, dass er oft der einzige war, der diese Bilder gekauft hat. Gauguin beispielsweise beklagte sich darüber, dass Vollard schlecht bezahlte, aber ansonsten wollte diese Bilder niemand. Genauso war das bei den anderen Künstlern… Im Nachhinein haben alle anerkannt, dass Vollard eine fundamentale Rolle gespielte hatte."
Vollards Rolle ging weiter über die eines Kunsthändlers hinaus. Als Kunstkritiker schuf er mit seinen Werken über Degas, Cézanne, Renoir die Grundlage für ein neues Kunst-Verständnis. Er ermutigte die Künstler, über sich hinaus zu wachsen.
Renoir brachte er dazu, sich der Bildhauerei zu widmen. Bonnard fertigte Lithografien an, Derain Keramikarbeiten. Gleichzeitig verschaffte Vollard sich selbstbewusst seinen Platz: Er gab gegen Vorschuss Gemälde in Auftrag und ließ sich unzählige Male porträtieren. Auch Picasso zeichnete Vollard, der ihm bei seiner Ankunft in Paris 1901 entscheidend geholfen hatte. Picasso vertraute bei seinem Porträt allerdings auf ein Foto als Vorlage. Vorzeichen einer neuen Zeit, die Vollard entscheidend mit angestoßen, aber am Ende nicht mehr dominiert hatte. Picasso und Matisse hatte er geschätzt, aber auch unterschätzt – genauso wie den Surrealismus. Zwei Jahre vor seinem Tod bei einem Autounfall 1939 veröffentlichte Ambroise Vollard seine Memoiren: "Erinnerungen eines Kunsthändlers". Erinnerungen an ein Vermächtnis, das nun im Musée d’Orsay erstmals angemessen bebildert wird.
"Ich würde nicht sagen, dass Vollard sich hier versteckt hat, sondern im Gegenteil: Er dominiert die Szene, die sich in seiner Kunstgalerie abspielt. Er ist größer als alle anderen, er war 1 Meter 92 groß. Wir sehen ihn hier, wie er im Hintergrund die Stange der Staffelei hält. Man hat den Eindruck, dass er die Entstehung der modernen Kunst in der Hand hält."
1866 war Ambroise Vollard in Saint-Denis de la Réunion als erstes von insgesamt zehn Kindern einer Notarsfamilie auf die Welt gekommen. Nach seinem Jura-Studium entschied er sich im Alter von 27 Jahren 1893 in der weltweiten Kunstmetropole Paris eine kleine Galerie zu eröffnen. Zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte. Die Ehrung des epochemachenden Kunsthändlers gleicht einem Abriss der Kunstgeschichte. Durch Vollards Hände gingen die Meisterwerke des 20. Jahrhunderts.
"Er war sehr effizient mit seinen Ausstellungen. Er entdeckte das Talent der Leute - das spektakulärste Beispiel ist Cézanne - und entschied sich dann sofort, eine Ausstellung zu machen."
Anders formuliert: Vollard nahm einfache Gemälde in Empfang und verwandelte sie in klingende Münze und ein Stück Kunstgeschichte. Er verband Künstlerschicksale und machte aus seiner Galerie einen intellektuellen Treffpunkt der Malerei. Als Vollard Cézannes "Drei Badende" ausstellte, verdrehte er damit Matisse den Kopf, den das Werk nicht mehr losließ. "Amors Kampf" hatte für Renoir größte Bedeutung. Degas tauschte bei Vollard eigene Werke gegen Gemälde von Manet und Van Gogh. 1895 wagte Vollard die erste Einzelausstellung von Cézanne und machte diesen über Nacht berühmt.
"Seine Begegnung mit Cézanne hat sich folgendermaßen abgespielt. Eines Tages hat er in der Galerie Père Tanguy ein Gemälde Cézannes gesehen – und das war Liebe auf den ersten Blick. Er entschied sich, Kunsthändler zu werden und eine Ausstellung mit Werken Cézannes zu machen. Diesen Traum hat er dann mit der Eröffnung seiner zweiten Galerie im November 1895 verwirklicht."
Von Vollards Pariser Galerie gingen die Gemälde hinaus in alle Welt. Die Ausstellung im Musée d’Orsay präsentiert uns nun – 100 Jahre danach – eine Art "Klassentreffen" der Vollard-Epoche. Werke von Dutzenden Meistermalern hängen Seite an Seite: Gaugins Badende aus Haiti, Renoirs Junge mit roter Weste, Dégas Pferderennen, Cézannes St.Victoire-Landschaften - und erstmals seit 1896 kann wieder der smaragdfarbene Landschafts-Triptychon van Goghs bewundert werden.
"Die 'Seine-Ufer'-Gemâlde, die sich mittlerweile in Chicago und Dallas befinden und ein anderes Gemälde 'Frau im Garten', das sich in Privatbesitz befindet, stellen dieses Triptychon dar. Darauf weist das gemeinsame Format, die gemeinsame Farbgebung und das Motiv hin. Aber bei einem Gemälde war kein roter Rand zu sehen. Die Kollegen in Dallas haben also das Gemälde aus dem Rahmen genommen und tatsächlich einen roten Rand entdeckt. Diese Bilder bilden also sehr wahrscheinlich jenen Triptychon, der 1896 zum letzten Mal ausgestellt worden ist."
Kuratorin Anne Roquebert erzählt, dass sie schon oft versucht habe, die Augen zu schließen und sich vorzustellen, was aus der modernen Kunst ohne Ambroise Vollard geworden wäre.
"Ich glaube, ein Teil des Kubismus würde nicht existieren – wenn Vollard nicht die Verbindung zwischen Cézanne und Picasso ermöglicht hätte. Ich denke, der Fauvismus wäre früher zu Ende gewesen. Vollard war ein außergewöhnliches Bindeglied. Selbst ein Teil des Expressionismus wäre weniger stark ausgefallen. Die moderne Kunst wäre erheblich ärmer gewesen, erheblich isolierter."
Vollards Kunst bestand aus einem unbestechlichen Blick für das Neue und Einzigartige jenseits aller Kunstrichtungen und akademischen Stile. Hinzu kam eine unnachahmliche und berühmt-berüchtigte Methode im richtigen Augenblick zuzugreifen. Manche Zeitgenossen bezeichneten ihn als skrupellosen Händler, der die Unwissenheit der Käufer schamlos ausnutzte. Gauguin bezeichnete ihn wenig schmeichelhaft als "Krokodil", Rouault gar als "Blutsauger". Nur Cézanne verteidigte ihn zeitlebens als "ehrlichen Menschen".
"Ich glaube, ehrlicherweise muss man sagen, dass er oft der einzige war, der diese Bilder gekauft hat. Gauguin beispielsweise beklagte sich darüber, dass Vollard schlecht bezahlte, aber ansonsten wollte diese Bilder niemand. Genauso war das bei den anderen Künstlern… Im Nachhinein haben alle anerkannt, dass Vollard eine fundamentale Rolle gespielte hatte."
Vollards Rolle ging weiter über die eines Kunsthändlers hinaus. Als Kunstkritiker schuf er mit seinen Werken über Degas, Cézanne, Renoir die Grundlage für ein neues Kunst-Verständnis. Er ermutigte die Künstler, über sich hinaus zu wachsen.
Renoir brachte er dazu, sich der Bildhauerei zu widmen. Bonnard fertigte Lithografien an, Derain Keramikarbeiten. Gleichzeitig verschaffte Vollard sich selbstbewusst seinen Platz: Er gab gegen Vorschuss Gemälde in Auftrag und ließ sich unzählige Male porträtieren. Auch Picasso zeichnete Vollard, der ihm bei seiner Ankunft in Paris 1901 entscheidend geholfen hatte. Picasso vertraute bei seinem Porträt allerdings auf ein Foto als Vorlage. Vorzeichen einer neuen Zeit, die Vollard entscheidend mit angestoßen, aber am Ende nicht mehr dominiert hatte. Picasso und Matisse hatte er geschätzt, aber auch unterschätzt – genauso wie den Surrealismus. Zwei Jahre vor seinem Tod bei einem Autounfall 1939 veröffentlichte Ambroise Vollard seine Memoiren: "Erinnerungen eines Kunsthändlers". Erinnerungen an ein Vermächtnis, das nun im Musée d’Orsay erstmals angemessen bebildert wird.