Der tägliche Krieg in der Pfalz

Von Otto Deppe · 03.05.2009
"Meine Sanitäter zogen mich aus dem Wrack - ich wäre verbrannt, wenn sie mich nicht heraus gezogen hätten." Marine Carlos Martinez weiß, was er den Sanitätern und der lückenlosen medizinischen Versorgungskette der US Army zu verdanken hat. Bereits zwei Tage nach der Erstversorgung in Afghanistan wird er zur Weiterbehandlung im Militärkrankenhaus Landstuhl in der Pfalz ausgeflogen.
Täglich landen auf der benachbarten Air Base Ramstein die riesigen Lazarettflugzeuge mit Verwundeten aus dem Irak und aus Afghanistan. Wenige Minuten danach sind die Soldaten in der Obhut des US Militär Hospitals, mit 3000 Beschäftigten das größte außerhalb der USA. Mehr als 10.000 Verwundete wurden dort bisher behandelt. Das Krankenhaus, das über modernste medizinische Einrichtungen verfügt, ist vergleichbar mit großen Universitätskliniken, mit dem Unterschied, dass in Landstuhl das Grauen des Guerillakrieges im Irak und in Afghanistan immer wieder sichtbar wird.

Martinez: "Meine Sanitäter zogen mich aus dem Wrack. Ich wäre verbrannt, wenn sie mich nicht heraus gezogen hätten."

Garcia: "Oft sind sie mehrfach verwundet. Fast immer Explosionsverletzungen von versteckten Bomben."

Griffith: "Die häufigste Frage ist, wann können sie zurück, oder wie geht es ihren Freunden."

Mittags gegen 13 Uhr. Wie fast jeden Tag um diese Zeit stehen dicht nebeneinander aufgereiht etwa 40 fahrbare Krankentragen auf einem kleinen, asphaltierten Platz an der Straße, die vor der Notaufnahme der Chirurgie endet. Das flache, einstöckige Gebäude ist über eine breite, graue Betonrampe mit der Straße verbunden. Die Flügeltür am oberen Ende schwingt auf; Sanitätssoldaten in grün, beige gefleckten Arbeitsuniformen schieben weitere Krankentragen aus dem Gebäude. Sie lachen, lassen die Gestelle frei rollen, fangen sie dann wieder ein.

Die Krankenpfleger, junge Männer und Frauen, auch sie in Arbeitsuniformen stehen in Gruppen zusammen. Dazwischen Ärzte. Die Rangzeichen sind kaum zu erkennen. Ein großer, farbiger Soldat mit der Figur eines Football Spielers unterhält sich mit den anderen über die neuesten Sportergebnisse. Er gestikuliert; sein Verein hat schon wieder verloren. Ablenkung. Nur so können die Sanitätssoldaten den täglichen Anblick meist schwer verletzter und verstümmelter junger Kameraden aushalten.

Fast jeden Tag landen die riesigen Sanitätsflugzeuge mit den Critical Air Transport Teams, den Luftrettungseinheiten an Bord, auf der benachbarten US Air Base Ramstein. Dann folgt die immer gleiche Routine. Die Luken öffnen sich, die Sanitätsbusse stehen bereit, um die verletzten Soldaten über eine Schnellstraße zum Militärkrankenhaus zu transportieren. Das alles dauert knapp 20 Minuten. Ein Master Sergeant, also ein Stabsfeldwebel, das Handy am Ohr, in der rechten Hand eine Stoppuhr, bezieht Position an der Rampe zur Notaufnahme. Es wird ruhiger. Ein kurzer Wink mit dem Handy. In wenigen Sekunden stellen sich die Sanitäter an den fahrbaren Tragen auf. Dann rollt der erste, dunkel grün lackierte Bus langsam vor. Die Hecktüren schwingen auf. Ein Sanitäter im Bus rollt auf einer Schiene die erste Trage mit einem Schwerverletzten heraus.

Der Soldat ist kaum zu erkennen. Den ganzen Oberkörper und den Kopf verhüllen Verbände. Die Augen sind geschlossen. Ein Bein ist geschient. Schläuche führen zu Infusionsbehältern. Zwei Sanitäterinnen, beide noch sehr jung, vielleicht Mitte zwanzig, ebenfalls in Uniform, die Haare unter Militärkappen verborgen, stehen am Kopfende der Trage. Vorsicht, langsam runter lassen, passt auf. Knapp und präzise geben sie ihren männlichen Kollegen Anweisungen.

Ein älterer Mann, untersetzt mit weißgrauen Haaren, auf den Revers der grünen Uniformjacke ein kleines, silbernes Kreuz, tritt heran. Es ist der diensthabende Geistliche. Er beugt sich über die Trage.

Geistlicher: "Du bist jetzt sicher, man kümmert sich um Dich – Gottes Segen."

Die Begrüßungsformel wiederholt sich bei jedem Verletzten, auch wenn viele davon nichts mitbekommen. Die Tür der Notaufnahme öffnet sich. Ein Soldat, untersetzt, Mitte 40, kurzer Bürstenhaarschnitt, schlank und drahtig, auch er in Arbeitsuniform, tritt auf die Rampe, geht schnell auf den Sanitätsbus zu. Es ist Colonel Brian Lein, der Kommandant des Militärkrankenhauses. Er ist Chirurg und Kommandeur von etwa 3000 Soldaten im Sanitätsdienst. Wir haben hier eine komplette Krankenhausstadt mit den Einrichtungen einer großen Universitätsklinik, stellt er fest, während er kurz die Namensliste der Verwundeten überprüft. Auch am Bus bleibt er keinen Moment ruhig stehen. Er macht einen kurzen Schritt zur nächsten Trage, blickt prüfend auf die medizinischen Geräte, winkt einem Helfer zu, zeigt auf ein Infusionsgerät und erklärt fast nebenbei, wie der Standardablauf jetzt aussieht.

Lein: "Sie werden von ganz unterschiedlichen Bereichen im Hospital in Empfang genommen. Dann geht es weiter zu den Stationen, zu den Ärzten, Krankenschwestern, technischen Einrichtungen. Die Diagnosen werden nach allen medizinischen Aspekten gestellt. Es wird sicher gestellt, dass alle medizinischen und sonstigen Einrichtungen zur Verfügung stehen.
Außerdem können sie mit zu Hause telefonieren, mit Mam und Dad, dass sie sicher in Deutschland angekommen sind. Es wird dafür gesorgt, dass sie die nötige Kleidung bekommen und vor allen Dingen, dass sie die erforderliche medizinische Behandlung erhalten. Danach werden sie darauf vorbereitet, entweder in die USA weiter zu fliegen oder sie gehen nach erfolgreicher Behandlung zurück zu ihren Einheiten."

Die Tür der Notaufnahme schließt sich zum letzten mal. Auf den langen Gängen der chirurgischen Station riecht es nach Desinfektionsmitteln. Der graue Kunststoffbelag auf dem Boden glänzt von den Putzmitteln, die Wände sind nüchtern beige gestrichen. Viele Türen stehen offen, auch die von Zimmer 322. Auf einem kleinen Schild steht ein Name: Carlos Martinez. Carlos, 26 Jahre alt, Army Spezialist und Fallschirmjäger sitzt, von mehreren Kissen gestützt, in seinem Bett. Beide Beine sind komplett bandagiert, von seiner rechten Hand führt ein Infusionsschlauch zu einem Behälter an einem Tragegestell.

Ein dunkel gebräuntes, freundliches Gesicht, rabenschwarze Haare, braune Augen. Für Carlos Martinez ist der Krieg zu Ende. Vorbei auch die Patrouillen durch staubiges Gelände im Süden Afghanistans, mit Häusern, hinter denen Heckenschützen lauern oder versteckte Bomben auf die Soldaten warten immer in höchster Anspannung, Adrenalin pur, und dann passiert es doch. Er lehnt sich zurück, überlegt kurz.

Martinez: "Ich war auf einer Patrouille, als wir auf eine Bombe auffuhren. Das war eine Katastrophe für unser Fahrzeug und unglücklicherweise kam es zu meinen Verletzungen. Ich war etwa zehn Minuten besinnungslos – meine Sanitäter zogen mich aus dem Wrack. Ich wäre verbrannt, wenn sie mich nicht heraus gezogen hätten. Auf dem Boden haben sie sich um meine Beine gekümmert. Von dort haben sie mich hierher evakuiert. Das alles zusammen dauerte etwa zwei Tage."

Carlos Martinez schaut nachdenklich auf seine verbrannten Beine. Die Erinnerung lässt ihn nicht los. Er beschreibt den Explosionsknall, die Hilflosigkeit auf dem Boden, das rauchende Wrack des Fahrzeugs. Er greift dabei nach seinen Beinen. Den Sanitätssoldaten verdanke ich alles. Mein Leben und dass ich irgendwann wieder laufen kann. Sie machen einen phantastischen Job. Sie sind Marines, wie ich, sagt Carlos, während er versucht, sich in seinem Bett etwas aufzurichten. Als Sanitäter musst du im Irak oder in Afghanistan mit dem Schnellfeuergewehr genauso gut umgehen können, wie mit medizinischen Instrumenten. Ein rotes Kreuz auf der Uniform oder am Fahrzeug gibt es nicht, redet er weiter und deutet mit den Fingern Kimme und Korn an. Das ist ein zu gutes Ziel, viel zu gefährlich. Carlos spricht mit Hochachtung von seinen Sanitätskameraden. Er zeigt auf das Infusionsgerät. Du musst dir eine Infusion vorstellen, wenn rund herum geschossen wird, wenn Fahrzeuge brennen und alles ganz schnell geht. Und dann müssen noch die Blutungen gestoppt werden. Wenn du die erste Stunde überstehst, hast du eine Chance, ein Feldlazarett mit mobilen Operationseinheiten und danach ein Militärkrankenhaus lebend zu erreichen. Carlos Martinez schaut, während er spricht, aus dem Fenster, sieht auf Laubbäume und auf der Straße auf ein langsam fahrendes Auto. Dieses Auto wäre in Afghanistan ein gutes Ziel, meint der Soldat, in Landstuhl ist es jedoch für ihn ein Zeichen der Sicherheit.

Zeit für die Visite. Oberstleutnant Dr. Raymund Fang kommt ins Zimmer. Im weißen Kittel über der üblichen Arbeitsuniform. Dr. Fang, Soldat und leitender Chirurg schaut sich kurz die Patientenakte an, nickt. Ein Lächeln geht über sein Gesicht. Es sieht gut aus für Carlos Martinez. Dr. Fang, Sohn asiatischer Einwanderer klopft Carlos kurz auf die Schulter. In wenigen Tagen geht es nach Hause in die USA.

Fang: "Nun, bevor die Verletzten in Landstuhl ankommen, und einige sind wirklich sehr schwer verletzt, telefonieren wir mit den Ärzten im Irak oder Afghanistan und erhalten Informationen über den Zustand der Patienten und was sie benötigen. Außerdem kommunizieren wir über E-mail, so dass wir wissen, was uns erwartet und so vorbereitet sind. Außerdem, wenn die Patienten evakuiert werden, gibt es Berichte über ihren Zustand, und so bekommen wir jeden Morgen einen Ausdruck über die medizinische Situation der ankommenden Patienten. Wir haben außerdem ein Computer-Netzwerk, über das wir Zugang zu allen Daten bekommen, und wenn wir dann Fragen zum Zustand der Patienten haben, können wir anrufen und direkt mit den Ärzten sprechen. Wir bekommen also viele Daten, bevor die Patienten ankommen."

Carlos Martinez hört aufmerksam zu. Die Zahl der Schwerverletzten ist hoch. Carlos weiß das. Dennoch denkt er nicht groß darüber nach: warum ich? Er lächelt, während er spontan antwortet.

Martinez: "Nein. Ich dachte, Glück gehabt. Ich war o.k. Nur meine Beine waren verletzt. Ich dachte nicht daran, warum ich. Ich war einfach froh. Du erwartest nie, dass so etwas passiert. Dennoch weißt du, dass es früher oder später passiert. Aber du bist niemals vorbereitet."

Dr. Fang greift zur Krankenakte von Carlos Martinez. Er braucht einige, wenige zusätzliche Daten, um über den Transport nach Hause entscheiden zu können.

Fang: "Abhängig vom Zustand der Patienten und ihren physischen Fähigkeiten einen Flug von zehn oder zwölf Stunden zum Walter Reed oder Bethesda Hospital in Washington zu überstehen, bleiben sie hier 24 Stunden, eine Woche oder mehr."

Carlos Martinez wartet jetzt auf die Entscheidung von Dr. Fang. Er blättert in einigen bunten Magazinen. Geschichten vom und über das Militär. Bilder von Panzern und Flugzeugen. Die Army interessiert ihn immer noch. Genauso, wie vor fünf Jahren, als er bei den Marines anfängt.

Martinez: "Wegen der Betreuung beim Militär, deshalb ging ich dort hin. Ich wollte Teil davon sein. Mein Großvater war auch beim Militär, bei der mexikanischen Armee, deshalb wollte ich dabei sein."

Carlos Martinez sagt das sehr bestimmt. Er ist Marine, gehört zu den Vorzeigesoldaten der amerikanischen Armee. Eine äußerst harte Ausbildung, technisch hoch gerüstet, dafür bestimmt, jeden Widerstand zu brechen. Bei der Frage nach dem Sinn der Einsätze in Afghanistan und im Irak schaut er kurz hinüber zu Dr. Fang.

Martinez: "Wir sprechen nicht darüber. Wir machen unseren job, was immer unser Kommandeur befiehlt. Wir diskutieren nicht darüber."

Carlos Martinez lehnt sich vor, sieht nicht so aus, als würde er seine Worte bezweifeln. Er und seine Kameraden sind Berufssoldaten mit Zeitverträgen. Carlos ist verheiratet, aber- so sagt er mit einer ausholenden Geste, für die meisten ist die Armee die Familie. Wir fühlen uns als Gemeinschaft, wir kennen das Risiko und kämpfen gegen das Böse. Carlos blickt zur Tür. Er bekommt Besuch aus dem Nachbarzimmer. Ein Lächeln geht über sein Gesicht. Er kennt Marine Corporal Brian Ladd, ein sportlich durchtrainierter 27-Jähriger mit kurz geschorenem Stoppelhaar. Der linke Arm ist in Gips, mit der rechten Hand winkt er freundlich seinem Kameraden zu. Er ist schon einige Jahre bei den Marines, kennt bereits mehrere Kriegsschauplätze, auch wenn seine jetzige Verletzung auf einen schlichten Arbeitsunfall beim Reparieren eines Trucks zurück geht. Auch er stellt keine Sinnfragen zum Kriegseinsatz.

Ladd: "Es ist mein Job. Die Einsätze bewirken etwas zum Guten. Die Polizei, die Armee im Irak entwickeln sich. Werden größer. Das ist sicher wertvoll. Und je mehr sie wissen, desto früher kommen wir dort heraus."

Natürlich weiß auch Brian Ladd, wie gefährlich sein Job ist.

Ladd: "Du bist immer in höchster Konzentration. Du hast immer im Hinterkopf, dass etwas passieren kann. Ein Haus kann nichts bedeuten, oder dort ist etwas. Du beobachtest ununterbrochen."

Brian Ladd, der bis auf seinen gebrochenen Arm nicht weiter verletzt ist, muss nach seiner Genesung wahrscheinlich wieder zurück in den Irak zu seiner Einheit. Sein Vertrag läuft noch. Er greift nach einem Glas Wasser, trinkt einen Schluck.

Ladd: "Natürlich ist es besser in den Staaten. Aber ich habe dort draußen viele Freunde. Ich möchte sie nicht zurück lassen."

Der schwerer verletzte Carlos Martinez nickt. Auch er fühlt sich verbunden mit seiner Einheit. Aber er liebt auch seine Frau. Ich möchte einmal Kinder haben und eine richtige Familie, sagt er. Das geht nur in meinem Zivilberuf Aber jetzt die Army verlassen. Schwierige Frage. Diplomatisch reicht er die Frage weiter.

Martinez: "Das ist nicht meine Entscheidung. Das ist die Entscheidung meiner Frau. Wenn sie es will, bleibe ich."

Für Carlos ist also noch alles offen. Angst vor der Zukunft? Nein. Mit seinem jungenhaften Lächeln wirkt er gar nicht wie ein Marine. Und Hilfe von der Army erwartet er auch nicht..

Martinez: "Ich erwarte keine Hilfe. Es geht mit gut. Ich habe meine Frau. Sie kann ebenfalls arbeiten. Im Moment kann ich nicht arbeiten. In etwa sechs Monaten bin ich wieder hergestellt. Wenn ich das Militär verlasse. Wenn nicht, bleibe ich halt. Vorher war ich Schweißer. Ich war Stahlarbeiter bei KCB Towers in Redlands in Kalifornien. Es war ein guter Job. Ich habe acht bis zehn Stunden am Tag gearbeitet und gutes Geld gemacht. Ich habe gern als Schweißer gearbeitet, genauso wie ich gern bei der Armee bin. Beides ist gut."

Carlos Martinez lächelt wieder. Er ist zufrieden. Bis auf die Verwundung natürlich. Er hängt nach wie vor an der Armee, auch wenn ein Leben in den USA nicht schlecht ist.

Martinez: "Das ist sicher komfortabler. Aber du erreichst mehr als Soldat. Als Schweißer baust du Dinge auf, als Soldat hilfst du den Menschen, die Wirtschaft mit aufzubauen. Das ist eine gute Sache."

Carlos Martinez sagt das mit Überzeugung in der Stimme. In seinem Gesicht kein Zeichen von Unsicherheit. Für ihn ist jetzt das Schlimmste überstanden. Aber vor seinem Zimmer, draußen auf dem Gang, rollen jeden Tag die Tragen mit Verletzten zum OP, wo sie im Eingangsbereich.

Ein etwa zehn Meter langes Pult erwartet. Darauf jede Menge Monitore, auf denen ständig Zahlen und Kurven durchlaufen. Junge Frauen in Uniform überwachen die Geräte. Gesprochen wird wenig. Im Hintergrund das monotone Piepsen aus den Operationssälen. Acht Stück sind es. Alle nebeneinander. Die meisten Türen stehen offen. Vom Operationstisch ist nichts zu sehen. Er verbirgt sich hinter einem grünen Vorhang. Ab und zu kommt eine Schwester oder ein Arzt heraus. In grünen Overalls, auf dem Kopf die typischen Plastikhauben, das Gesicht fast verdeckt vom Mundschutz. Eine Frau, etwa Ende 30, kommt zum Pult. Mittelgroß mit schwarzen, kurzen Haaren, burschikos und gut aussehend. Wieder in der typischen grün-beige gefleckten Arbeitsuniform. Oberstleutnant Dawn Garcia, die leitende Oberschwester, bleibt an einer Trage stehen, spricht kurz mit dem Verletzten, der noch auf seine Operation wartet. Sie zeigt auf die 8 Operationssäle hinter ihr. Es gibt hier kaum eine Verwundung, sagt sie, die wir hier noch nicht gehabt haben, während sie sich wieder der Trage zuwendet.

Garcia: "Oft sind sie mehrfach verwundet. Explosionsverletzungen, entweder von versteckten Bomben oder Selbstmordattentätern. Die Verletzungen können an den Beinen, an der Brust oder am Bauch sein oder auch allgemeine Verbrennungen. Deshalb ist der Unterschied zu normalen traumatischen Verletzungen, dass wir Explosionsverletzungen haben und obendrein die Verbrennungen und die gebrochenen Knochen. Am schlimmsten sind oft die Kopfverletzungen oder Lungenverletzungen, die man nicht sofort sieht. Und natürlich die Verbrennungen."

Dawn Garcia schaut aufmerksam auf die Monitore. Keine alarmierenden Zeichen. Sie nickt. Fährt mit der Hand durch das Haar. Im Moment kann sie sich entspannen. Ein Pfleger winkt ihr zu. Hi, Dawn. Vier Jahre ist sie jetzt in Landstuhl. Sie kennt aber auch die Kampfgebiete, wo jeder auf jeden angewiesen ist.

Garcia: "Ich war in einem Hospital in Bagdad, wo Verwundete direkt von der Front eingeliefert werden. Wir waren auch mitten drin. Wenn Sie von Sadr City hören, dann waren wir genau dort. Wir lebten und arbeiteten in der selben Umgebung wie unsere Patienten. Die Ärzte und Sanitäter direkt an der Front leisten wirklich Erstaunliches, was für die Patienten bedeutet, länger zu überleben. Das heißt, wenn die Verwundeten es bis zu uns im Hospital schafften, waren ihre Überlebenschancen extrem hoch, etwa um die 90 Prozent."

Auch Dr. Raymund Fang hat eine kurze Pause, sieht angestrengt aus. Sein Gesicht wirkt blass trotz seiner braunen Hautfarbe. Die langen Zeiten am Operationstisch hinterlassen Spuren. Manchmal erhalten die amerikanischen Ärzte Hilfe von außen.

Fang: "Wir kooperieren regelmäßig mit deutschen Krankenhäusern. Besonders mit der Spezialklinik für Verbrennungen in Ludwigshafen, mit der Klinik in Homburg und dem Westpfalzklinikum in Kaiserslautern. Es gibt bestimmte Verletzungen oder medizinische Behandlungen, mit denen wir es so selten zu tun haben, dass wir nicht immer alles vorhalten können. In diesen wenigen Fällen verlassen wir uns auf unsere deutschen Partner, um uns zu helfen. Aber da unser Hospital sich weiter entwickelt hat, um den Kriegseinsatz zu unterstützen, sind solche Hilfestellungen weniger geworden. Aber sie waren immer sehr hilfreich, wenn wir sie brauchten."

Eine Krankenschwester winkt. Dr. Fang geht zurück zum OP. Dawn Garcia blickt auf die Uhr, hat noch Zeit. Ein Krankenpfleger gibt ihr ein Zeichen, zeigt auf eine Krankenakte auf dem Pult. Wieder ein Fall, sich mit der Familie in den USA in Verbindung zu setzen, wenn der Verletzte auf längere Zeit nicht transportfähig ist.

Garcia: "Sobald wir feststellen, dass sie wegen ihres Zustandes nicht schnell weiter transportiert werden können und hier länger bleiben müssen, dann bringen wir ihre Familien hierher und sorgen für sie."

Die Pause für Dawn Garcia ist zu Ende. Sie winkt noch einmal kurz und geht dann die wenigen Schritte rüber zu den Operationssälen. Begleitet von den monotonen Signalen der Überwachungsgeräte.

Der Militärgeistliche, Colonel James Griffith, wartet draußen an der Notaufnahme des Hospitals. Er löst sich aus einer kleinen Gruppe, fällt nicht weiter auf. Wieder grün-beige gefleckte Jacke und Hose, Schnürstiefel. Kurzer militärischer Haarschnitt, im Dienst ergraut.
Sein Händedruck ist fest, er hat in seinem Auftreten etwas von einem Marine. Er ist die Ansprechperson für die verwundeten Soldaten. Er hört zu, hilft.

Griffith: "Normalerweise wollen sie wissen, wie es ihren Freunden geht. Sie sind möglicherweise bei demselben Anschlag dabei gewesen oder bei einem Bombenattentat. Danach wollen sie Kontakt mit ihrer Familie, damit diese weiß, in welchem Zustand sie sich befinden. Aber sie hadern auch mit sich selbst, ihre Freunde zurück gelassen zu haben, obwohl sie selbst verwundet waren. Niemand will seine Freunde zurück lassen, besonders wenn sie in sehr gefährlichen Regionen sind, ob im Irak oder in Afghanistan."

Chaplan Griffith blickt kurz zur Straße, bald muss der Sanitätsbus ankommen. Wieder mit jungen Soldaten, die vielleicht ein Bein oder einen Arm verloren haben und dann fragen: warum ich?

Griffith: "Manchmal kommt diese Frage, aber glauben Sie es oder nicht, es ist nicht die häufigste Frage. Die häufigste Frage lautet: Wann können sie zurück oder wie geht es ihren Freunden. Aber, ja – manchmal kommt die Frage: Warum ich oder warum dieses."

James Griffith wirkt nachdenklich. Auf seiner Stirn sind steile Falten zu sehen. Oft heißt es in Landstuhl "our heroes", unsere Helden, die oft genug als Krüppel heimkehren. Chaplan Colonel Griffith benutzt diesen Begriff nicht. Er ist Soldat und Geistlicher. Trotz mancher Selbstzweifel, glaubt er an seine Aufgabe, den Verwundeten beistehen zu können.

Griffith: "Unsere Soldaten sind ein Querschnitt der amerikanischen Gesellschaft. Die meisten, und damit meine ich mehr als 86 Prozent glauben an Gott. Also ein klares ja. Geistliche können sehr stark helfen."

An der Straße vor der Notaufnahme löst sich der übliche Pulk von Sanitätern und Ärzten auf. Jeder kennt seinen Platz, nimmt wieder Aufstellung an einer Trage. Auch James Griffith geht hinüber zum Haltepunkt der Sanitätsbusse, von denen der erste um die Kurve biegt.
Die nächsten Verwundeten kommen an. Für James Griffith ist es bereits Routine, die übliche Begrüßungsformel zu sprechen. Auch wenn es mancher Soldat gar nicht mit bekommt, weil für ihn der Krieg zu Ende ist.