Der Stamm der Sitzenbleiber

Von Barbara Roth, Gerald Huber und Matthias Morgenroth · 15.12.2009
Wichtige Handlungen verrichtet der Bayer nicht im Stehen. Deshalb ja auch die Lederhose, sie ist extrem strapazierfähig und hält so einiges aus. Zum Beispiel, wenn der Bajuware in der Wirtschaft sitzt - oder wenn Armdrücken oder Fingerhakeln angesagt ist.
In der Wirtschaft
Von Gerald Huber

Der Bajuware in der Wirtschaft – ein beliebtes Bild für Touristen. Da sitzt also ein Eingeborener und trinkt und denkt und sitzt und trinkt und … brütet vor sich hin. All das im Auftrag des örtlichen Fremdenverkehrsamtes, weil dies Bild – der Seppl mit der Maß Bier - dem Tourismus förderlich sein soll. Der Bayer, und hier meinen wir vornehmlich den Bilderbuch-Altbayern aus der Oberpfalz, Ober- und Niederbayern, der Bayer also ist sesshaft par excellence. Modernes Nomadentum ist ihm irgendwie zuwider.

(Wirtshaus) "Zenzi, no a Mass!"

Das Bier ist die Mutter der Sesshaftigkeit. Ein, wie könnt's anders sein, Münchner Zoologe hat herausgefunden, dass nicht das nahrhafte Brot, sondern der rauschhafte Trinkgenuss den wandernden Jäger und Hirten zum sesshaften Agrarier gemacht hat. Vor rund 7.000 Jahren ist die bäuerliche Kultur in Händen und Hirnen ihrer Träger die Donau heraufgewandert und in Deutschland zuerst nach Bayern gekommen. Von wo sich die Leute, später Kelten genannt, nicht mehr fortbewegt haben.

"Soso."

Ja, ganz recht. Es sind die Römer gekommen, die völkerwandernden Goten, Franken und Alamannen und viel später die Preußen – die Bayern sind sitzengeblieben. Und wer von den Völkerwanderern nicht mehr weiterkonnte oder weitergewollt hat, der durfte dableiben und sich nach einiger Eingewöhnungszeit sogar an den Stammtisch setzen.

"Da geh her. I mogs gor net, wenn oana d'Ruah davotragt."

Der Bayer hat sie geerbt, die keltische Sesshaftigkeit, die stille Freude an der Ruhe und am Ungestörtsein. Wie im gallischen Dorf des Asterix werden Eindringlinge und Ruhestörer, Leute also, die allzu mobil sind, gleichzeitig bekämpft und geschätzt – als Zeitvertreib. Auch die Bayern feiern wie die Gallier bei jeder sich bietenden Gelegenheit und schätzen Politiker vom Schlag eines Majestix; Gemütsmenschen, Leute, die ihnen aus der Seele sprechen, damit sie selbst schweigend sitzen können.

"Der Franz Josef, des war hoit no oana."

Ja, der Franz Josef Strauß war tatsächlich einer für die Bayern. Denn trotz seiner intellektuellen Beredsamkeit, war er körperlich, greifbar, ein normaler Mensch, schwitzte bei zu großer Anstrengung. Ein Heiliger war er auch nicht und: er konnte ein großer Schweiger sein. Strauß wurde geliebt. Stoiber eher ertragen. Denn so einer wie der Stoiber Edmund war viel zu beweglich und keimfrei, hat mit Trachtenhut obendrein wie eine Witzfigur ausgeschaut. Obwohl also der Edi den Bayern die Ruh davongetragen hat, wie es hier heißt, haben sie ihn eine Zeitlang gern gewählt. Weil sie eins noch mehr hassen: Das Gefühl zu haben, selber eingreifen zu müssen, weil die, die sie gewählt haben, es nicht mehr können. Das Gefühl, dass Schweigen nicht mehr reicht, weil, wer schweigt, zuzustimmen scheint. Ein Gefühl, das die typisch bayerische Variante des Volkszorns provoziert – den Grant. Der Grant ist ein stiller, wenngleich tief im Innern heiß glühender Zorn.

(grantig) "Zenzi, no a Mass!"

Wehe, wenn kein Sedativum mehr wirkt und der Grant brodelnd hervorbricht. Erste Eruptionen hat die nachstoibersche CSU bereits zu spüren gekriegt. Aber der Grant, das zeigt die Erfahrung, ist schwer zu besänftigen. Wehe, wenn kein Sedativum mehr wirkt und der Bayer aufsteht!

Im Landtag
Von Barbara Roth

Im Bayerischen Landtag sitzen gerade mal 53 weibliche Abgeordnete. Mit 29,4 Prozent sind selbige damit deutlich unterrepräsentiert, Bayern ist da bundesweit auf dem vorletzten Platz sitzengeblieben. Ist das Sitzfleisch männlicher Abgeordneter durchsitzungsfähiger? Wir wissen es nicht, deuten das Fernbleiben der Stammes-Frauen von Sitzpräsenz als eine Art Akt des Widerstandes, weil sie wissen, was da im Landtag, in den Fraktionen, in den Ausschüssen, in den Parteigliederungen und Ortsvereinen so alles ab- und durchgesessen werden muss.

München, Maximilianeum, bayerischer Landtag. Hier sitzen sie - die 187 Volksvertreter. Weich und komfortabel, auf hochmodernen Hightechstühlen.

Abgeordnete: "Bequem, beweglich, angenehm."
Abgeordnete: "Man kann vorfahren, man kann wieder zurückfahren."
Abgeordneter: "Denn die Politik braucht Beweglichkeit, nicht nur wegen der Bäuche, vor allem im Kopf."

Gestatten, Mr. Charme. So heißt der rote Ledersessel, Made in Baden-Württemberg. Der einst das Probesitzen gegen die bayerische Konkurrenz gewann.

Erwin Huber: "Ich weigere mich auf einen roten (Sessel) zu sitzen, ich möchte einen schwarzen haben."

Doch dem Schwarzen Erwin Huber, CSU, bleibt der rote Stuhl nicht erspart. Zur Freude des Roten, Franz Maget, SPD.

Franz Maget: "Bei so bequemen Stühlen fällt es leichter, die schrecklichen Beiträge der CSU zu verkraften."

Ob der bayerische Ministerpräsident ähnlich denkt, wissen wir nicht. Jedenfalls sitzt Horst Seehofer in jeder Plenarsitzung brav auf der Regierungsbank. Das nennt man wohl Respekt vorm Parlament, oder?

Horst Seehofer: "Ich sitze drin, weil ich die Argumentationslinien zu verschiedenen politischen Themen hören will. Das erspart mir das Aktenstudium."

Seehofer hört lieber zu, anstatt zu lesen. Sein Vor-Vorgänger schwänzte dagegen viel; Edmund Stoiber las lieber Akten. Und womit vertreiben sich die Abgeordneten die Zeit? Hubert Aiwanger, Freie Wähler:

"Immer mit politischer Arbeit. Man bekommt ja ständig irgendwelche Anfragen herein, man bekommt SMS rein und arbeitet eigentlich auf drei bis vier Ebenen zugleich. Ich bin ja nicht da drin, um Kreuzworträtsel auszufüllen."

Dafür wird fleißig gesimst. Modernste Technik im Plenarsaal macht es möglich. Statt hinter Zeitungen verschwinden Abgeordneten-Köpfe heutzutage hinter Laptop-Bildschirmen, räumt Harald Güller, SPD ein:

"Eine ganze Reihe von Mails werden bearbeitet. Das ist inzwischen zwar eine Seuche geworden, weil man nicht ganz so genau aufpassen kann, oder man unterhält sich auch mal mit dem Nachbarn."

Landtags-Präsidentin: "Meine Damen und Herren, können Sie sich wieder allgemein beruhigen?"

Bis es der Präsidentin zu bunt, zu laut wird, und sie die Kolleginnen und Kollegen zur Ordnung rufen muss. Wobei, weiß Uli Bachmeier von der Augsburger Allgemeinen, wer dazwischenruft und plaudert - der schläft wenigstens nicht:

"Immer wieder nickt mal einer ein. Das liegt ja in der menschlichen Natur. Das ist ja auch nicht immer so spannend, was im Plenarsaal in mehrstündigen Debatten erörtert wird. Sogar der Franz Josef Strauß soll schon mal eingeschlafen sein. Ich weiß, dass ein Kollege Ärger bekommen hat, weil er darüber berichtet hat. Damals waren die Zeiten so."

Das ist heute anders. Fürs Nickerchen verschwindet der Abgeordnete in seinem Büro. Denn jede Plenarsitzung wird live im Internet übertragen. Und wenn mal wieder gähnende Leere im Sitzungssaal herrscht, weiß sich Karsten Richers, Bild München, zu helfen:

"Ein guter Tipp ist in diesem Fall immer die Landtagsgaststätte, da findet man sie gerne und häufig. Da sitzen sie dann, manchmal trinken sie auch was und spielen Schafkopf."

In der Lederhose aber hat Roland Englisch von den Nürnberger Nachrichten noch nie einen der bajowarischen Volksvertreter gesehen. Höchstens eine der wenigen Damen im Dirndl. Sitzfleisch, meint der Journalist, muss ein Abgeordneter haben und flinke Beine:

"Wenn es nämlich namentliche Abstimmung gibt, dann rennen die zurück ins Plenum, dann sieht man die über die Gänge flitzen, recht rotwangig. Aber manchem schadet es gar nichts, wenn er etwas für seine Fitness tut."

Beim Sitzsport
Von Gerald Huber

Bayerns Landesfürsten haben bekanntlich einen langen Arm. Jahrzehntelang trainierten sie die Armmuskulatur an allen möglichen Orten und in allen erdenklichen Stellungen, damit er auch über die Landesgrenzen hinaus reichen kann. Typische Volkssportarten, so ist zu erfahren, seien Armdrücken, Fingerhakeln, Bierdeckelkippen. Laut Regelwerk sitzen da "zwei gestandene Bayern" sich gegenüber. Sitzsport als Breitensport. Oder doch nur alles ein Klischee?

Ja, eindeutig ja. Auch, wenn es hierzulande Zugspitzläufe gibt, Marathons wie anderswo auch und Sport allgemein von Ärzten, Krankenkassen und ängstlichen Personalabteilungen gepusht wird wie überall – die bayerische Mentalität ist sesshaft. Warum also dem barocken Hang zur Kraftmeierei nicht auch im Sitzen, vorzugsweise am Wirtshaustisch, nachgeben? Keine Frage: Fingerhakeln ist, so gesehen, ein typisch bayerischer Sport.

"Fingerhakeln? Dat i scho amoi zuaschaugn!"

Das Fingerhakeln ist Arbeit. Für die bewegt sich selbst der Bayer. Und das nicht gerade unerfolgreich. Weswegen dieser Sport vor direkt oder indirekt zahlendem Publikum aufgeführt wird; vornehmlich in bayerischen Tourismusgebieten. Auch die äußerst bewegliche Art der bayerischen Fortpflanzungsanbahnung unter Zuhilfenahme einer Leiter und Durchsteigung eines Kammerfensters hat, nebenbei bemerkt, schon immer zu den Urlaubsschmankerln gehört, bei denen erotisch interessierten Gästen aus Preußen der Lustschweiß aus den Achseln tropfte: Sex sells.

"Gell, Zenzi!" (Klatsch auf den Hintern)

Auch das Bergsteigen war hierzulande immer schon ein eher touristisches Phänomen. Faktum ist: Der Bayer ist der geborene Zuschauer. Auch das eine vorzugsweise im Sitzen geübte Tätigkeit. Zu der das Schweigen passt. Nein, er ist kein Voyeur, der Bayer. Er sitzt nicht verdeckt hinter dem Vorhang oder allein vor dem Fernseher und glotzt. Das bayerische Zuschauen ist ein Beobachten des Welttheaters; ein genaues Beobachten und ein öffentliches - in Gesellschaft. Vom Straßencafe aus …

… genauso wie in der Oper, im Theater, in der Kirche oder im Bierzelt. Wo oft ein Politiker sich schweißnass müht, während hernach das Publikum an den Tischen räsoniert: Bierzelttauglich oder nicht?

(Mann) "Ganz wunderbar, hat mir eigentlich alles gefallen."
(Mann) "Er hat wirklich das gesprochen, was uns am Herzen liegt."
(Mann) "Sachverstand, alles dabei g'wesen."
(Frau) "Die war einfach phantastisch. Alles mit Humor und trotzdem der Ernst der Politik. Er hat mir sehr gut gefallen."

Nein – Sport an und für sich ist keine Option für den homo bavaricus. Vielleicht ist das der Grund, warum bei Bayern München die autochthon bayerischen Spieler nur wenige und nicht immer die hellsten sind. Viel wichtiger als sie sind die Hoenesse und Beckenbauers, weit verlockender das genaue Beobachten und der anschließende satte Kommentar von der Zuschauerbank aus. Sport für Selbstbeweger ist ein nordeuropäisches Phänomen. Die Engländer haben ihn erfunden und über das Spiel die freudlose und zwecklose Leibesertüchtigung schmackhaft gemacht. Wir Bayern aber durchschauen solche Hinterfotzigkeit allzu leicht und sind für baren Blödsinn nicht zu bewegen. Wir sind Südländer, wie die Römer, die als die Erfinder der Arenen gelten und hierzulande auch Amphitheater gebaut haben. Dorthin geht man mit seiner Brotzeit und schaut zu, während andere, zumeist Preußen aus aller Herren Länder, sich abmühen. In den Amphitheatern hat man einst den prägnantesten aller Kommentare in eine Handbewegung gepackt: Daumen nach oben oder nach unten. An derlei nonverbalen Varianten arbeiten wir noch.

"Bassd scho! (Pause) Gell, Zenzi?!"

Der Rest ist Schweigen. Sitzen. Und Zuschauen.

"Schaumamal."

Mit einem Sitzinstrument
Barbara Roth

Haben Sie schon mal einen tanzenden Zitherspieler gesehen? Gut, vielleicht bei Florian Silbereisen oder auf einer der vielen Almdudlerpartys, die der bundesweiten Imagepflege dienen. Nein, bei der Stubenmusi mag man sich und den Gast nicht verschunkeln, sitzt also ohne Fernsehkamera in trauter Runde beisammen und musiziert. Für sich, für andere. Doch manchmal kommt es dort auch anders.

Zither-Manä: "Das ist die normale Spielweise."

Die Zither – wie man sie kennt …

… und so, wie sie Zither-Manä spielt.

"Da ist damals manchem der Gamsbart runtergefallen."

Zither-Manä alias Manfred Zick lässt sein Instrument rocken und johlen – zum Entsetzen so mancher Traditionalisten.

"In der ersten Zeit, da habe ich wütende Anrufe bekommen von Volksmusikanten, die haben meine Plakata heruntergerissen – das waren ganz schlimme Zeiten. Anonyme Anrufe, sie würden meine Zither vernichten. Meiner Mutter hat der Rock auch nicht gefallen. Erst als ich auf der Zither damit anfing, hat sie gesagt: Bub, auf der Zither ist des alles ganz was anders."

Beim Onkel hat er als Bub das Zitherspiel gelernt. Als Jugendlicher tauschte er das ur-bayerische Instrument zeitweise gegen die Gitarre ein. Statt bayerischer Volksmusik schmutziger Rock`n Roll. Der Rest war purer Zufall.

"Die Mädchen konnte man auch nicht mit der Zither beeindrucken, muss man auch dazu sagen."

Im Januar steht der 62-Jährige im 30: Jahr als Zither-Manä auf der Bühne. Er zupft Rock und erdigen Blues, den er es einst auf der Gitarre gelernt hat, auf der Zither.

"Das ist jetzt so ein heißer Blues, wenn ich den mit der Gitarre spiele, dann kann ich nur die linke oder die rechte Seite spielen. Die Zither gibt da mehr her. Da bräuchten sie zwei Gitarristen."

Vor seiner Pensionierung war er Mathematiklehrer in Bad Tölz. Eigentlich ist Manfred Zick ein biederer Typ - nur auf der Bühne, da flippt er auch mal aus.

"Es ist gemütlich, wenn man an der Zither sitzt, finde ich. Und dann beim Rock'n Roll stehe ich zwischendurch auch mal auf und lege einen Fuß drüber über die Zither. Wie einst Jerry Lewis. Vor allem sagen die Leute, jetzt bin ich ja 62, wie lange schafft er das, das er seinen Fuß aufi bringt?"

Die Mischung Rock und Blues mit traditioneller Volksmusik ist bis heute sein Markenzeichen. Zither-Manä ist ein Unikant – andere, die dem Instrument ähnliche Töne entlocken können, kennt er nicht.

"Ich war meiner Zeit auch weit voraus. Hubert von Goisern und Hunsbuam sind eigentlich Nachahmer meiner Musik."

Geblieben ist ihm der Spaß an der Musik – für seine bissig-politischen Stanzln wird er vom Publikum geliebt.

"Wissen Sie, warum es Schweingrippe heißt? (singt) Jetzt gibt es einen Impfstoff für Politiker, den anderen halten sie für uns bereit. Den einen kriegen die Schweine, den anderen kriegen die Leut."

Lederhose, mal ohne Laptop
Von Matthias Morgenroth

Laptop und Lederhose – ein Slogan, zwei Sitzinstrumente: eines für das Kopffleisch, genannt Hirn, eines für das Sitzfleisch, genannt …. Sagen wir nicht! Damit das Sitzfleisch nicht allzu arg bei der Verrichtung wichtiger Stammesrituale leidet, schob der Breitschädel die Lederhose dazwischen. Sie ist extrem strapazierfähig wie … ja, wie die Geduld eines Chinesen, der neuerdings Lederhosen produziert, die dann im Freistaat verkauft werden. Aber auch das wird sie aushalten, die Lederhose.

"I hob de älteste Lederhosn, die es im Oberlander Gau gibt oder gibt."

In einer Plastiktüte wird sie aufbewahrt - die Urhose aller Lederhosen. Eine graugrüne Reliquie, fast möchte man den Hut abnehmen. Bayerischzell, in der niedrigen Stube von Klaus Pritzl, dem Ehrenvorstand des örtlichen Trachtenvereins, des Urtrachtenvereins sozusagen. Und auf dem Tisch unter vielen goldenen Barockengeln liegt sie – das Urbild aller späteren bayerischen und nichtbayerischen Lederhosen. Die Hose von Kaspar Reiter. Und Klaus Pritzl ist sogar schon mal reingeschlüpft, sagt er.

"Ich bin schon mal einischloffa, ob sie mir passt. Ich bin mir wie der Kaspar Reiter vorgekommen."

Hätte damals 1883 nicht Kaspar Reiter mit ein paar Gesinnungsgenossen im hintersten Winkel Bayerns, in Bayerischzell, einen Verein zur Erhaltung der Volkstracht gegründet – worauf würde man dann im Bayernland sitzen? Nicht auszudenken! Die Lederhose ist seither eine Idee – ein Mythos, mit dem die bayerischen Hintern bis heute gut geschützt zu leben wissen. Eine uralte bayerische Urtracht, wie das viele meinen - die gibt es natürlich nicht. Das traditionelle Dirndlg'wand und die Lederhose sind, wenn nicht eine Erfindung, dann doch eine Momentaufnahme der Mode an der Grenze zu Tirol Ende des 19. Jahrhunderts. Auch wenn davon viele Trachtler lieber nicht zu viel wissen wollen, die seither ganz genau darauf achten, dass jeder Knopf und jede Verzierung so bleibt, wie sie vor 125 Jahren auch schon war.

(Geschäft) "I’m from Canada, I think it’s traditionel and a kind of sexy …"

Ganz klar: Ein Hintern, der in einer Lederhose steckt, der ist quasi automatisch gemütlich, traditionsbewusst, geistreich, bierselig, heimatverbunden und voller Gottvertrauen. Egal übrigens, ob's ein bayerischer oder australischer Hintern ist. Die Idee Lederhose verkauft sich weltweit, in Läden die Bavariashop oder so ähnlich heißen und gleich ganze Wiesnsets anbieten. Dort gibt’s Lederhosen, über die zwar jeder echte bayerische Trachtler die Nase rümpfen würde, die aber unglaublich beeindrucken …

Verkäufer: "Du weißt, wie man Lederhosen auszieht? Links und rechts die Träger runter, Knöpfe schräg stellen, da kannst a Münze reinstecken, falls es schwer aufgeht. Unter der Lederhose auf keinen Fall Boxershorts anziehen, die rutschen so hoch, kriegt man so Würstel im Oberschenkel. Enge Sachen oder gar nix, am besten ist gar nix. Der echte Münchner trägt gar nichts unter der Lederhose."

Käufer: "Na siehste!"

Verkäufer: "Darum haben wir da auch den Knopf, das er da oben nicht rauskommt, unten binden wir zu, da passiert nichts."

Käufer: "Danke!"

Verkäufer: " … und mit Stolz tragen!"

Warum man als Tourist aus Frankfurt in München eine Lederhose erstehen will?

Käufer: "In Frankfurt? Da werden Sie aber sehr überrascht sein, bei uns trägt man auch Tracht. Tracht ist Tracht, da gibt es keine Unterschiede."

Tracht ist Tracht, aha, soweit ist es schon gekommen, und die Lederhose taugt anscheinend, geht es nach den Münchentouristen, für jedes Sitzfleisch, deutschlandweit, weltweit. Hauptsache, sie ist echt. Und echt wird sie natürlich gemacht- das Urbild einer ledernen Art und Weise, sein Sitzfleisch zu bedecken, weltweit. Allerdings: Ob sich die in Bayern gefertigte Lederhose von der in Indien hergestellten unterscheidet, dies weiß nur der bayerischen Hintern zu beantworten.