Der Staat in Geiselhaft

Von Dieter Jepsen-Föge |
Susanne Osthoff ist ein freier Mensch. Dank der Hilfe der Bundesregierung, des Krisenstabes und vieler Menschen, die erfolgreich für ihre Befreiung aus irakischer Geiselhaft gearbeitet haben. Der Staat, und das die Gemeinschaft aller Bürger, hat im wahrsten Sinne des Wortes keine Mühe und keine Kosten gescheut, um das Leben der deutschen Staatsbürgerin und ihres irakischen Fahrers zu retten.
Susanne Osthoff ist glücklicherweise wieder in Freiheit. Sie hat das Recht und die Freiheit, in den Irak zurückzukehren, in das Land, in dem sie gelebt und gearbeitet hatte und in dem sie Opfer einer Entführung wurde. Sie wurde als Geisel genommen, um den deutschen Staat zu erpressen. Auch wenn die Bundeskanzlerin gleich in ihrer ersten Regierungserklärung versicherte, der Staat lasse sich nicht erpressen, so haben doch auch in der Vergangenheit im Ausland entführte Deutsche stets ihre Freiheit für eine Gegenleistung an die Entführer wiedererlangt.

Nun erklärt Susanne Osthoff im arabischen Sender Al Dschasira, sie sei glücklicherweise nicht in die Hände von Verbrechern geraten. Die Begründung klingt – wie vieles andere auch – erstaunlich. Ihre Entführer hätten sie als Freundin Iraks und als Moslem gut behandelt und schließlich nur humanitäre Hilfe verlangt, um Schulen und Krankenhäuser zu bauen. Da wird der brutale Kidnapper als wohltätiger Robin Hood dargestellt, der den Reichen nimmt, um den Armen zu geben.

Fassungslos aber haben viele derer, die sich um die Freilassung Susanne Osthoffs gesorgt und bemüht hatten, ihre Ankündigung zur Kenntnis genommen, sie wolle ihre Arbeit als Archäologin fortsetzen, mit deutscher Projekthilfe. Niemand kann Susanne Osthoff daran hindern, entgegen allen Warnungen, in den Irak zurückzukehren. Sie würde sich und andere in erneute Gefahr bringen und den Staat, auf dessen Hilfe sie vertrauen durfte, gleichsam in Geiselhaft nehmen. Deshalb ist ihre Entscheidung nicht nur eine private. Ihre Ankündigung verrät nicht Mut, sondern Verantwortungslosigkeit.

Die Erklärung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Deutschland werde keine Projekte mehr unterstützen, die mit einem Aufenthalt Osthoffs im Irak verbunden wären, ist nur konsequent. Denn andernfalls würde die Bundesregierung potentielle Geiselnehmer ermutigen und Frau Osthoff anhaltender Gefahr aussetzen.

In Österreich hat die Entführung und glückliche Befreiung eines Ehepaares im Jemen eine Diskussion darüber entfacht, wer für die Befreiung von Geiseln in Krisengebieten zahlen muss. Auslöser war die Erklärung des Paares, es wolle seinen Urlaub im Jemen nun fortsetzen.

Nach den Interview-Äußerungen von Frau Osthoff, die mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet haben, dürfte auch in Deutschland das öffentliche Nachdenken über die Verantwortung des einzelnen Bürgers und des ihn beschützenden Staates einsetzen.