"Der Spielmacher"

Ein Fußball-Musical ohne viel Fußball

Christiane Rösinger auf einem Rasenmäher-Traktor: "Der Spielmacher - Ein Fussical" wird im Hebbel am Ufer (HAU 2) gezeigt.
Christiane Rösinger auf einem Rasenmäher-Traktor: "Der Spielmacher - Ein Fussical" wird im Hebbel am Ufer (HAU 2) gezeigt. © dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Von Kerstin Poppendieck · 24.06.2016
Mit "Der Spielmacher" bringt Staatsakt-Labelchef Maurice Summen in Berlin ein Musical auf die Bühne, das mit Fußball nur indirekt etwas zu tun hat. In den Hauptrollen: fast alle Musikerinnen und Musiker des Indie-Labels.
Fußballrasen, Tore, Bandenwerbung und Zuschauertribunen. Alles sieht aus wie auf einem Fußballplatz, nur eben eine Nummer kleiner. Denn das ist die Kulisse für das Fussical "Der Spielmacher", das im Theater Hebbel am Ufer aufgeführt wird. Christiane Rösinger sitzt im Trainingsanzug auf einem Rasenmäher-Traktor und kommt singend auf die Bühne gefahren.
Als die erste Anfrage kam, ob sie bei der Produktion mitmachen wolle, war die ehemalige Frontfrau der Lassie Singers irritiert. Sie und Fußball? Aber sie singt gerne und mag Musicals. Nur eben nicht das, was man sonst in Deutschland an Musicals zu sehen bekommt, mit einstudierten Tanz-Choreografien und Schnulzen.
Das passt, denn mit Cats und Andrew Lloyd Webber hat das Fussical wirklich nichts zu tun. Rösinger:
"Also ich wusste, ich bin der Platzwart und da recherchiert man 'n bisschen, dann kriegt man mit, dass Platzwarte total fixiert auf ihren Rasen sind. Dann denk ich Objektophilie, der ist verliebt in seinen Rasen, das ist so ne Objektbeziehung - und dann ist man natürlich ganz weit weg vom Fußball. Aber ich finde den Fußball auch nicht so interessant. Ich find eher das Gesellschaftliche schön und die menschlichen Themen beim Fußball."

Premiere zur Fußball-EM sei zufällig

Die Idee zu dem Projekt hatte die Band "Die Türen". Sie mochten die Vorstellung, die ohnehin schon umstrittenen Gattungen Fußball und Musical zu paaren. Die Geschichte: "Bussard Berlin" ist ein Drittliga-Klub. Als die Mannschaft es beim DFB Pokal ins Viertelfinale schafft, wird ein Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten auf den Verein aufmerksam und will ihn kaufen.
Es geht um Korruption, Depression, Verletzungen und verbotene Liebe. Maurice Summen, Sänger der "Türen" spielt den Stadionsprecher.
Dass die Premiere ausgerechnet während der Fußball-Europameisterschaft stattfindet, sei Zufall gewesen, sagt Maurice Summen:
"Also schlussendlich ist ja immer Fußballspektakel: Championsleague, Liga, Pokal. Und es ist ja wohl gerade so, dass das Theater riesengroße Probleme auch damit hat, zu konkurrieren mit dem Spektakel Europameisterschaft. Und jetzt sind wir wohl an den Berliner Theatern auch die Einzigen, die sich trauen, eine Premiere im Rahmen der Europameisterschaft durchzuführen. Das allein ist ja schon irgendwie absurd und eine Herausforderung und macht ja auch Spaß."

Mehrdeutige deutsche Popmusik

Tatsächlich hat das Stück mit Fußball nur indirekt zu tun. Vielmehr ist Fußball ein Vehikel, um alltägliche Herausforderungen darzustellen. Fußball als Abbild der Gesellschaft, gepaart mit Indie-Musik aus Deutschland.
Maurice Summen, der die Idee zum Fussical hatte, ist der Chef des deutschen Plattenlabels Staatsakt. Alle Musiker, die beim Fussical dabei sind, veröffentlichen dort ihre Platten: Christiane Rösinger, Jens Friebe, Chris Imler, Andreas Spechtl und die Band Die Türen. Damit ist die musikalische Richtung klar: kluge, mehrdeutige deutsche Popmusik.
Für Andreas Spechtl ist es das erste Mal, dass er für ein Musical Songs schreibt. Eine ganz neue Herausforderung:
"Natürlich arbeitet man sich an einer Handlung ab oder an seiner eigenen Rolle. Man kann hier nicht sagen, dass mich Fußball wirklich interessiert. Insofern fand ich dann eher meine Rolle interessant. Und darum geht’s dann auch mehr in meinen Stücken als um Fußball oder einen größeren Plot. Und damit kann ich mich dann schon eher auseinander setzen: so ein bisschen Verzweiflung, Depression. Das gibt’s ja überall."

Frauen spielen fast alle männliche Rollen

Andreas Spechtl spielt einen depressiven Dauerverletzen. Passt auch privat zu ihm, sagt er mit einem Lächeln. Dieses Projekt ist wie ein Festival des Staatsakt Labels mit beeindruckenden Schauspielern unter der Regie von Patrick Wangenroth. Den Hauptdarsteller Mehmet spielt zum Beispiel Eva Löbau, die demnächst auch als Tatort-Kommissarin zu sehen sein wird.
Generell werden fast alle männlichen Rollen von Frauen gespielt: Vereinspräsident, Scheich, Mannschaftsarzt, Platzwart, alles Frauen. Auch das würde es in einem klassischen Musical so nicht geben.
Aber ganz egal, wie man dieses Genre nur nennen will: Musical, Fussical, Indie-Musiktheater... am Ende ist es eine beeindruckende Präsentation einiger der besten Indie-Acts, die es in Deutschland gerade gibt.
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