Der Sound des Geldes

Von Rudolf Schmitz · 12.09.2013
Ein Münzregen erwartet die Besucher des russischen Pavillons auf der Venedig-Biennale: Der Künstler Vadim Zakharov spielt hier mit Gier und Habsucht - und er ist ein Spezialist für absurdes Theater.
Hier scheint sich alles ums Geld zu drehen. Und wir Besucher spielen unsere Rolle. Ob willentlich oder nicht. Man kniet zum Beispiel auf einer Gebetsbank und sieht zu, wie ein Münzregen von der Decke des Pavillons durch ein kreisrundes Loch im Boden fällt. Die Münzen prallen auf aufgespannte durchsichtige Schirme. Wirkt wie ein sommerlicher Platzregen. Einige der Besucherinnen – und es sind seltsamerweise immer Frauen – füllen die Münzen in einen Eimer, der wird hochgezogen und auf ein Fließband geleert.

Im nächsten Raum des Pavillons sitzt ein junger Mann im Businessanzug in einem Reitsattel auf dem Deckenbalken, schält und isst Erdnüsse. Absurdes Theater? Vadim Zakharov lacht:

"Ein Mann sitzt auf dem Deckenbalken, ein Banker, der ans Geld denkt und Erdnüsse isst. Herr Ackermann. Die Leute hatten Millionen verloren und er sagte nur: Peanuts."

Der mit den Peanuts, das war zwar nicht Herr Ackermann, sondern Hilmar Kopper, aber egal. Ein ehemaliger Chef der Deutschen Bank als Dachbalken-Cowboy. Für Vadim Zakharov ist die Sache klar: Er will den griechischen Danae-Mythos in unsere heutige Zeit zu übertragen. Danae, das ist die von Zeus in Gestalt eines Goldregens geschwängerte Dame.

"Ich kenne diesen Mythos seit Kindertagen, er ist weder griechisch noch russisch, er ist international. Genau wie diese Installation für die ganze Welt gültig ist."

Was sich wohl diese russische Besucherin bei all dem denkt? Vielleicht hält sie es für eine Unverschämtheit, dass Vadim Zakharov dieses Thema von Gier und Habsucht ausgerechnet im Russischen Pavillon ausbreitet.

Vadim Zakharov unterhält sich inzwischen mit seinem Kurator Udo Kittelmann. Sie sind befreundet, sie verstehen sich ausgezeichnet, seit Udo Kittelmann 1995 im Kölnischen Kunstverein eine Retrospektive von Vadim Zakharov zeigte.

"Es wäre glaube ich viel zu kurz gedacht zu sagen, das ist grade nur ein russisches Problem, sondern es ist ein sehr universelles Problem, vor dem wir stehen, und insofern gefällt mir auch der Beitrag so sehr, dass es eine Botschaft ist an alle, also nicht nur an die russischen Besucher, die kommen oder die amerikanischen Besucher, die kommen, sondern an das internationale Publikum hier auf der Biennale in Venedig"."

Künstler mit Holzhammermethode
Als Udo Kittelmann Museumschef in Frankfurt war, realisierte Vadim Zakharov für einen öffentlichen Platz das Adorno-Denkmal: In einem Glaskubus steht auf Parkettboden ein alter Schreibtisch mit Stuhl, Lampe und Manuskripten, ein Metronom gibt einen imaginären Takt an. Der Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft, der im Glashaus sitzt. Vadim Zakharov liebt solche klaren Bilder.

""Bitte, hoffentlich versteht es auch noch der Letzte. Und das liegt sicher auch an den narrativen Strukturen, die er immer für seine Werke wählt, und ich halte es für ein legitimes Mittel, es in der Form mit der Holzhammermethode sozusagen auch deutlich zu machen. Weil es gibt Dinge, da kann man nur genau mit dieser Methode etwas im Denken bewirken."

Der Wink mit dem Zaunpfahl. Auch im russischen Biennale-Pavillon darf er nicht fehlen: Männer haben keinen Zutritt zum Raum des Münzregens. Nur Frauen dürfen die Münzen berühren. Sie müssen sich dann entscheiden, ob sie den Eimer neu befüllen oder nicht, ob sie das System Münzregen in Gang halten oder es doch lieber sabotieren. Die Männer haben die Sünde in die Welt gebracht – Finanzsystem, Kapitalismus – die Frauen sollen jetzt den Schalter umlegen.

"Ich bitte die Frauen darum, unsere Welt zu beschreiben, und nicht die Männer. Vielleicht finden sie ja eine bessere Lösung."

Das Klack, Klack der Münzen zieht sich durch den ganzen Pavillon, ist sogar noch draußen zu hören. Vadim Zakharov, Spezialist für absurdes Theater in der Kunst, hat der Biennale einen unverkennbaren Sound gegeben.
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