"Der Sonnensucher"

Vorgestellt von Heike Schneider · 23.05.2005
Konrad Wolf, international bekannter Filmregisseur der DDR, der 1982 mit nur 56 Jahren starb und 15 Spielfilme drehte, langjähriger Präsident der Akademie der Künste in Ostberlin war, ebenso intensive wie streitbare Freundschaften zu Künstlern wie Peter Weiss, Jorge Semprun oder Christa Wolf pflegte und sich in seinem Wirken in einer Art Dauerspagat zwischen dem Amt eines Parteifunktionärs und der Ehrlichkeit seines filmkünstlerischen Schaffens befand, diesem Mann ist erstmals eine umfangreiche Biografie gewidmet, die der Aufbau-Verlag wohl mit Blick auf den kommenden 80. Geburtstag Konrad Wolfs im Oktober unlängst herausbrachte.
Die Autoren, die Filmhistoriker und -redakteure Wolfgang Jacobsen und Rolf Aurich haben für ihre aufwendige Recherche 55 Archive aufgesucht sowie 79 Zeitzeugen Wolfs befragt und ihrem knapp 600-seitigen Sachbuch den beziehungsreichen Titel "Der Sonnensucher" gegeben.

"Sonnensucher" - so nennt Konrad Wolf seinen Film, den er im erzgebirgischen Wismutalltag ansiedelt, wo er die aus allen Himmelsrichtungen herbeiströmenden Kumpels, Sowjetingenieure, deutsche Exnazis und Kommunisten voller Widerspenstigkeit porträtiert. Doch die SED-Zensoren verbieten den realistischen Film; erst 14 Jahre später kommt er ins DDR-Kino.

Das Scheitern an ideologischer Borniertheit widerfährt dem Sohn des Kommunisten und jüdischen Arztes und Dramatikers Friedrich Wolf also schon früh, damals war er 32. Und doch -nimmt man seinen Idealismus für einen menschlichen Sozialismus ernst- bleibt er sein Leben lang selbst ein Sonnensucher.

Schon 1933 verlässt seine Familie Hitler-Deutschland. Im Moskauer Exil wird "Konni", wie ihn seine Freunde nennen, Pionier und Komsomolze. Als zehnjähriger spielt er neben Ernst Busch und Lotte Loebinger in Gustav Wangenheims Film "Kämpfer" mit und wird von da an passionierter Kinofan. Einerseits unbeschwerte Kindheit mit Datscha in Peredelkino, andererseits das Miterleben düsterer, für ihn nicht durchschaubarer Verhaftung von Freunden der Familie. Wie zum Beispiel des Kommunisten Wilhelm Wloch, dessen Sohn Lothar neben dem amerikanischen Korrespondentensohn Victor Fischer Konnis bester Freund wird. Sie bilden eine Troika, eine verschworene Dreierfreundschaft, die sie später trotz kalten Kriegs auch noch in Amerika und im geteilten Berlin am Leben erhalten. Eine Dokustory, die Wolf unbedingt noch verfilmen wollte, sein früher Krebstod jedoch verhindert.

Mit 17 kommt er in die Rote Armee und wird im Feldzug vom Kaukasus bis Berlin gewaltsam erwachsen. Er verfasst Flugblätter, ruft Wehrmachtssoldaten auf, den Krieg zu beenden und schreibt drei Jahre minutiös Tagebuch, das die Biografen Jacobsen und Aurich merkwürdigerweise als sachlich-distanziert kommentieren.

Ganz anders sieht das Wolfs späterer Freund und Drehbuchschreiber Wolfgang Kohlhaase. Die Ambivalenz eines heimatvertriebenen Heimkehrers, das Staunen über den braunen Unrat in deutschen Köpfen, die Dramatik des Kriegsendes … nennt er höchst sinnliche Erfahrungen, die Wolf in seinem autobiografischsten Film "Ich war 19" verdichtet. Auch hier ist er beseelt von einer Art Lebensaufgabe:

Konrad Wolf: "Ich glaube, dass diejenigen, die diese Vergangenheit miterlebt haben, die verdammte Pflicht und Schuldigkeit haben, den neuen Generationen die Wahrheit über diese Zeit zu sagen, aber ich möchte dreimal unterschreiben - die Wahrheit!"

1949 Regiestudium an der Filmhochschule Moskau. Sein Diplomfilm "Einmal ist keinmal" ist kurioserweise ein Lustspiel mit viel Schlagern und leichtgewichtiger Lovestory. Erst mit den Filmen "Lissy" und dem in Cannes und Karlsbad ausgezeichneten "Sterne" über die tragische Liebe eines Wehrmachtoffiziers zu einer Jüdin macht er sich einen Namen als Regietalent.

Seinem "Geteilten Himmel" nach Christa Wolfs Erzählung ist das Schicksal insofern gnädig, als er ein Jahr vor dem drakonischen 11. SED-Plenum erschien, das ihn vermutlich als nihilistisch abqualifiziert hätte. Ob bei "Professor Mamlock" oder "Goya" - nicht nur die Konfliktbrisanz zwischen Individuum und Macht, auch deren filmische Umsetzung würdigt die internationale Kritik als Maßstab setzend, ja avantgardistisch, was die Metaphorik und expressive Kamera anlangt. Diesen Aspekt haben die Herausgeber leider unterbelichtet und stattdessen zuviel Politkommentar aufgepfropft.

Einen wahren Kinohit landet Wolf schließlich 1980 mit "Solo Sunny".

Das Road Movie made in G.D.R. erzählt von einer unangepassten Sängerin. Deren Sehnsucht, ein selbst bestimmtes Leben zu führen, dürfte dem Regisseur gerade als Akademiepräsident mehr als vertraut gewesen sein, wo er zwar mit Güte und Taktik einigen von der SED schikanierten Künstlern zu helfen versuchte, andererseits zu Konflikten wie Biermanns Ausbürgerung laut schwieg.

Zerrissenheit zwischen privater Erfahrung und Parteidisziplin heißt die Erklärung, nicht die Entschuldigung. Exemplarisch dafür steht eine Erinnerung Christa Wolfs. Nach Biermanns Ausbürgerung erklärt sie ihrem Namensvetter, dass sie ihre Bindung an die Partei definitiv verloren hat. Traurig habe er da von seiner Hoffnung auf Veränderung von der Sowjetunion gesprochen. Nun, Glasnost hat er nicht mehr erlebt, aber auch nicht das Ende des realen Sozialismus. Und die Frage, wie der rastlose Regisseur und scheue Melancholie mit Einheitsdeutschland umgegangen wären, bleibt ebenso spannend wie unbeantwortet.

Der Sonnensucher
Herausgeber: Wolfgang Jacobsen, Rolf Aurich
AUFBAU-Verlag Berlin 2005
589 Seiten
24,90 Euro