"Der Soli sollte weiter bestehen"
Der frühere Sprecher der Arbeitsgruppe "Aufbau Ost" der Bundesregierung, Klaus von Dohnanyi, hat die Weiterführung des Solidaritätszuschlags gefordert. Allerdings müsse der Solidaritätszuschlag im Rahmen der Föderalismusreform II neu überdacht werden, sagte der SPD-Politiker.
Christopher Ricke: Es ist neun Jahre her, dass die FDP, damals in der Bundesregierung, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages gefordert hat. Im Zuge einer großen Steuerreform solle er fallen. Die Transferleistungen in die neuen Bundesländer allerdings, die seien in vollem Umfang aufrecht zu halten. Das war damals die Argumentation. Heute spricht man anders. Der Solidaritätszuschlag kann – so sagt es der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms im Programm von Deutschlandradio Kultur – trotz guter Konjunkturprognosen für Ostdeutschland erst im nächsten Jahrzehnt abgeschafft werden. – Der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi hat jahrelang die Bundesregierung in Sachen Aufbau Ost beraten. Er hat einmal in Interviews einen strategischen Ansatz für die Lösung der Probleme vermisst, eine künstliche und für Deutschland sehr gefährliche West-Ost-Debatte attestiert. Guten Morgen Herr von Dohnanyi.
von Dohnanyi: Guten Morgen Herr Ricke!
Ricke: Es gibt ja im Westen immer noch Menschen, die nicht wissen, dass auch im Osten Soli gezahlt wird, und es gibt viele, die sich jeden Monat, wenn sie auf ihre Lohnabrechnung, ihre Steuerabrechnung gucken, ärgern. Soll man nicht endlich ehrlich sein und sagen das war, das ist schlichtweg eine Steuererhöhung? Wir streichen den Namen und kassieren das Geld weiter?
von Dohnanyi: Na ja, es ist natürlich eine Steuer, wenn Sie so wollen, aber es ist auch eine Steuer mit einem besonderen Zweck. Ich teile die Auffassung, die Sie eben von Herrn Solms wiedergegeben haben, der Soli sollte jetzt weiter bestehen. Allerdings stehen wir ja im Rahmen der Föderalismusreform II vor einer generellen Reform des Finanzausgleichs und in dem Zusammenhang muss man natürlich den Soli erneut bedenken.
Ricke: Im Rahmen der Föderalismusreform II, wie Sie es beschreiben, werden die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu verhandelt.
von Dohnanyi: Auch zwischen den Ländern!
Ricke: Auch zwischen den Ländern.
von Dohnanyi: Ja, ja!
Ricke: Hier wäre ja der Punkt zu sagen, hier arbeiten wir den Soli sozusagen schrittweise hinein. Wir kneten ihn in dieses Steuergeflecht zwischen den verschiedenen Ebenen und lassen ihn dann in eine Reform aufgehen. Haben wir eine erfolgreiche Reform, wenn am Schluss kein Soli mehr steht?
von Dohnanyi: So würde ich das nicht sehen. Wir haben eine erfolgreiche Reform, wenn am Ende klar ist, dass zwar die Summen, die verteilt werden, innerhalb des jetzt vereinbarten Raumes, also bis 2019, nicht verändert werden, aber wenn zugleich die Strukturen, also die Art und Weise, wie Länder verantwortlich sind für ihre eigenen Einnahmen und wie Bund und Länder sozusagen auch ihre politische Verantwortung mit der Finanzverantwortung vereinbaren, verbinden, geklärt sind. Gegenwärtig haben wir ein völlig unübersehbares System, in dem am Ende, wenn ein Land mit seinem Geld nicht auskommt, es die Hand heben kann und sagen kann ich brauche mehr, und das geht natürlich nicht. Das ist aber eine andere Frage als die nach der Ost-West-Verteilung von Geld und Steuern und da müssen wir sicherlich noch eine Menge tun, bis der Osten eingeholt hat.
Ricke: Es gibt aber in Ihrer Partei, wenn es um die Ost-West-Verteilung von Geld geht, Leute, denen man eine Neiddebatte vorwerfen könnte, die den Solidarpakt Ost kritisieren, die darauf verweisen, dass es im Westen Regionen gibt, denen es inzwischen schlechter geht als Regionen im Osten. Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft tut dies manchmal. Wie klug ist es denn, mit dieser Sonderzuweisung Ost Wahlkampf zu machen?
von Dohnanyi: Klug ist das nicht und ich glaube Frau Kraft ist in dieser Beziehung eher etwas uninformiert. Sie hat ja auch ihre Aufgabe als Vorsitzende und sage ich mal als Spitzenperson in NRW erst vor relativ kurzer Zeit übernommen. Ich glaube sie wird lernen.
Ricke: Man könnte mal überlegen, wie man den Solidaritätszuschlag fortentwickelt, denn dass es im Westen wie im Osten Regionen gibt, die Hilfe brauchen, das mag ja keiner bestreiten. Wäre es denn klug, aus dem Soli so eine Art Gesamtsoli zu machen, das Geld eben stärker nach Bedürftigkeit als nach Regionen zu verteilen?
von Dohnanyi: Nein, das wäre nicht klug. Klug ist es aber natürlich, wenn wir insgesamt den Finanzausgleich zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern ordentlich und überschaubar und verantwortungsvoll gestalten, so dass diejenigen, die Geld bekommen, auch dafür geradestehen müssen, dass man das neu ordnet. Da ist man ja dabei. Ich bin allerdings nicht so sehr optimistisch, dass so viel herauskommt wie herauskommen müsste.
Im Übrigen: wenn Sie sich eine Landkarte angucken, in der die Zukunftsaussichten der verschiedenen Regionen in Deutschland und zwar nach Landkreisen aufgezeichnet werden und das in Farbe, wie die Prognos das im Jahr 2007 gemacht hat, dieses Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut, dann erschrecken sie natürlich, weil die Farbe blau ist dort – die Karte liegt vor mir – eine die andeutet, dass es schlechte Bedingungen für die Zukunft gibt, und die Farbe gelb und braun ist eine für gut. Der ganze Westen ist mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen gelb und braun und im Osten gibt es eigentlich nur drei braune Stellen: Potsdam, Dresden und Jena. Sonst gibt es keine einzige von dieser tief braunen, also von der wirklich zukunftsstarken Position. Das zeigt, dass die Narben der Teilung Deutschlands eben immer noch zu einem erheblichen Teil offen sind.
Ricke: Jetzt hat aber der Solidaritätszuschlag eine zeitliche Perspektive bis 2019. Die Situation ist, wie Sie sie beschrieben haben. Diese Karte kenne ich auch und ich frage mich, schaffen wir das bis 2019, oder wird der Soli verlängert, verlängert und verlängert?
von Dohnanyi: Wir werden das sehen. Ich glaube, wenn wir ein Finanzausgleichssystem bekommen, das die Mittel nach Wirtschaftskraft verteilt und dort etwas großzügiger mit denen umgeht, die mehr erreichen. Wir haben im Westen gegenwärtig ja einen sehr knappen Ausgleich zwischen den Erfolgreichen und den weniger Erfolgreichen, so dass viele sagen, es lohnt sich kaum, erfolgreich zu sein, weil man das Geld wieder abgeben muss. Wenn man dort etwas mehr Spielraum schafft und dann nach Wirtschaftskraft die Mittel verteilt und diese Mittel dann auch verantwortungsvoll von den Ländern sozusagen in die Hand genommen werden und sie für politische Gestaltung verwenden lässt, dann glaube ich werden wir vorankommen. Die Frage ist nur, ob man sich das 2019, also heute in zwölf Jahren, wirklich traut und einen entsprechenden Beschluss in dieser Großen Koalition fasst mit so einem langfristigen Datum. Ich halte das für notwendig. Viele meiner Freunde, die sich mit dem Problem Finanzverteilung in Deutschland befassen, halten es auch für notwendig. Aber ob die Politik am Ende die Kraft zwischen den Ländern dazu finden kann, das kann man vielleicht mit einem Fragezeichen versehen.
Ricke: Warum fehlt es an dieser Kraft? Sind es die Bremser, die Besitzstandwahrer, die Angst haben, etwas abgeben zu müssen?
von Dohnanyi: Genau das! Es ist die Angst, dass man dann am Ende doch nicht so gut wegkommt. Jeder Ministerpräsident sitzt, wie mir neulich einer der Ministerpräsidenten mal gesagt hat, sofort am Rechenschieber oder am PC, kaum dass in irgendeiner Weise ein Vorschlag gemacht wird, und rechnet aus, ob für ihn ein paar Pfennige mehr oder weniger rauskommen. Diese relativ kurzfristige Sicht, die es in Deutschland verhindert, dass wirkliche Eigenverantwortung für die Finanzen entsteht, so wie das in der Schweiz, in den USA, überall wo es föderale Systeme, Systeme zwischen Ländern und Bund gibt, überall dort in der Welt gibt es eine klarere Finanzverteilung als bei uns und das ist sicher für Deutschland nicht gut.
Ricke: Vielen Dank Klaus von Dohnanyi.
von Dohnanyi: Guten Morgen Herr Ricke!
Ricke: Es gibt ja im Westen immer noch Menschen, die nicht wissen, dass auch im Osten Soli gezahlt wird, und es gibt viele, die sich jeden Monat, wenn sie auf ihre Lohnabrechnung, ihre Steuerabrechnung gucken, ärgern. Soll man nicht endlich ehrlich sein und sagen das war, das ist schlichtweg eine Steuererhöhung? Wir streichen den Namen und kassieren das Geld weiter?
von Dohnanyi: Na ja, es ist natürlich eine Steuer, wenn Sie so wollen, aber es ist auch eine Steuer mit einem besonderen Zweck. Ich teile die Auffassung, die Sie eben von Herrn Solms wiedergegeben haben, der Soli sollte jetzt weiter bestehen. Allerdings stehen wir ja im Rahmen der Föderalismusreform II vor einer generellen Reform des Finanzausgleichs und in dem Zusammenhang muss man natürlich den Soli erneut bedenken.
Ricke: Im Rahmen der Föderalismusreform II, wie Sie es beschreiben, werden die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu verhandelt.
von Dohnanyi: Auch zwischen den Ländern!
Ricke: Auch zwischen den Ländern.
von Dohnanyi: Ja, ja!
Ricke: Hier wäre ja der Punkt zu sagen, hier arbeiten wir den Soli sozusagen schrittweise hinein. Wir kneten ihn in dieses Steuergeflecht zwischen den verschiedenen Ebenen und lassen ihn dann in eine Reform aufgehen. Haben wir eine erfolgreiche Reform, wenn am Schluss kein Soli mehr steht?
von Dohnanyi: So würde ich das nicht sehen. Wir haben eine erfolgreiche Reform, wenn am Ende klar ist, dass zwar die Summen, die verteilt werden, innerhalb des jetzt vereinbarten Raumes, also bis 2019, nicht verändert werden, aber wenn zugleich die Strukturen, also die Art und Weise, wie Länder verantwortlich sind für ihre eigenen Einnahmen und wie Bund und Länder sozusagen auch ihre politische Verantwortung mit der Finanzverantwortung vereinbaren, verbinden, geklärt sind. Gegenwärtig haben wir ein völlig unübersehbares System, in dem am Ende, wenn ein Land mit seinem Geld nicht auskommt, es die Hand heben kann und sagen kann ich brauche mehr, und das geht natürlich nicht. Das ist aber eine andere Frage als die nach der Ost-West-Verteilung von Geld und Steuern und da müssen wir sicherlich noch eine Menge tun, bis der Osten eingeholt hat.
Ricke: Es gibt aber in Ihrer Partei, wenn es um die Ost-West-Verteilung von Geld geht, Leute, denen man eine Neiddebatte vorwerfen könnte, die den Solidarpakt Ost kritisieren, die darauf verweisen, dass es im Westen Regionen gibt, denen es inzwischen schlechter geht als Regionen im Osten. Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft tut dies manchmal. Wie klug ist es denn, mit dieser Sonderzuweisung Ost Wahlkampf zu machen?
von Dohnanyi: Klug ist das nicht und ich glaube Frau Kraft ist in dieser Beziehung eher etwas uninformiert. Sie hat ja auch ihre Aufgabe als Vorsitzende und sage ich mal als Spitzenperson in NRW erst vor relativ kurzer Zeit übernommen. Ich glaube sie wird lernen.
Ricke: Man könnte mal überlegen, wie man den Solidaritätszuschlag fortentwickelt, denn dass es im Westen wie im Osten Regionen gibt, die Hilfe brauchen, das mag ja keiner bestreiten. Wäre es denn klug, aus dem Soli so eine Art Gesamtsoli zu machen, das Geld eben stärker nach Bedürftigkeit als nach Regionen zu verteilen?
von Dohnanyi: Nein, das wäre nicht klug. Klug ist es aber natürlich, wenn wir insgesamt den Finanzausgleich zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern ordentlich und überschaubar und verantwortungsvoll gestalten, so dass diejenigen, die Geld bekommen, auch dafür geradestehen müssen, dass man das neu ordnet. Da ist man ja dabei. Ich bin allerdings nicht so sehr optimistisch, dass so viel herauskommt wie herauskommen müsste.
Im Übrigen: wenn Sie sich eine Landkarte angucken, in der die Zukunftsaussichten der verschiedenen Regionen in Deutschland und zwar nach Landkreisen aufgezeichnet werden und das in Farbe, wie die Prognos das im Jahr 2007 gemacht hat, dieses Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut, dann erschrecken sie natürlich, weil die Farbe blau ist dort – die Karte liegt vor mir – eine die andeutet, dass es schlechte Bedingungen für die Zukunft gibt, und die Farbe gelb und braun ist eine für gut. Der ganze Westen ist mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen gelb und braun und im Osten gibt es eigentlich nur drei braune Stellen: Potsdam, Dresden und Jena. Sonst gibt es keine einzige von dieser tief braunen, also von der wirklich zukunftsstarken Position. Das zeigt, dass die Narben der Teilung Deutschlands eben immer noch zu einem erheblichen Teil offen sind.
Ricke: Jetzt hat aber der Solidaritätszuschlag eine zeitliche Perspektive bis 2019. Die Situation ist, wie Sie sie beschrieben haben. Diese Karte kenne ich auch und ich frage mich, schaffen wir das bis 2019, oder wird der Soli verlängert, verlängert und verlängert?
von Dohnanyi: Wir werden das sehen. Ich glaube, wenn wir ein Finanzausgleichssystem bekommen, das die Mittel nach Wirtschaftskraft verteilt und dort etwas großzügiger mit denen umgeht, die mehr erreichen. Wir haben im Westen gegenwärtig ja einen sehr knappen Ausgleich zwischen den Erfolgreichen und den weniger Erfolgreichen, so dass viele sagen, es lohnt sich kaum, erfolgreich zu sein, weil man das Geld wieder abgeben muss. Wenn man dort etwas mehr Spielraum schafft und dann nach Wirtschaftskraft die Mittel verteilt und diese Mittel dann auch verantwortungsvoll von den Ländern sozusagen in die Hand genommen werden und sie für politische Gestaltung verwenden lässt, dann glaube ich werden wir vorankommen. Die Frage ist nur, ob man sich das 2019, also heute in zwölf Jahren, wirklich traut und einen entsprechenden Beschluss in dieser Großen Koalition fasst mit so einem langfristigen Datum. Ich halte das für notwendig. Viele meiner Freunde, die sich mit dem Problem Finanzverteilung in Deutschland befassen, halten es auch für notwendig. Aber ob die Politik am Ende die Kraft zwischen den Ländern dazu finden kann, das kann man vielleicht mit einem Fragezeichen versehen.
Ricke: Warum fehlt es an dieser Kraft? Sind es die Bremser, die Besitzstandwahrer, die Angst haben, etwas abgeben zu müssen?
von Dohnanyi: Genau das! Es ist die Angst, dass man dann am Ende doch nicht so gut wegkommt. Jeder Ministerpräsident sitzt, wie mir neulich einer der Ministerpräsidenten mal gesagt hat, sofort am Rechenschieber oder am PC, kaum dass in irgendeiner Weise ein Vorschlag gemacht wird, und rechnet aus, ob für ihn ein paar Pfennige mehr oder weniger rauskommen. Diese relativ kurzfristige Sicht, die es in Deutschland verhindert, dass wirkliche Eigenverantwortung für die Finanzen entsteht, so wie das in der Schweiz, in den USA, überall wo es föderale Systeme, Systeme zwischen Ländern und Bund gibt, überall dort in der Welt gibt es eine klarere Finanzverteilung als bei uns und das ist sicher für Deutschland nicht gut.
Ricke: Vielen Dank Klaus von Dohnanyi.