Der Sneaker-Doktor

Lebensgefühl am Fuß

Sneaker mit ultraleichten EVA-Sohlen (Ethylenvinylacetat) vom Label Kangaroo sind am 31.07.2014 auf der internationalen Schuhmesse GDS (Global Destination for Shoes & Accessories) in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) zu sehen.
Sneaker: Seit den 80er-Jahren wird es immer wichtiger, wie die Fußbekleidung aussieht © dpa / picture alliance / Matthias Balk
Von Jessica Hughes  · 20.04.2019
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Dennis Vollstedt und Martin Olomi gestalten und verzieren Sneaker nach Wunsch ihrer Kunden. In ihrer Werkstatt in Hamburg wird genäht, gelasert und coloriert, was das Zeug hält. Mit ihrem Angebot treffen sie den Zeitgeist.
Gebeugt über einen Sneaker sitzt Dennis Vollstedt in Hamburg in der Gemeinschafts-Praxis aus "Sneaker-Atelier" und "Sneaker Surgery", die sich er und sein Kollege Martin Olomi teilen: "Das ist ein Skalpell, damit man schön exakt das Masking-Tape zurecht schneiden und die Teile separieren kann."
Hier werden Liebhaberstücke von Sammlern repariert und restauriert. Am liebsten aber kümmern sich die beiden ums Customizing: Für die Kundin oder den Kunden wird der Schuh individuell aufgehübscht: umgenäht, geklebt, gelasert und vor allem mit Airbrush verziert – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt – und aus einem weißem Schuh wird buntes Kunsstück.
"Es kommen Leute, die wollen heiraten und woher bekommst du einen individuellen Hochzeitsschuh, Sneaker", erklärt Martin. "Du brauchst Leute wie wir, die das umsetzen können."

Für das Sneaker-Business den Job gekündigt

Angefangen hat es für beide als Hobby. Als Informatiker konnte sich Dennis zwar viele Schuhe leisten, seine Leidenschaft allerdings war das Basteln und Reparieren.
"Ich habe erstmal angefangen, das für mich selber zu machen, weil es mich einfach gestört hat, dass die Schuhe kaputt gegangen sind. Dann hat man sich schlau gemacht über Instagram oder Youtube. Man hat für sich selber angefangen, dann fandens die Kollegen toll. Es hat sich rumgesprochen irgendwann und dann hab ich gedacht, vielleicht steckt da Potenzial drin, habe meinen alten Job gekündigt und habe mich selbstständig gemacht."
Ähnlich ging es auch Martin Olomi, ehemaliger Konkurrent von Dennis. Eine Weile fuhr er Taxi, bot nebenher Freunden seine Dienste als Customizer an. Schließlich bekam er einen großen Auftrag vom Sneakerhersteller selbst, für den es sich lohnte, den Taxischlüssel abzugeben.
Mittlerweile sind beide ein Team. So lassen sich große Aufträge leichter bewerkstelligen. Außerdem lernt man voneinander. Alles ist nämlich ziemlich DIY.

Der Hype kam mit dem Aufstieg des Hip-Hop

"Ich hab letztes Jahr einen Schuh gemacht mit den Motiven von 'Prince of Bel Air'", erzählt Martin. "Die 90er – das ist meine Lieblingszeit gewesen. Anfang 90, da war ich so 12, 13, da hab ich die besten Zeiten des Hip-Hops mitbekommen, die Mode war richtig toll. Die Zeit hat mich geprägt."
Prägend ist die Zeit auch für den Sneaker-Markt. Der Hype kommt mit dem Aufstieg der Hip-Hop-Kultur in den 80er-Jahren. Während Pioniere des Genres, wie Grandmaster Flash und The Furious Five, noch extravagante Bühnenoutfits tragen, etabliert die Formation Run DMC einen neuen Style, orientiert am Look der Straße. Ihrem liebsten Accessoire widmen sie 1985 sogar einen eigenen Track.
Was aus reiner Liebe zum Style beginnt, wird schnell zur nachhaltigen Marktstrategie: Run DMC erkennen ihre Reichweite und fordern Geld von Adidas.

Instagram-Influencer verstärken den Hype

Heute läuft das Sponsoring von Musikacts durch Sportbekleidungshersteller auf Hochtouren. Eine Marketingstrategie, die durch Instagram und Influencing noch wesentlich wirksamer geworden ist.
Und noch etwas hat sich geändert: Viele Deutschrapper werden jetzt von Nike gesponsert – und klopfen dann wiederum bei Martin und Dennis an. Stars der Szene wie RAF Camora, Bonez MC, Bausa und UFO361 wollen ihre Schuhe customized!
"Damals wollte UFO einen Schuh haben, der komplett mit Svarovski-Steinen beklebt sein sollte", erzählt Martin. "Und Svarovski-Steine hat er bekommen, aber nur an den Swooshes."

Die Schlange auf dem Sneaker

Inzwischen versuchen sogar Firmen, die sonst wenig mit Popkultur oder Mode am Hut haben, auf den Hype um Sneaker aufzuspringen. Ein großer Pharmahersteller zum Beispiel engagierte Martin und Dennis für einen Customizing-Workshop. Das nächste größere Projekt der zwei Hamburger wird eine Kooperation mit einem Pizzalieferservice: Wer einen verzierten Schuh gewinnt, darf ein Jahr lang kostenlos essen.
Dennis und Martin wissen: Individuelle Schuhe sorgen für außergewöhnliche Anfragen.
"Er meinte so: 'Meine Schlange stirbt demnächst. Kannst du sie auf dem Schuh vernähen?'", erzählt Dennis."Ich sage: 'Ja, aber dann musst du sie selber vorher häuten.' Er meint so: 'Ne, das kann ich leider nicht machen. Ich würde sie dir zuschicken.' Ich hätts gemacht, aber ich hätte sie nicht gehäutet. Also das hätte er schon selber machen müssen."
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