Der Schriftsteller als Musikliebhaber

Rezensiert von Uwe Friedrich |
Wie kein anderer deutscher Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hat Thomas Mann immer wieder die Musik zum Thema seiner Romane und Erzählungen gemacht. Von der frühen Erzählung "Tristan" bis zum späten Roman "Doktor Faustus" ziehen sich musikalische Themen, aber auch Erzählstrukturen, die er von musikalischen Techniken ableitete, durch sein Werk.
Fixpunkt ist dabei die Musik des zu Anfang kritiklos, dann immer zwiespältiger verehrten Richard Wagner. Thomas Mann spielte selber Geige, ging oft in die Oper, besuchte Kammerkonzerte und besaß bereits sehr früh ein Grammophon.

Der Altgermanist Volker Mertens hat sich mit Thomas Manns musikalischen Vorlieben detailliert beschäftigt, als er eine Sendereihe für den Rundfunk Berlin Brandenburg vorbereitete. Weitgehend chronologisch geordnet, beleuchtet Mertens zunächst das politisch reaktionäre Frühwerk und die Nähe zum rechtsradikalen Komponisten Hans Pfitzner. Der philosophische Hintergrund mit den Gedanken Friedrich Nietzsche wird ebenso dargelegt wie die Wandlung Manns zum Vertreter eines bürgerlichen Liberalismus, die musikalisch sicher durch die enge Freundschaft zum Dirigenten Bruno Walter initiiert wurde.
Die Bedeutung, um nicht zu sagen Überlegenheit der deutschen Kultur stand für Thomas Mann lange außer Frage, zur italienischen Oper fand er nur eingeschränkt einen Zugang. Doch die Liebe zur deutschen Kultur war den Nationalsozialisten nicht rückhaltlos genug.

Im berüchtigten Richard-Wagner-Protest der Stadt München, Reaktion auf Manns Essay "Leiden und Größe Richard Wagners", zeigte sich der Stimmungsumschwung. Mann ging schließlich ins Exil, seine Beschäftigung mit der (deutschen) dauerte jedoch an. Für manche ist "Doktor Faustus" einer der besten deutschen Romane zum Thema Musik im 20. Jahrhundert, andere finden ihn schlicht langweilig. Volker Mertens würdigt ihn als Zeitdokument.

Das Manuskript der Sendereihe hat Volker Mertens nun für die Buchveröffentlichung gründlich überarbeitet. Über den Musikenthusiasten schreibt hier ein Thomas-Mann- und Musikenthusiast. Mertens trägt viele Details zusammen, zeigt sich als gut informiert über die Musikpflege des frühen 20. Jahrhunderts und die vielen Querverweise im Werk des Schriftstellers. Einige Kapitel Überleitungen zu Musiktitel fallen etwas zu assoziativ aus, doch scheint das dem Ursprung als Hörfunkmanuskript geschuldet. Ein sehr umfassendes, sehr informatives, nicht zuletzt sehr schön gesetztes und gebundenes Buch mit CD, auf der erhellende Hörbeispiele versammelt sind.


Volker Mertens: Groß ist das Geheimnis - Thomas Mann und die Musik
Militzke-Verlag, Leipzig 2006, 288 Seiten, mit CD