Der schreibende Musiker

Von Susanne Luerweg |
Markus Berges ist Sänger und Texter der Kölner Band Erdmöbel. Und weil er so schöne Songs schreiben kann, wurden irgendwann zahlreiche renommierte Verlage auf ihn aufmerksam und baten ihn, ein Buch zu verfassen. Berges hat erst gezögert - und dann doch zugestimmt.
Lesung: "Hatte sie sich nicht seit Jahren als eine Nowak vorgestellt? Auf Booten namens Betty? Nein, nicht wahr. Auf Booten namens Kismet. Denn Boote gehen unter, sagt Papa. Aber doch mit einer schönen seltsamen Schwester namens September."

Markus Berges ist ein ruhiger Vorleser. Der gelassene Mittvierziger trägt eine dieser Brillen mit übergroßem Gestell, die auch sein Großvater schon hätte tragen können. Bei anderen wirkt das schnell peinlich. Auf seinem kantigen Gesicht sieht sie selbstverständlich aus. Er liest aus seinem ersten Buch: "Ein langer Brief an September Nowak." Ein 44-jähriger Mann, der die Geschichte eines 18-jährigen Mädchens erzählt.

Die Geschichte von Betty aus Telgte, die in die große Welt reist und sich dabei selbst entdeckt, hat er schon lange mit sich herum getragen. Obwohl Markus Berges zu den versierteren Songtextern unserer Tage zählt und ungewöhnliche Begriffe sammelt wie andere Schallplatten, ist ihm der Roman nicht so leicht aus der Feder geflossen. Und so mussten erst drei renommierte Verlage anklopfen, bis er sich einen Ruck gegeben hat und zwei Jahre kontinuierlich an seinem ersten Buch gearbeitet hat.

"Ich wusste nicht, wie ich es angehen sollte und ich war alleine zu Hause und plötzlich fiel mir dieser Name September Nowak und mir fiel auch ein 'Ein langer Brief an September Nowak' und es ist wirklich so vom Himmel gefallen und ich war total begeistert, habe es sofort aufgeschrieben und ich wusste in dem Moment: Das ist jetzt der Titel des Romans."

Man brachte Austern. Betty probierte und erschrak so, dass sie den Glibber auf den Teller spuckte.

Betty Laubahn, die Protagonistin in Markus Berges erstem Roman, pflegt eine Brieffreundschaft zu einem glamourösen Mädchen namens September Nowak. Zumindest glaubt Betty an den Glanz im fernen Monaco ihrer Brieffreundin.

Der Sänger der Kölner Band Erdmöbel mag die weibliche Sicht seines Romans. Auch seine Liedtexte sind häufig aus der femininen Perspektive geschrieben.

"Ich suche das, ich weiß auch nicht warum. Ich weiß nicht genau, warum mich das so reizt, ich komme da auf jeden Fall immer wieder hin."

Er selbst wirkt allerdings eher männlich. Die grauen Haare sind kurz geschnitten, die Hose schmal, der Pullover mit modischem V-Ausschnitt. Markus Berges sieht aus wie der klassische Großstadtbewohner. Dabei kommt er aus der tiefsten westfälischen Provinz, und hat sie seiner Meinung nach auch zu spät verlassen.

"Eine Entscheidung, mit der ich auch gar nicht so richtig meinen Frieden habe. Denn ich habe mein komplettes Studium danach noch in Münster studiert und das ist ja nur so ein Achtel weggegangen, würde ich mal sagen. Und ich bin erst mit 30 nach Köln gegangen, was für mich dann noch mal ein richtig großer Aufbruch war und noch mal stark mein Leben verändert hat. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum dieses Thema 'Weggehen' in dem Roman eine Rolle spielt."

Inzwischen lebt der schreibende Musiker mit seiner Frau und zwei Kindern in Köln, mag die Stadt trotz Bausünden und Baukatastrophen und ist immer noch so bodenständig, seinen Job als Lehrer in der Erwachsenenbildung nicht aufzugeben.

"Ich bin aber auch sehr gerne Lehrer. Das ist für mich kein reiner Geldjob. Das würde ich jetzt auch nicht zehn Jahre machen, wenn das jetzt für mich eine Quälerei wäre. Aber es ist schwierig, diese Sachen unter einen Hut zu kriegen. Ich weiß selber noch nicht genau, in welche Richtung sich das entwickeln wird."

Denn plötzlich ist er erfolgreich. Das Buch wird von der Kritik gefeiert und die neue CD "Krokus" seiner Band Erdmöbel findet so viel Zuspruch wie keine davor.

"Ich wundere mich selber ein bisschen darüber. Aber das ist natürlich sehr schön. Wir haben natürlich schon vorher gedacht, dass wir diese Aufmerksamkeit verdient hätten."

Immerhin gibt es Erdmöbel bereits seit 15 Jahren. Seit einiger Zeit touren die vier leicht ergrauten Herren nun mit ihrem neuen Album durch Deutschland. Auf den Konzerten sind alle Altersgruppen vertreten. Markus Berges mag das. Er will nicht in eine Nische gedrängt werden, sondern Musik für viele machen.

Im Anschluss an ihre Auftritte setzen sich Markus Berges und seine Kollegen neuerdings an einen Tisch und signieren alle zusammen seinen Roman und die neue CD. An dieser Stelle verbinden sich die Musik und die Schriftstellerei gut. Dennoch sei es ein großer Unterschied, ob man einen Song schreibe oder ein Buch, meint er nachdenklich.

"In einem Song kann man so Sachen schnell anreißen und derjenige, der das hört, gibt ja sowieso sein ganzes Herz darein und das ist dann ein sehr individuelles Erleben. Individueller als einen Roman zu lesen."

Markus Berges ist und bleibt in erster Linie Musiker. Aber auch ein weiterer Roman ist durchaus vorstellbar. Erste Fragmente gibt es bereits. Überbleibsel aus "September Nowak".

"Ein Satz der es nicht in den Roman geschafft hat, ist: Dieser Traum den man Erinnerung nennt."