"Der schönste Bau der Moderne"

Von Marietta Schwarz · 03.04.2007
<papaya:link href="http://www.tugendhat-villa.cz/" text="Die Villa Tugendhat im tschechischen Brünn" title="Die Villa Tugendhat im tschechischen Brünn" target="_blank" /> gehört zu den berühmtesten Bauwerken der Klassischen Moderne und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Das Meisterstück von Mies van der Rohe soll seit Jahren renoviert werden, doch die Bauschäden schreiten dramatisch voran. Der Grund ist ein Streit zwischen den Erben der einstigen Bauherren und der Stadt Brünn, die im Besitz des Hauses ist.
Damals, Anfang der 90er Jahre, wäre es leichter gewesen, sagt Daniela Hammer-Tugendhat. Sie meint die Restitution ihres Elternhauses, die sie erst jetzt, vor wenigen Monaten, beantragt hat. Nach tschechischem Recht sind seit 1995 die Rückgabeansprüche aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs erloschen. Bei der Villa Tugendhat handelt es sich aber nicht um irgendein Haus. Es ist ein Architekturklassiker und zudem UNESCO-Weltkulturerbe. Ein Kunstwerk, das einst von der Regierung gestohlen wurde, so argumentierten die Tugendhats, um die Rückgabe von der Stadt Brünn zu erreichen.

Daniela Hammer-Tugendhat: " Also für mich persönlich ist es der schönste Bau der Moderne, das muss ich sagen. (…) Es ist das bedeutendste Haus von Mies, das letztendlich doch in einem sehr guten Originalzustand erhalten ist. "

Noch, möchte man hinzufügen. Denn der Putz blättert und Nässe dringt allmählich in Teile des Bauwerks ein, wo sie nicht hingehört. Bereits vor einem Jahr sollte die Sanierung beginnen, doch die Stadt verschiebt sie immer weiter nach hinten. Weder die Auftragsvergabe noch die Finanzierung der notwendigen 5,5 Millionen Euro sind geklärt. Zurückgeben will die Kommune die Villa Tugendhat aber nicht, weil sie absurd hohe Schenkungssteuern auf sich zukommen fürchtet.

Hammer-Tugendhat: " Es ist einfach so zermürbend geworden (…) die Treppe, die ist in einem katastrophalen Zustand (…) Und man kennt seit vielen Jahren die Ursache, und irgendwie ist man dem nicht nachgegangen. Man kann zuschauen, wie das zerfällt. Da muss man etwas machen und zwar schnell. "

Seit ihrem ersten Besuch Ende der 60er Jahre setzt sich die in Wien lebende Kunsthistorikerin für das Haus ihrer Eltern ein, ihr Verdienst ist es, dass es für die Öffentlichkeit überhaupt zugänglich wurde. Doch die Energie, die sie in die Sanierung der Villa steckte, trug bisher keine Früchte.

Hammer-Tugendhat: " Ich erwarte nicht von Politikern, dass sie etwas von Restaurierung verstehen. "

Aber auch den Willen der Stadt Brünn, endlich aktiv zu werden und dieses Fanal der Moderne fachgerecht sanieren zu lassen, sieht Daniela Hammer-Tugendhat nicht. Deshalb hat sie sich zusammen mit ihren beiden noch lebenden Geschwistern am Ende doch entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

14.000 Besucher kommen jährlich, sagt die Direktorin des Hauses, Iveta Cerna, um die Villa zu besichtigen. Reservierungen werden ein halbes Jahr im Voraus gemacht, wer ohne Anmeldung kommt, muss wieder gehen.

Es sind Architekturliebhaber aus aller Welt, die meistens gut vorbereitet sind auf das, was sie erwartet: Auf jenes Understatement, mit dem sich das Haus geradezu graumäusig zur Straße hin präsentiert und schließlich auf das fulminante Raumerlebnis innen, das den Besucher in seinen Bann zieht.

Hammer-Tugendhat: " Das macht eigentlich diesen Reiz aus. Dass man in einen Raum kommt und ihn nicht sogleich überblickt, sondern dass man ihn erst erlebt, wenn man sich in ihm bewegt, und sich immer wieder eine neue Perspektive eröffnet. (…) Meine Mutter hat immer gesagt: der Raum ist wie Musik. Und das empfindet man sehr stark. "

Daniela Hammer-Tugendhat spricht von der 280 Quadratmeter großen Wohnebene, dem Zentrum des Hauses, gegliedert durch die berühmte Onyx-Wand und einen gebogenen Raumteiler aus Holz. Erstmals verwirklichte Mies van der Rohe hier eine Stahlkonstruktion im Wohnungsbau. Die verchromten Stützen erlauben die offene Raumaufteilung. Obwohl vom Originalzustand des Inventars nicht allzu viel übrig ist, bestimmten doch edle Farben und Materialien, einfachste Möbelstücke und der Blick ins Grüne die Atmosphäre.

Noch heute lassen sich die riesigen Fensterscheiben zum Garten mit dem elektrischen Heber im Boden versenken. Dann verschmelzen Innen und Außen, das Wohnzimmer wird zur Terrasse, man ist von Vogelgezwitscher umgeben.

Die schrecklichste Situation, erzählt Irina Cerna, war Ende des 2. Weltkriegs, als die sowjetische Armee hier nur für ein paar Wochen lebte. Da wurde die Villa fast zerstört, die Soldaten lebten mit den Pferden hier im Haus. Da wurde quasi im Garten Gulasch gekocht und, als das Brennholz ausging, haben sie die Ebenholz-Regale aus der Wand gerissen und verbrannt.

Nur acht Jahre lebten die Tugendhats in Brünn. 1938 flüchteten sie vor den Nazis über die Schweiz nach Venezuela, wo Daniela Hammer-Tugendhat geboren wurde. In Brünn diente der Mies-van-der-Rohe-Bau derweil als Rhythmikschule, Anstalt für Heilgymnastik und Kinderklinik. Eine umfassende Renovierung Anfang der 80er Jahre näherte sich dem Aussehen aus den 30er Jahren wieder an, mangels besserer Kenntnis wurden damals allerdings sämtliche Fliesen in den Badezimmern und die ursprünglichen Waschbecken abgeschlagen. Auch der weiße PVC-Boden, der im Wohnbereich an einigen Stellen klafft, und der krude Nachbau der geschwungenen Ebenholzwand stammen aus dieser Zeit. Unmöglich, sagt Hammer-Tugendhat, das Bauwerk wieder in den Ursprungszustand zu versetzen.

" Es wäre eigenartig, wenn Besucher in das Haus kommen, und es wäre, als sei nichts geschehen. Es ist sehr viel geschehen, da war der Holocaust dazwischen. Die Spuren der Geschichte sind da. Und das finde ich okay. "

Ginge es nach ihrem Willen, würde Daniela Hammer-Tugendhat eine Stiftung gründen und das Haus von einem internationalen Expertenteam sanieren lassen. Die Bausubstanz würde gesichert, Farben nach Originalrezept wieder gemischt, Materialien, soweit dies möglich ist, ersetzt. Vor allem aber müsste das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben, selbst an Architekturkongresse denkt sie.

Doch die Stadt Brünn ist misstrauisch. Weil die Tugendhats eine bereits restitutierte Lehmbruck-Statue versteigert haben, befürchten nun einige Vertreter der Kommune, den berühmten Mies-Bau könnte dasselbe Schicksal ereilen. Dass die Familie im selben Zug 4 restituierte Originalmöbelstücke einem Brünner Museum übergeben hat, wird dabei nicht erwähnt.