Der Schöngeist in der Politik
Da es nun einmal so ist, dass eine kompakte Mehrheit der Deutschen, traurig, die Gleichheit höher stellt als die Freiheit, wird es unser Mann schwer haben. Ein eleganter Herr, der die braunen Schuhe gegen Abend für ein Paar schwarze tauscht, gerät, es ist verrückt, fast schon in den Verdacht, ein Dandy zu sein. Steckt in den Schuhen noch dazu ein Schöngeist, schmäht ihn der gedruckte Boulevard als irgendwie „volksfremd“.
Eben noch hat uns die Frage, wer oder was ein Schöngeist ist, nicht wirklich umgetrieben. Jetzt hat uns der eloquent und gedankenreich schreibende Michael Naumann, Mitherausgeber der Hamburger „ZEIT“, zu einer Antwort genötigt. Ihn haben die Artilleristen der Hamburger CDU, assistiert vom Ladekanonier BILD, ins Visier genommen, auch deshalb, weil Naumann über das Blatt keine gute Meinung hat.
Vielleicht hätten sie ihre Kartuschen nicht sofort abgefeuert, wäre Naumann nicht gleichsam über Nacht zum Spitzenkandidaten der SPD an der Alster avanciert. Der Mann hat Mut. Einige meinen, er sei verwegen. Nach nur sechs Stunden Bedenkzeit hat er sich für ein Abenteuer entschieden, denn der Sprung des ehemaligen Kulturstaatsministers und Schröder-Freundes in die Politik könnte mit einem Desaster enden. Alle großen Hamburger Bürgermeister waren authentische Sozialdemokraten. Die Hamburger, vermutlich auch die meisten Hamburger Sozialdemokraten, wussten nicht einmal, dass Naumann ein Genosse ist. Hat der Kandidat politischen Instinkt? Er will Schröder als seinen wichtigsten Wahlkämpfer verpflichten. Naumann scheint entgangen zu sein, dass der ehemalige Kanzler in der SPD seinen Strahlenkranz derweil verloren hat. Klaus von Dohnany‚ beiläufig bemerkt‚ kein sozialdemokratisches „Urgestein“, hat dem CDU-Bürgermeister Ole von Beust soeben bescheinigt, dass er die Stadt gut regiere. Nette Parteifreunde. Warum dann das Rathaus einem Mann der Feder anvertrauen?
Wir blättern im mittlerweile verbindlichen Duden und lesen dort: „Schöngeist“, ein Mensch mit „einseitiger Betonung schöngeistiger Interessen oder der Literatur“. Obendrein ist ein solcher Mensch womöglich noch elitär. Passt der, fragen die Spötter, überhaupt in die Reihen einer Partei, die sich als Anwalt der „kleinen Leute“ versteht? Der „Schöngeist“ scheint nicht mehr in unsere Zeit zu passen. Er ist das Opfer eines Siegeszuges der Demokratie. Als Preußen absolutistisch regiert wurde, versammelten sich in Sanssouci um Friedrich den Großen zahlreiche Schöngeister, Philosoph Voltaire alle überragend, nur nicht den königlichen Gastgeber. Die Herren lieferten sich einen Wettstreit im schön-geistigen Parlieren. Nun ist es tatsächlich etwas schwierig, sich Michael Naumann, den mit Esprit begabten Journalisten, als Wahlkämpfer zum Beispiel in Hamburg-Wilhelmsburg vorzustellen, wo einst Herbert Wehner auf einem Trockendock von Blohm und Voss um Stimmen kämpfte und von grimmigen Kommunisten sogar körperlich bedroht worden ist. Da geht Naumann einen schweren Gang. Ob ihm die Hamburger Sozialdemokraten auf dem Landesparteitag am kommenden Wochenende alle denkbaren Hürden aus dem Weg räumen werden, da hat man seine Zweifeln. Erst werden sie jubeln, das gehört zum Ritual. Ob der Jubel von Dauer ist? Dohnany wird die Bemerkung zugeschrieben, die Hamburger SPD orientiere sich an dem kleinsten Karo, das mit dem bloßen Auge eben noch wahrzunehmen sei. Und doch: Warum soll sich Naumann kraft Intelligenz nicht solche Themen wie Elbtunnel, Konzerthaus und Hafen einarbeiten? Sein Handicap – er ist ein Intellektueller und zwar durch und durch.
Journalisten hatten es in der Politik allemal schwer. Beispiel Rudolf Augstein, der sich einst, Listenkandidat der FDP, im Bundestag als Hinterbänkler wiederfand und der ganz schnell zurück in das komfortable Hamburger Herausgeberbüro geflohen ist. Man denke an den Publizisten und Sozialisten Ferdinand Lassalle. Der hochbegabte Intellektuelle gründete 1863 den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“, ein wichtiger Schritt zu August Bebels Sozialdemokratie. Das Pech von Lassalle: die von ihm erwarteten Arbeitermassen blieben aus. Freiheit oder Gleichheit? Naumann ist ein in der Wolle gefärbter Liberaler. So einer passt nicht ins Lager der Gleichheitsprediger.
Klaus Bölling, geboren 1928 in Potsdam, arbeitete für Presse und Fernsehen, war unter anderem NDR-Chefredakteur, Moderator des „Weltspiegel“, USA-Korrespondent und Intendant von Radio Bremen. 1974 wurde er unter Helmut Schmidt zum Chef des Bundespresseamts berufen, 1981 übernahm er die Leitung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen „Die letzten 30 Tage des Kanzlers Helmut Schmidt“, „Die fernen Nachbarn – Erfahrungen in der DDR“ und „Bonn von außen betrachtet“.
Vielleicht hätten sie ihre Kartuschen nicht sofort abgefeuert, wäre Naumann nicht gleichsam über Nacht zum Spitzenkandidaten der SPD an der Alster avanciert. Der Mann hat Mut. Einige meinen, er sei verwegen. Nach nur sechs Stunden Bedenkzeit hat er sich für ein Abenteuer entschieden, denn der Sprung des ehemaligen Kulturstaatsministers und Schröder-Freundes in die Politik könnte mit einem Desaster enden. Alle großen Hamburger Bürgermeister waren authentische Sozialdemokraten. Die Hamburger, vermutlich auch die meisten Hamburger Sozialdemokraten, wussten nicht einmal, dass Naumann ein Genosse ist. Hat der Kandidat politischen Instinkt? Er will Schröder als seinen wichtigsten Wahlkämpfer verpflichten. Naumann scheint entgangen zu sein, dass der ehemalige Kanzler in der SPD seinen Strahlenkranz derweil verloren hat. Klaus von Dohnany‚ beiläufig bemerkt‚ kein sozialdemokratisches „Urgestein“, hat dem CDU-Bürgermeister Ole von Beust soeben bescheinigt, dass er die Stadt gut regiere. Nette Parteifreunde. Warum dann das Rathaus einem Mann der Feder anvertrauen?
Wir blättern im mittlerweile verbindlichen Duden und lesen dort: „Schöngeist“, ein Mensch mit „einseitiger Betonung schöngeistiger Interessen oder der Literatur“. Obendrein ist ein solcher Mensch womöglich noch elitär. Passt der, fragen die Spötter, überhaupt in die Reihen einer Partei, die sich als Anwalt der „kleinen Leute“ versteht? Der „Schöngeist“ scheint nicht mehr in unsere Zeit zu passen. Er ist das Opfer eines Siegeszuges der Demokratie. Als Preußen absolutistisch regiert wurde, versammelten sich in Sanssouci um Friedrich den Großen zahlreiche Schöngeister, Philosoph Voltaire alle überragend, nur nicht den königlichen Gastgeber. Die Herren lieferten sich einen Wettstreit im schön-geistigen Parlieren. Nun ist es tatsächlich etwas schwierig, sich Michael Naumann, den mit Esprit begabten Journalisten, als Wahlkämpfer zum Beispiel in Hamburg-Wilhelmsburg vorzustellen, wo einst Herbert Wehner auf einem Trockendock von Blohm und Voss um Stimmen kämpfte und von grimmigen Kommunisten sogar körperlich bedroht worden ist. Da geht Naumann einen schweren Gang. Ob ihm die Hamburger Sozialdemokraten auf dem Landesparteitag am kommenden Wochenende alle denkbaren Hürden aus dem Weg räumen werden, da hat man seine Zweifeln. Erst werden sie jubeln, das gehört zum Ritual. Ob der Jubel von Dauer ist? Dohnany wird die Bemerkung zugeschrieben, die Hamburger SPD orientiere sich an dem kleinsten Karo, das mit dem bloßen Auge eben noch wahrzunehmen sei. Und doch: Warum soll sich Naumann kraft Intelligenz nicht solche Themen wie Elbtunnel, Konzerthaus und Hafen einarbeiten? Sein Handicap – er ist ein Intellektueller und zwar durch und durch.
Journalisten hatten es in der Politik allemal schwer. Beispiel Rudolf Augstein, der sich einst, Listenkandidat der FDP, im Bundestag als Hinterbänkler wiederfand und der ganz schnell zurück in das komfortable Hamburger Herausgeberbüro geflohen ist. Man denke an den Publizisten und Sozialisten Ferdinand Lassalle. Der hochbegabte Intellektuelle gründete 1863 den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“, ein wichtiger Schritt zu August Bebels Sozialdemokratie. Das Pech von Lassalle: die von ihm erwarteten Arbeitermassen blieben aus. Freiheit oder Gleichheit? Naumann ist ein in der Wolle gefärbter Liberaler. So einer passt nicht ins Lager der Gleichheitsprediger.
Klaus Bölling, geboren 1928 in Potsdam, arbeitete für Presse und Fernsehen, war unter anderem NDR-Chefredakteur, Moderator des „Weltspiegel“, USA-Korrespondent und Intendant von Radio Bremen. 1974 wurde er unter Helmut Schmidt zum Chef des Bundespresseamts berufen, 1981 übernahm er die Leitung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen „Die letzten 30 Tage des Kanzlers Helmut Schmidt“, „Die fernen Nachbarn – Erfahrungen in der DDR“ und „Bonn von außen betrachtet“.

Klaus Bölling© privat