"Der Schlüssel der Träume"

Von Julia Kaiser |
Das Kunstforum Wien hat am Donnerstag die Ausstellung "René Magritte - Der Schlüssel der Träume" eröffnet. Damit ist in Österreich erstmals eine umfassende Retrospektive des großen belgischen Surrealisten zu sehen.
Schon an der Schwelle des Kunstforums betritt der Besucher die Welt René Magrittes. Schmale Streifen aus schwarzem Marmor im Fußboden leiten in die Ausstellungsräume. Als wären sie eigens für ein Gemälde in die sonst weiße Fläche eingelassen: Denn an der Stirnseite des Eingangsraumes scheinen sie wie verlängert in dem schwarzen Felsrelief, das "Die Verkündigung" zeigt. Vor dieser Wand stürzt ein Wasserfall mit einem Tortenspitzenmuster in die tiefe und zwei gigantische Balluster, also wie gedrechselte Säulen, stehen in der Landschaft.
Schon diese Empfangssituation ist einladend und man bekommt Lust, den "Schlüssel der Träume" im Gesamtwerk René Magrittes zu suchen.
Die Ausstellungskuratorin Evelyn Benesch:

"Wir beginnen im Jahr 1926, mit dem Bild, das Magritte quasi als sein erstes eigenes bezeichnet. Das ist der verlorene Jockey. Ein Bild, wo ein einsamer Jockey durch den Wald reitet. Der Wald besteht aus lauter Ballustern. Die Balluster sind aus Notenpapier, das Licht ist unheimlich gesetzt, der Jockey ist ein Scherenschnittmann... Die Kombination von auf den ersten Blick alltäglichen Objekten in einer ungewöhnlichen Zusammensetzung, die einen Blick auf der Kippe zur Realität schafft. Das ist sehr typisch für Magitte, das wird er sein ganzes Werk hindurch spielen. Und da begleiten wir ihn bis in die späten 60er Jahre hinein. Zu immer neuen Bildfindungen, Bildideen, wo er uns immer wieder das vorführt, um was es ihm geht. Das Erkennen der Wirklichkeit hinter den Dingen eigentlich. Er will uns darauf stoßen, dass wir mit unseren Konventionen, unseren überkommenen Sehgewohnheiten oft haarscharf neben der Realität liegen, so wie er sie sieht."

In der Literatur findet Magritte zumeist als Surrealist Erwähnung. Zwar ist es richtig, dass er in Frankreich mit André Breton verkehrte und auch Mitglied der surrealistischen Gruppe in Brüssel war. Doch bei näherer Betrachtung fehlt ihm das Spontane, Intuitive, das für den Surrealismus charakteristisch ist. Nüchterner prosaischer Realismus prägt seine Bilder - jedoch in physisch unmöglichen und vollkommen absurden Zusammenstellungen.
Magritte findet immer neue Spielvarianten.

"Ob das jetzt die so genannten Wortbilder sind, die er in den späten 20er Jahren in einer Nähe zu den französischen Surrealisten gemalt hat, ob das die Bilder sind zu "Empire de lumière", Tag und Nacht, das Spiel mit dem Licht... Ob das die Bilder sind, die von der Verwandlung der Materie handeln, also steinerne Fische, oder ob das Bilder sind, in denen Objekte aus einer Materie in die andere übergehen, wie das Schiff und das Wasser, die aus der selben Materie sind. Oder die Vögel, die mit dem Blattwerk verwachsen, auf dem sie sitzen. Alles das ist immer wieder so, dass der Maler uns täuscht im ersten Augenblick, wenn wir nicht aufpassen. und das ist, was er möchte. Diese so genannte zweite Realität zu erkennen oder das scharfe Sehen dient ihm dazu, das Mysterium der Welt zu erfassen. "

Der erzwungene zweite Blick auf die Dinge macht Magrittes Bilder einzigartig und nachhaltig. Sie gehen einem lange nicht aus dem Kopf. Als Kriminalfälle, Abenteuer oder unheimliche Begegnungen geistern sie sogar durch die Träume, sagt Evelyn Benesch.

"Magritte ist ja ein Geschichtenerzähler und nicht ein Maler, wo wir die stilistische Entwicklung nachvollziehen wollen, weil er sucht sich ja eine sehr neutrale, akademische, oberflächen-indifferente Malerei aus, mit der er so spielen kann. Übrigens: Genau so, wie sein äußeres Leben von dieser gleichgültigen Bürgerlichkeit geprägt war, nicht? Er war der Mann mit der Melone. Er hat in der Wohnung gemalt, er hat kein Atelier gehabt. Er war ungeheuer pingelig eigentlich äußerlich. Und in Wirklichkeit war er ein großer Intellektueller."
Magrittes Motive sind bekannt. Etwa das exakte Abbild einer Tabakspfeife, worunter der Künstler die Worte geschrieben hat "Dies ist keine Pfeife". Denn, so pflegte er in Interviews zu sagen, er könne sie ja nicht anstecken. Und so sei dies nur ein Abbild der Realität.
Oder "Der Mann mit der Melone", den er immer wieder malt. Und doch sind die meisten seiner Werke in Privatbesitz, zumeist in seiner belgischen Heimat. Eine Werkschau wie die hier zusammengetragene ist also eine besondere Gelegenheit, dem Künstler nahe zu kommen. Den "Schlüssel der Träume" findet der Betrachter übrigens nicht. Und das ist ganz im Sinne Magrittes der selbst sagte: "Wer glaubt, meine Bilder zu verstehen, der hat nichts verstanden."

Service:
"René Magritte - Der Schlüssel der Träume" ist bis zum 27.7.
im Kunstforum Wien zu sehen.
Danach ist die Ausstellung vom 06. August bis November in der Fondation Beyeler in Basel zu sehen.