Neu im Kino: „Der schlimmste Mensch der Welt“

Als Millennial ist es auch nicht einfach

05:16 Minuten
Zwei Menschen liegen auf einem Teppich. Links eine Frau mit dunklen Haaren und einem grauen Hemd, rechts ein Mann mit weißem T-Shirt.
Ist Oralsex im Zeitalter von MeToo noch möglich? In "Der schlechteste Mensch der Welt" wird auch dieses Thema diskutiert. © imago / Prod.DB / Oslo Pictures / Arte France Cinema / Film i Vast / Snowglobe Films
Von Anke Leweke |
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Wie lebt es sich als Angehörige der ersten Generation, die im digitalen Zeitalter sozialisiert wurde? Antwort darauf gibt Joachim Trier in „Der schlimmste Mensch der Welt“.

Um was geht es?

Julie ist fast 30 Jahre alt und noch immer nicht in ihrem Leben angekommen. Warum nicht vom Medizin- zum Psychologiestudium wechseln? Schon probiert sie sich als Fotografin aus.
Mit jedem Perspektivwechsel ändert sie Outfit und Haarfarbe. Will sie mit ihrem 15 Jahre älteren Freund, dem bekannten Comiczeichner Aksel, tatsächlich eine Familie gründen? Oder würde sie damit nur seinem Wunsch und den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen? Warum sich nicht noch einmal in einer anderen Beziehung neu ausprobieren? Was wäre, wenn …? Julie lebt in der Möglichkeitsform, in einem biografischen Zwischenraum und jobbt in einem Buchladen. 

Was ist das Besondere?

Joachim Trier erzählt die Geschichte seiner wankelmütigen Heldin als Bildungsroman, eingeteilt in zwölf Kapiteln, mit einem Prolog und einem Epilog. Die Kapitel sind unterschiedlich lang, schlagen souverän verschiedene Tonlagen an und spielen mit den Möglichkeiten des Kinos.

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Mal springt die Kamera direkt in eine Situation hinein, mal werden Episoden zu eigenständigen Kurzgeschichten. Sie handeln von den Besuchen bei den Eltern, von Abendessen mit Freunden und Drogenexzessen.
Plötzlich steht die Welt still, wenn sich Julie neu verliebt, und der Titel dieses siebten Kapitels lautet dann auch „Ein neues Kapitel“. Eine Erzählerinnenstimme beschreibt das, was wir ohnehin sehen und betont, die Künstlichkeit dieser Versuchsanordnung, die ein überraschendes Eigenleben entwickelt.

„Der schlimmste Mensch der Welt“ von Joachim Trier
Mit: Renate Reise, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum
Norwegen, Frankreich 2021, 121 Minuten

„Der schlimmste Mensch der Welt“ betrachtet die Lebensgefühle der Millennials der ersten Generation, die im digitalen Zeitalter sozialisiert wurde, ohne sie vorzuführen. Nebenbei greift der Film in Kapiteln wie „Das Unbehagen in der Kultur“ oder „Oralsex im Zeitalter von MeToo“ die Diskussionen und Debatten unserer Zeit auf.

Fazit

Einmal wird Julie sagen: „Ich bin nur eine Nebendarstellerin in meinem Leben.“ Wir sehen ihr bei den Proben für die Hauptrolle zu. Unterhaltsam mäandert der Film durch seine losen Kapitel, die von der klassischen Erzählung einer Éducation sentimentale zusammengehalten werden.
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