Der Schallplattenschneider

Von Fabian Dietrich · 30.06.2008
Bei Spezialisten ist die Schallplatte weiterhin beliebt. Sie klingt wärmer, runder und voller. Dabei gibt es nur noch wenige Kenner, die Musik auf Vinyl bannen können. Einer von ihnen ist Christoph Grote-Beverborg. Der gefragte Toningenieur arbeitet für Produzenten aus den USA, Südamerika und Europa.
Christoph Grote-Beverborg sitzt in einer Art Raumschiff- Kommandozentrale. Ein Arrangement aus seltsamen Geräten, Knöpfen und Reglern. Unzählige Pegelmesser und Anzeigen schlagen aus. Über ihm hängt ein Teppich aus stacheligem Noppenschaumstoff. Die Finger des Toningenieurs huschen über die Armaturen. Der bullige Mann hockt tief gebeugt über seinen Maschinen. Konzentriert. Seine Augen liegen tief in den Höhlen. Er trägt eine schwarze Armeehose und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift Atari, nur die Sandalen wollen nicht so recht ins martialische Bild passen.
"Das Ohr lässt sich ja gerne betrügen, ja. Das kann man, also das habe ich auch schon testweise mit Kunden gemacht. Ich hab so getan, als würde ich zwischen bearbeitet und unbearbeitet hin- und herschalten. Das war aber genau das gleiche, nur das eine war ein DB lauter. Und alle sagen ja, das klingt besser."

Viele Produzenten wollen es einfach so laut wie möglich haben. Doch das lehnt Christoph Grote-Beverborg ab. Seine Firma Dub-Plates und Mastering sorgt dafür, dass die Musik klar und druckvoll klingt. Der 47-Jährige bearbeitet und bereinigt Frequenzen. Vor allem aber ist er Experte in einer Technologie, die eigentlich ins letzte Jahrtausend gehört: Er schneidet Schallplattenrohlinge, die anschließend im Pressewerk vervielfältigt werden. In diesem Nischengeschäft ist Christoph Grote-Beverborg, der Schallplattenschneider, ein viel gefragter Mann. Im Studio, das er sich in einer hellen Kreuzberger Fabriketage eingerichtet hat, arbeitet er für Produzenten in den USA, Südamerika und Europa.

"Ab und zu kommt auch mal ein Mandolinenorchester oder eine Speed-Metall-Band vorbei, das hat man dann natürlich auch sehr gerne. Aber es ist eben hauptsächlich elektronische und Clubmusik."

Legendäre Produzenten waren schon bei ihm im Studio. Namen mag der gefragte Toningenieur allerdings nicht nennen. Berufsgeheimnis.

"Das ist wie beim Arzt und beim Rechtsanwalt. Wir haben das ganze Material ja lange, bevor es veröffentlicht wird, völlig klar, dass das Diskretion erfordert."

In letzter Zeit kommen auch viele neue Kunden zu ihm, die ihr Material gar nicht mehr auf Vinyl geschnitten haben wollen, sondern nur noch ein gut klingendes MP3 brauchen. Christoph Grote-Beverborg erfüllt ihnen auch diesen Wunsch. Doch er mag MP3s und CDs nicht besonders. Zuhause, in seiner Wohnung in Kreuzberg, hört er fast ausschließlich Schallplatten.

"Es klingt für mich einfach besser. Es klingt wärmer, es klingt runder, es klingt voller. Ich war immer schon von Schallplatten fasziniert. Und zwar schon frühester Kindheit an. Von meinen ersten Märchenschallplatten. Das hat mich schon begeistert. dass man da so ein Ding drauflegt und dann entsteht daraus eine ganze Welt."

Christoph Grote-Beverborg wird 1961 in Wuppertal geboren. Er ist eins von drei Kindern. Seine Eltern, der Vater ist Leiter einer katholischen Sozialeinrichtung, die Mutter Hausfrau, haben nicht viel übrig für Musik.

"Die haben gedacht, dass mit dieser Rockmusik oder so ist totaler Quatsch, die haben ja selber kein Empfinden, das hat bei denen überhaupt nichts angesprochen."

Noch während der Schulzeit beginnt der Junge aus Wuppertal sich für Musik zu begeistern. Er hört Punk, New-Wave, Reggae, dann Drum and Bass und Techno-Schallplatten. Immer tiefer arbeitet er sich in die Musik ein, lernt Frequenzen zu unterscheiden, merkt, wann ein Klang rund ist und voll und wann er ein bisschen roher sein muss. Trotzdem zögerte er lange, Musik zu seinem Beruf zu machen.

"In meinem familiären aber auch schulischen Umfeld war Rock 'n' Roll was Böses. In keiner Weise wurde man dazu ermutigt … sowieso nicht. Und dann fehlt einem halt so ein bisschen auch der Glaube, dass man das schaffen könnte oder so."

Er macht verschiedene Ausbildungen, arbeitet einige Jahre als Maurer. Glücklich ist er damit nicht. Mit 32 zieht er nach Berlin und verwirklicht seinen Traum: Eine Tontechnikerausbildung. Kurz darauf wird er Teil der Firma Dubplates und Mastering, die er heute leitet. Seine Kunden schätzen den besonderen Klang seiner Schallplatten. Nur er verleiht der Musik diesen leicht rohen Glanz. Sein Markenzeichen. Wenn er das Material fertig bearbeitet hat, geht Christoph Grote-Beverborg an die Schneidemaschine, ein Einbauküchengroßes Gerät aus grauem Metall, das früher einmal dem legendären Motown-Plattenlabel aus Detroit gehört hat.

"Also als Anfang der Achtziger Jahre die Industrie von Platte auf CD umgestellt hat, da wollte sie ja eigentlich auch die Schallplatte komplett abschaffen, was ihr nicht gelungen ist."

Die alten Maschinen funktionieren noch immer. Doch es gibt nur noch wenige Spezialisten, die sie bedienen können und wissen, wie man gutes Vinyl herstellt. Christoph Grote-Beverborg lehnt sich über die Maschine, ein Stichel ritzt die Töne in die schwarze Folie, die sich darunter dreht. Mit dem Mikroskop kontrolliert er, ob die Rillen sauber geschnitten sind.

Werbung macht Christoph Grote-Beverborg keine. Muss er auch nicht. DJs und Produzenten finden ihn auch so: Auf jeder Platte, die sein Studio verlässt, ist eine winzige Gravur: D und M, gefolgt von seinem Namenskürzel: CGB.