Der Preis für ein „Ja“...

Von Dietrich Mohaupt |
In Schleswig-Holstein sollen sich Bürger an einer Stromleitung finanziell beteiligen können. Der Netzbetreiber TenneT will aber nicht nur Geld einsammeln, sondern auch Unterstützung für das Projekt erzeugen. Aber: Lassen sich Wutbürger zu begeisterten Stromleitungsanlegern umfunktionieren – oder läuft es am Ende doch auf ein Anlageobjekt für wenige externe Anleger hinaus?
Ambitionierte Leitungspläne & Das Zauberwort Akzeptanz

Wehe, wenn er losgelassen … Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck gerät schnell mal ins Schwärmen, wenn er über den Netzausbau im nördlichsten Bundesland spricht. Vor allem die geplante Westküstenleitung zwischen Niebüll und Brunsbüttel hat es ihm angetan:

„Es ist eine 100%-erneuerbarer-Strom-Leitung – das haben wir, glaube ich, nirgendwo anders in Deutschland, dass diese Leitung ausschließlich gebaut wird, um Teil der Energiewende zu sein. Erneuerbaren Strom einzusammeln, im Wesentlichen eben onshore-Strom einzusammeln, zu bündeln und abzutransportieren nach Süddeutschland. Und das ist eigentlich das besondere an der Leitung.“

Windstrom einsammeln – die zentrale Herausforderung für das Gelingen der Energiewende. Allzu oft kann derzeit der von Windrädern produzierte Strom eben nicht eingesammelt und abtransportiert werden, weil Leitungskapazitäten fehlen. Für jede Kilowattstunde Strom, die so sinnlos produziert wird, gibt es trotzdem die gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung – die Kosten dafür landen bei allen Stromkunden auf der Rechnung. Und die Situation wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, betont Minister Habeck.

„Die Installation von neuen onshore-Windrädern an der Westküste wird sich verdoppeln und dann auf 2500 Megawatt hochgehen – also eine wirkliche Hausnummer.“

2500 Megawatt – das ist fast doppelt so viel wie das Kernkraftwerk Brokdorf ein paar Kilometer weiter südlich an der Elbe produzieren kann. Deshalb – so Robert Habeck – müsse es jetzt zügig vorwärts gehen mit dem Netzausbau. Der Minister breitet eine große Karte vor sich auf dem Schreibtisch aus und erläutert detailliert die Pläne für die rund 150 Kilometer lange 380-Kilovolt-Leitung. Die eingezeichneten Trassen sind deutlich breiter als die üblichen 110-Kilovolt-Freileitungen – die Masten für die neue Stromautobahn werden mit 65 bis 70 Metern gut doppelt so hoch sein wie „normale“ Hochspannungsmasten.

„Also – wir haben zwei große Netzausbauprojekte in Schleswig-Holstein, um den Windstrom einzusammeln, und das aktuelle läuft entlang der Westküste. Es wird von Süd nach Nord gebaut, also es setzt an Brunsbüttel an und baut dann in vier Abschnitten sich hoch bis nach Niebüll, also bis an die dänische Grenze. Der erste Abschnitt ist von Brunsbüttel nach Barlt, ein kleiner Ort – dort Umspannwerk – dann von Barlt nach Heide, dann kommt der schwierigste Abschnitt über den wir im Moment am meisten diskutieren, von Heide nach Husum hoch und dann nach Niebüll rauf.“

Der Zeitplan für das Vorhaben steht bereits, die Bauabschnitte sind festgelegt – der Minister hat eine recht klare Vorstellung davon, wie es konkret weitergehen soll.

„Die Planung ist im Grunde die, dass wir alle dreiviertel Jahre einen neuen Abschnitt in die Planfeststellung nehmen und dann dauert das so knappe zwei Jahre in der Planfeststellung, so dass wir sukzessive ab 2014 anfangen vielleicht die Leitung zu bauen und dann 2017 alle Leitungen im Bau, zumindest in der Planfeststellung haben – und ich hoffe, dass dann 2018 das Ganze steht und funktioniert.“

Diesen Zeitplan einzuhalten wird nicht einfach – das hat schon der Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr gezeigt. Energiewende ja – aber das mit dem dafür notwendigen Netzausbau, das hat immer wieder zu teils heftigen Diskussionen geführt. Und auch in Nordfriesland und Dithmarschen sind die Pläne für die neue Höchstspannungsleitung nicht unumstritten – niemand möchte sie direkt vor seiner Haustür haben. Die Gefahr ist groß, dass durch Widerstand aus der Bevölkerung der schöne Zeitplan von Politik und Netzbetreibern völlig durcheinander gerät – das weiß auch Dithmarschens Landrat Jörn Klimant. Gegen die Bewohner der Region wird es richtig schwer, betont er.

„Das Zauberwort für das Thema Energiewende ist für mich das Thema Akzeptanz. Und Akzeptanz gilt natürlich auch für die hier im Moment in Planung befindlichen 380-KV-Leitungen – und ich bin doch schon recht optimistisch, dass das Angebot an die Menschen, speziell die, die dann an der Trasse wohnen – die sollen ja primär auch die Chance haben dort sich zu beteiligen – dass diese Menschen so ein Angebot auch aufnehmen. Das ist ein bisschen so wie bei den Bürgerwindparks – die Mühle, die mich eben noch gestört hat, die sehe ich mit einem Mal mit ganz anderen Augen, wenn ich Teilhaber dieser Mühle bin.“

Geld schafft Akzeptanz – das ist die simple Idee hinter den Plänen des Netzbetreibers TenneT. Das niederländische Staatsunternehmen ist in großen Teilen Nord- und Süddeutschlands für den Betrieb der Stromnetze zuständig. Noch sind längst nicht alle Details geklärt, betont eine Firmensprecherin – fest steht aber schon so viel: Private Kleinanleger sollen Wertpapiere kaufen können, Mindesteinlage 1000 Euro, der Zinssatz soll nach derzeitigen Kapitalmarktbedingungen viereinhalb bis fünf Prozent betragen. Wichtig ist dem Unternehmen, dass auf jeden Fall Anwohner bevorzugt werden sollen, die unmittelbar vom Bau der Leitung betroffen sind. Etwa 40 Millionen Euro sollen über diese Bürgerbeteiligung eingenommen werden, angesichts der Gesamtinvestitionen von mehreren hundert Millionen nicht eben viel. Es gehe auch gar nicht primär um das Sammeln von Geld, sondern eben um mehr Zustimmung für das Projekt, heißt es immer wieder in den Mitteilungen von TenneT. Akzeptanz gegen Geld – kann so ein Deal tatsächlich funktionieren? Dithmarschens Landrat Jörn Klimant gibt sich zumindest vorsichtig optimistisch.

„Ich glaube diejenigen, die vom Scheitel bis zur Sohle gegen solche Leitungen sind, die lassen sich so was dann auch nicht abkaufen – aber die Grundakzeptanz und die Stimmung, die so ein Vorhaben begleitet, die ist sicherlich dann besser, wenn man sich daran beteiligt, und das werden viele machen denke ich.“

Ein unmoralisches Angebot?

Die Nordseeküste Schleswig-Holsteins – wer mal in Dithmarschen oder Nordfriesland war, der kennt den Anblick: überall Windparks, die Türme und Rotorblätter der großen Windkraftanlagen sind längst Teil des Landschaftsbildes geworden. Insgesamt fast 1500 Anlagen stehen derzeit in den beiden Kreisen – knapp Zweidrittel des gesamten Windstroms aus Schleswig-Holstein wird dort produziert. Prima – findet Andre Tesch aus dem kleinen Ort Fedderingen in Dithmarschen. Der Rechtsanwalt ist in der Bürgerinitiative „Westküste – trassenfrei“ aktiv – er steht voll und ganz hinter der Energiewende, aber die geplante Stromautobahn vor seiner Haustür bereitet ihm doch Unbehagen. Seit fast einem Jahr kämpft er gegen die Höchstspannungsleitung, einfach so will er sich dem Lockruf des Geldes jetzt nicht beugen. 1000 Euro Mindesteinlage, viereinhalb bis fünf Prozent Rendite, Vorrang für betroffene Anwohner der Trasse – klingt eigentlich ganz gut, aber …

„… so weit so gut, das ist das Angebot, was von der TenneT gemacht worden ist – aber die genauen vertraglichen Bestimmungen, die weiß noch kein Mensch. Ich denke, die TenneT steckt, was diese Idee angeht, überhaupt noch in den Kinderschuhen und ich bezeichne es tatsächlich erst einmal als einen Werbegag. Letztendlich habe ich auch ganz große Bedenken, dass es die Bürger sind, die von der Leitung betroffen sind, die sich beteiligen. Es gibt natürlich auch viele andere Gesellschaften und Unternehmen, die dann in den Startlöchern stehen, um sich hier die Anteile zu erkaufen. Wie können wir gewährleisten, dass nur diejenigen die betroffen sind, sich auch hier an diesem Beteiligungsmodell beteiligen können – das wissen wir alles noch nicht.“

Ein billiger Werbetrick, um sich Zustimmung zu erkaufen – für Andre Tesch und die rund 100 Mitglieder der Bürgerinitiative ist der TenneT-Vorschlag ein „unmoralisches Angebot“, das sie auf keinen Fall annehmen wollen. Das Hauptargument in ihrem Kampf gegen die Höchstspannungsleitungen und die von ihnen erzeugten elektromagnetischen Felder ist und bleibt die Sorge um die Gesundheit – vor allem ihrer Kinder. Es geht dabei – wie immer in vergleichbaren Fällen – um Richtwerte, um die gesetzlich festgelegten Höchstwerte für eine Belastung durch Elektrosmog. Diverse Studien liefern Beweise für hohe Risiken, andere scheinen sie zu widerlegen – für Andre Tesch bleibt unter dem Strich die Sorge:

„Der Richtwert für die elektromagnetische Strahlung liegt bei 100 Mikrotesla und Wissenschaftler sagen, bei einem Tausendstel fängt es schon an, für Kinder gefährlich zu werden, da ist die Leukämierate für Kinder schon weit erhöht – ich meine, 70 Prozent erhöht. Und dieses Risiko ist uns einfach zu groß, das ist für mich erst mal der größte Grund für meine Ablehnung. Und dann haben wir natürlich noch ganz viele andere Gründe auch – das ist eine Zerstörung des Landschaftsbildes, ein Eingriff in Flora und Fauna, der wirklich seines Gleichen sucht. Aber für mich tatsächlich Hauptargument ist die Gesundheit unserer Kinder.“

Andre Tesch kämpft deshalb unverdrossen für ein Erdkabel in HGÜ-Technik – Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung unter der Erde, das ist für ihn die Alternative. Eigentlich ein guter Ansatz – der aber auf der relativ kurzen Strecke zwischen Niebüll und Brunsbüttel nicht realisierbar ist, meint Energiewendeminister Habeck. Gegen HGÜ-Erdkabel sprechen in erster Linie die vielen geplanten Einspeisepunkte für den von den Windrädern in der Region produzierten Strom.

„Das ist im Grunde genommen wie – noch was schnelleres als eine Autobahn, also sagen wir mal, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke wird jetzt vorgeschlagen mit lauter Bundesstraßen, die da drauf fahren, und das funktioniert technisch nicht. Zweitens ist die Technik nicht erprobt und nicht verfügbar, die Fabriken, die das herstellen sollen sind noch nicht mal gebaut und drittens gibt es nur Prognosen über die Wirtschaftlichkeit. Und auf der Ebene soll ich dann entscheiden und sagen: Ja, das ist die technische Lösung, und da sage ich: Nein, das funktioniert einfach nicht, dafür übernehme ich nicht die Verantwortung.“

Andre Tesch ist von dieser Haltung des Ministers enttäuscht, und auch seine Frau Nicole Kensy macht aus ihrer Verbitterung kein Hehl. Da werde – um den Zeitplan der Energiewende nicht durcheinander zu bringen – knallhart gegen die Interessen der Anwohner gehandelt, kritisiert sie:

„Wir haben ja hier in etwa 400 Meter Entfernung diese bestehende 110-KV-Leitung langlaufen – ich stelle mir jeden Tag, wenn ich mit dem Hund da vorbei gehe oder vorbei laufe oder fahre mit dem Auto, wie auch immer, stelle ich mir dieses Monstrum von 380-KV-Leitung vor. Und auch wenn man natürlich sagt, wir kämpfen weiter, ganz klar, und wir versuchen alles was möglich ist, um diese Leitung in dieser Form zu verhindern, verfolgt einen das natürlich – Tag und Nacht. Und man versucht es einfach gegenüber den Kindern nicht allzu oft anzusprechen, weil man schon merkt, dass die das natürlich schon mitbekommen.“

Ganz klar – hier ist jemand sicher nicht bereit, im Tausch gegen finanzielle Vorteile den Widerstand gegen die Stromautobahn einzustellen. Was möglicherweise die Nachbarn tun – von allen weiß Nicole Kensy es nicht, sie hofft aber, dass der Frieden im Dorf durch unterschiedliche Meinungen nicht in Gefahr gerät. Sie selbst bleibt dabei:
„In dieser Form, mit einer Hochspannungsleitung, würden wir uns mit Sicherheit nicht beteiligen. Anders sähe es vielleicht aus, wenn es tatsächlich eine Leitung unter der Erde gäbe – nur, wenn jetzt Nachbarn oder Freunde sagen, sie stehen da mit ein paar Tausend Euro in den Startlöchern und möchten sich gerne an dieser 380-KV-Leitung beteiligen, dann sollen sie es tun. Das wäre ja fatal, wenn jetzt Freundschaften oder Nachbarschaften auseinander brechen weil einer sagt ich mach’s und der andere sagt ich mach’s nicht.“

„Wir haben alle die Energiewende gewollt“

Zu denen, die vermutlich eher geneigt sind zu sagen: „Ich mach’s“ gehört auch Hans-Peter Witt. Der Landwirt aus Hemme in Dithmarschen hat sich schon früh mit dem Boom der erneuerbaren Energien in der Region arrangiert – von seinem Haus aus sieht er auf jede Menge Windräder. Sie sind für ihn das Symbol für einen Wandel, den doch nach Fukushima alle wollten:

„Man muss das ja ganz ehrlich sagen: Wir alle haben die Energiewende gewollt – und zur Energiewende wussten wir auch, dass da ein vernünftiges Netz gehört. Und dieses Netz kann nicht da enden, wo man es nicht haben will, sondern das muss irgendwo durchgeführt werden. Und diese Westküstentrasse ist mit eines der wichtigsten Netze beim Ausbau der erneuerbaren Energien.“

Also – meint Hans-Peter Witt – was sollen die endlosen Diskussionen über Trassenverläufe und die Frage „Erdkabel oder Freileitung“? Auch er verweist, wie schon der Landrat von Dithmarschen, auf das Beispiel der Bürgerwindparks: Rund 15.000 Bewohner in der Region haben in den vergangenen Jahren Anteile an Windrädern gekauft – und verdienen so mit an dem Windenergieboom. Finanzielle Beteiligung quasi als Beruhigungspille, das hat doch schon mal tadellos funktioniert, warum sollte es nicht auch beim Netzausbau funktionieren.

„Also das ist ja so, dass tatsächlich mit den Bürgerwindparks hier bei uns an der Westküste sehr gute Erfahrungen gesammelt worden sind, und das führt ja ganz automatisch zu einer Akzeptanzsteigerung. Wir werden uns mit Sicherheit damit intensiv beschäftigen und dieses Angebot prüfen. Wie es am Ende auslaufen wird, das kann ich auch noch nicht genau sagen – der Ansatz, wie sie es vorbereitet haben, ist richtig. Wir wissen ja auch, dass die Netzbetreiber mit diesen Netzen Geld verdienen können – und warum sollen wir als Bürger da nicht beteiligt werden.“

Ganz nüchtern-sachlich, ganz pragmatisch – so sieht das eben einer, der schon an der einen oder anderen Windmühle in der Region verdient. Das Ganze ist unter dem Strich eigentlich für jeden nur eine simple wirtschaftliche Rechnung, meint Hans-Peter Witt

„Es gibt derzeit wenige Möglichkeiten, wenn man eine Geldanlage hat, wo man fünf Prozent erzielen kann. Und von daher denke ich mir kann man das einmal sehen, dass man die Akzeptanz erhöht – aber es ist auch ein wirtschaftliches Interesse, das jeder haben kann, der in solch ein Netz Geld reinsteckt.“

Alles weitere wird der Markt zeigen – Die Idee aus Sicht der Bank

Noch ist das alles nur Spekulation, noch gibt es eigentlich nicht viel mehr als die bloße Ankündigung von TenneT, dass Anwohner sich finanziell an der geplanten Stromautobahn beteiligen können. Details sind erst für die kommenden Wochen angekündigt. Solange zumindest bleibt also auch die Frage, was eigentlich die Banker von der Idee einer Bürgerbeteiligung an Stromleitungen halten. Und wieder wird das Beispiel Bürgerwindpark bemüht – diesmal von Torsten Jensen von der Volks- und Raiffeisenbank im nordfriesischen Niebüll kurz vor der dänischen Grenze. Netzbetreiber TenneT will als Partner für das Projekt „Bürgernetz“ die regionalen Kreditinstitute ins Boot holen – und tut gut daran, meint Torsten Jensen, schließlich weiß nicht unbedingt jeder wirklich etwas mit dem Namen TenneT anzufangen.

„Unsere Wahrnehmung ist schon, dass TenneT ein bekanntes Unternehmen ist – von der Bezeichnung her – aber insgesamt sehr abstrakt nach wie vor ist. Ich glaube, da ist sehr viel Überzeugungsarbeit notwendig, und sehr viel Aufklärungsarbeit notwendig. Das Erfolgskonzept der Bürgerwindparks basiert hauptsächlich darauf, dass man die handelnden Personen gut persönlich auch kennt – und natürlich ist im Lauf der Zeit auch ein wirtschaftlicher Erfolg entstanden, der dann auch zu einem starken Boom geführt hat, das muss bei TenneT erst noch kommen.“

Die Messlatte liegt also verdammt hoch – die Idee „Bürgernetz“ wird es nicht ganz leicht haben, davon ist Torsten Jensen fest überzeugt. Immerhin – die Rahmenbedingungen stimmen, seit Jahren schon boomt die Windenergie an der Westküste von Schleswig-Holstein und die Bewohner sind – auch wenn manchmal das Gegenteil behauptet wird – keine Sturköpfe, sondern eigentlich immer für neue Ideen zu haben.

„Das nehmen wir absolut wahr, dass die gesamte Region auch wirklich in einer Art Aufbruchsstimmung sich befindet. Und das hängt eben an dieser Art Bürgerbeteiligung, wie sie hier prädestiniert gelebt wird in Nordfriesland, die ist hier geboren worden. Und diese Bürgerbeteiligung hat dazu geführt, dass in vielen, vielen Orten auch wirklich Kleinanleger ihr Geld angelegt haben, wirtschaftlichen Erfolg verspüren und dadurch auch sehr viel wirtschaftliche Aktivität hier entstanden ist in Nordfriesland. Und das überträgt man gedanklich auch auf andere Bürgerbeteiligungen. Aber da ist auch eine sehr hohe Erwartungshaltung an eine TenneT, und die muss erst einmal erfüllt werden, das muss man erkennen können.“

Eine klare Ansage für das niederländische Unternehmen – da kommt eine Menge Arbeit auf die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit von TenneT zu. In den nächsten Wochen und Monaten sind diverse Informationsveranstaltungen in der gesamten Region an der Westküste von Schleswig-Holstein geplant, teilte eine Sprecherin des Unternehmens mit. Und dabei kann es dann nur heißen: Alle Karten auf den Tisch, Torsten Jensen erwartet sehr ausführliche Informationen.

„Das erste ist Klarheit über das Unternehmen TenneT, wer ist TenneT überhaupt, was hat TenneT für Unternehmensziele und Visionen dabei. Dann konkret über das Projekt, das in Angriff genommen werden soll. Und das dritte – wo ist denn der Vorteil einmal für die Region, da spreche ich eben für sehr, sehr viele Energieprojekte, die hier umgesetzt sind oder noch umgesetzt werden sollen, und als letztes der konkrete Vorteil für den Anleger wenn er Eigenkapital geben soll.“

Und genau dieser konkrete Vorteil für Anleger – die Frage also nach den möglichen Renditen – das dürfte für viele potentielle Interessenten die entscheidende Frage sein. viereinhalb bis fünf Prozent verspricht TenneT – der Banker hält sich bei der Bewertung solcher Versprechen erst einmal vornehm zurück. Nicht genug Informationen, die Rahmenbedingungen für die Beteiligungsform sind noch gar nicht bekannt, spekulieren wolle er deshalb lieber nicht, meint Torsten Jensen – aber:

„Auf den ersten Blick wirkt es attraktiv.“

Alles Weitere wird der Markt zeigen – heißt es ja immer so schön in der Finanzwelt.

„Versuchslabor“ Schleswig-Holstein

Zurück nach Kiel, ins Büro des Energiewendeministers. Robert Habeck betrachtet nachdenklich die Landkarten mit den eingezeichneten Trassenvarianten für die geplante Bürgerstromleitung. Akzeptanz schaffen für solch ein Projekt mit Geld – für den Minister ist das kein „unmoralisches Angebot“.

„Man kann sicher darüber streiten, ob das jetzt so eine Art Ablasshandel ist, um Widerstand rauszukaufen. Das würde voraussetzen, dass man auch sagen könnte, wir brauchen die Leitung nicht. Ich sage wir brauchen die Leitung, sie ist Teil der Energiewende – diese Leitung wie vielleicht keine andere – also kann man nur eigentlich sinnvoll darüber streiten: Ist es sinnvoll sich daran zu beteiligen oder nicht – und dann ist meine Antwort ja.“

Die Manager von TenneT werden das gerne hören – sie versprechen sich immerhin einiges von ihrem Projekt, und da können freundliche Worte des Ministers nicht schaden. Und wer weiß – vielleicht wird dieses Pilotprojekt ja wirklich zu einem Vorbild für den Rest der Republik. Eine Vorstellung, mit der der gebürtige Schleswig-Holsteiner Robert Habeck jedenfalls richtig gut leben könnte.

„Wir neigen ja dazu, uns vielleicht ein bisschen selbst zu überschätzen, was die Rolle in der Energiewende angeht – aber: Die Bürgerwindparks wurden hier an der Westküste erfunden, jetzt kommt die Bürgerleitung – also ich sehe das tatsächlich als entscheidendes Versuchslabor, jetzt für die nächsten zwei, drei Jahre zu schauen, welche Erfahrungen man damit sammelt, und dann sollte es im besten Falle übertragbar sein auf weite Strecken in Deutschland. Also da bin ich tatsächlich ganz schön selbstbewusst und sage: Das ist wichtig für die Energiewende und das ist kein Zufall, dass das hier im Norden passiert.“
Strommast (von unten hoch fotografiert)
Strommast (von unten hoch fotografiert)© Jan-Martin Altgeld
Die Sonne scheint über den 110 Meter hohen Windrädern des 14 Kilometer vor der dänischen Küste bei Blavandshuk gelegenen Offshore-Windparks.
Windräder an der Nordseeküste© AP