Der Plattenboss

Von Antja Diekhans · 21.08.2013
Der Laden in der kenianischen Hauptstadt ist winzig, doch die Stammkundschaft lässt sich davon nicht abschrecken. Der Besitzer hat Langspielplatten aus Vinyl von überall her - es gibt Jazz genauso wie Rhythmen aus Kenia. Und wer eine Platte kaufen will, muss verhandeln.
Aus den alten Boxen scheppert der "Jenseits-von-Afrika"-Soundtrack - während nebenan Kartoffeln ins Fett geschmissen werden und Fleisch auf dem Grill brutzelt. Das kleine Musikgeschäft von James Murugami zwängt sich auf dem Kenyatta-Markt in Nairobi zwischen Essensbuden. Mittags steigen ihm von all den Schwaden Tränen in die Augen.

"Das macht mir schon etwas aus. Aber das Gute an dieser Lage ist, dass die meisten Kunden meinen Laden während des Essens entdecken."

In seinen Regalen stapeln sich Kassetten und ein paar CDs. Doch vor allem hat der 50-Jährige LPs.

"Das hat keine geschäftlichen Gründe. Vinyl ist meine Leidenschaft. Ich verdiene nicht viel, aber genug, um meine Familie zu ernähren."

Die Platten kauft er von überall auf. Pop, Rock, Klassik. Ein Konzert von Beethoven steht bei ihm neben Reden des schwarzen Bürgerrechtlers Malcolm X. Seine eigenen Favoriten hat James immer griffbereit.

"Meine Lieblingsmusik ist alter Jazz. Zum Beispiel von Louis Armstrong. Und dann mag ich afrikanische Musik."

Preise bis 20 Euro
Die verkauft sich auch am besten. Vor allem an Sammler. Zuletzt hatte James Kunden aus den USA, Brasilien und Norwegen, die von seinem Laden im Internet gelesen hatten.

Die Preise liegen zwischen umgerechnet 2 und 20 Euro und sind natürlich Verhandlungssache. Einige Schätze gibt der Vinyl-Fan gar nicht ab. Für kein Geld der Welt.

"Ganz spezielle Musik, von der ich weiß, dass ich sie nicht so schnell wieder auf Platte finden werde. Auch die Reden von Malcolm X haben für mich einfach einen hohen Wert. Ich glaube nicht, dass mir jemand einen angemessenen Preis zahlen könnte."

Bald feiert James mit seinem Laden 25-jähriges Jubiläum. Er ist froh, dass er sich noch immer halten kann.

"In den Neunzigerjahren hatten wir hier in Nairobi allein in einer Straße mehr als 30 Musikgeschäfte. Jetzt gibt es dort keines mehr. Das liegt am technischen Fortschritt."

Die Branche hat es auch in Kenia schwer, weil immer mehr Leute Musik aus dem Internet runterladen. Raubkopien sind an vielen Straßenecken zu kaufen. Doch der Plattenliebhaber hat für sich die richtige Nische entdeckt.

"Deshalb habe ich überlebt. Ich habe keine Eile, den Laden zu schließen. Konkurrenz fürchte ich nicht, denn ich verkaufe Vinyl."

Von seinen sechs Kindern teilt die jüngste Tochter die Leidenschaft ihres Vaters. James hofft, dass sie irgendwann übernehmen wird. Doch vorerst steht er selbst noch jeden Tag in dem kleinen Platten-Laden neben den Grillständen.
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