Der Philosoph Saranam Ludvik Mann

Mit Liebe und Sex die Welt verändern

Saranam Ludvik Mann
Saranam Ludvik Mann © picture-alliance/ dpa / Steffen Kugler
Von Stefan May · 03.01.2018
Saranam Ludvik Mann hat seinen Großvater Heinrich nie kennengelernt. Dennoch - so sagt er - haben ihm die Ideen des berühmten Literaten den Weg gewiesen. Als Tantralehrer geht es Mann darum, Tabus zu überwinden und ein lustvoller und liebender Mensch zu werden.
Er ist schlank, hat einen dunklen Teint, trägt lange schwarze Locken und verehrt seinen Großvater Heinrich.
"Ich verehre ihn für seine humanistische Überzeugung, dass Kunst eine aufklärende Funktion hat, um die Gesellschaft zum Besseren zu verändern."
Saranam Ludvik Mann ist Tantralehrer. Seinen Großvater Heinrich verehrt er mehr als dessen noch berühmteren Bruder Thomas.
"Vielleicht mag der Thomas Mann ja noch etwas ausgefeilter, sprachlich, gewesen sein als Heinrich, aber dafür fehlt mir bei ihm das Verehren bestimmter gesellschaftlicher Aspekte wie zum Beispiel der Sexualität, die er immer eher mit Vorsicht beschreibt. Ist klar, warum. Weil er selber seine Homosexualität verdrängt hat, wahrscheinlich aus Karrieregründen."
Saranam Ludvik Mann ist kein Literat wie sein Großvater, aber ein Autor, und er fühlt sich seelenverwandt mit ihm, weil auch er von einem offeneren Ausleben der Gefühle geträumt habe.
"In seinen Büchern strotzt es vor der Verehrung des Sexualaktes. Auch wurde das leider aus den literarischen Institutionen, die ihn erforschen, die ihn publizieren, nicht so in den Vordergrund gestellt wie ich das schon erfahren habe, als ich eben zum Beispiel 'Professor Unrat' oder 'Henri Quatre' oder auch andere Bücher von ihm gelesen habe, unter anderem 'die Göttinnen', wo eine freie Frau beschrieben wird, die sich sexuell durchs Leben fließend bewegt und Männer wie Frauen liebt."

Inseln der Lust

In diesem Roman von 1902 zählt Heinrich Mann drei Vermächtnisse auf, die er machen möchte. Das dritte ist dem Enkel besonders wichtig:
"Das dritte für wunderbare Inseln der Lust, wo die Menschen ohne Not und beinahe ohne Sehnsucht vergessen dürfen, dass es einen Staat, eine Kirche und eine Menschheit gibt, die leidet."
Saranam Mann hat seinen Großvater nie kennen gelernt. Heinrich Mann starb 1950, sechs Jahre später kam sein Enkel zur Welt. Er ist der Sohn von Manns Tochter Leonie und des tschechischen Schriftstellers Ludvik Askenazy. Nach einer Kindheit in der Tschechoslowakei inspirierten ihn die Ideen der 68er-Bewegung, sexuelle Befreiung, Philosophie und Praxis des Tantra. Heute betreibt er mit seiner Familie und Freunden ein Tantra-Institut in Berlin-Schöneberg, das sich selbst als die älteste Tantraschule Europas bezeichnet. Erkenntnisse der Neurowissenschaften bestärken ihn in seiner Überzeugung von der weltverändernden Macht der Liebe.
"In Tantra macht man sich das zunutze, indem man auch sagt: Ja, wenn du vielleicht – jetzt kommt ein quasi skandalöses Tabuthema für viele Menschen noch – wenn du mit fünf Menschen oder zehn Menschen gleichzeitig zärtlich Sexualität erlebst, bis in die höheren lustvollen Erregungszustände, dann passiert ein neuronaler, hormoneller Wandlungsprozess deiner Persönlichkeit und du wirst zum Liebenden, du wirst quasi ständig nur noch voller Liebeshormone und Glückshormone von morgens bis abends deine Schritte so legen, dass die Welt um dich herum von dir durch deine Liebe beschenkt wird. Und so würden sich Strukturen einer ganzen Gesellschaft, ja einer ganzen Welt nach den Prinzipien von tief empfundener Liebe so wandeln, dass wir am Ende eine Erde voller liebender Menschen werden würden."
In seiner Familie waren es Klaus und Erika Mann, die im Berlin der 1920er- und 30er-Jahre ihre Sexualität sehr offen ausgelebt haben. Wobei Klaus Mann…
"Der hat ja aber Selbstmord begangen. Und das war für mich erst einmal so ein bisschen so ein abschreckendes Beispiel: Ach, da kommt man so weit, wenn man sich sozusagen nicht in die bürgerlichen Normen der Sexualität einsperren lässt, dann wird man irgendwann auch daran scheitern, daran zerbrechen."

Sex entspannt und macht glücklich

Die literarisch verarbeiteten Ideen seines Großvaters Heinrich wiesen ihm einen anderen Weg.
"Das war für mich sehr, sehr berührend, den Weg der Erfahrung zu gehen, indem plötzlich im Tantra Wege beschritten wurden, die jenseits aller gesellschaftlich aufoktroyierten Tabus einfach nur darauf achten, dass der einzelne in die Lage versetzt wird, sich selbst zu ermächtigen, ein lustvoller und liebender Mensch zu sein.
Sex, das ist heute längst nachgewiesen, macht entspannt, macht gesund, macht fröhlich, lässt die Menschen jünger aussehen, und vor allem das großartige Zitat des Biologen Damasio, der gesagt hat: Wir wollen das Zitat von Descartes ersetzen: Ich denke, also bin ich, durch das Zitat: Ich fühle, also bin ich."
Ans Ende seines Buches "Hautgeflüster", das Saranam Ludvik Mann seinem Großvater Heinrich gewidmet hat, stellt er eigene Gedichte im Stil japanischer Haikus. Gedichte, die seiner Philosophie und dem Untertitel des Buches "Der zärtliche Weltfrieden" entsprechen:
"Lustvoller Krieger, lass mich deinen Mund mit Küssen bedecken, o Fühlender, o Edelgeborener. Lass uns im Rausch unserer Sinne vergessen, dass wir Krieg wollten."
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