Der perfekte Sound

Von Philip Banse · 29.07.2008
Wenn es darum geht, einen guten Sound in Räume zu bringen, sind Stereo, HiFi und Dolby Surround die gängigen Systeme. Doch es geht noch perfekter: Die Wellenfeldsynthese aus 2700 Lautsprechern ist das größte Projekt dieser Art und wird zurzeit an der TU Berlin entwickelt. Damit lässt sich sogar die Akustik des Kölner Doms in den Berliner Hörsaal verlagern.
Hörsaal 104 der TU Berlin, 650 Sitzplätze. Auf den ersten Blick ein Hörsaal wie jeder andere. Doch auf Kopfhöhe sind an allen vier Wänden Lautsprecher montiert, insgesamt 2700, dicht an dicht, so dass sie ein gut 80 Meter langes, umlaufendes Lautsprecher-Band ergeben. Zu hören ist eine spezielle Komposition für diese neuartige Raumklang-Anlage.
Das 80 Meter lange Lautsprecherband an der Wand ist das Herz der weltgrößten Anlage für Wellenfeldsynthese, einem Verfahren, mit dem sich ein extrem realistischer, räumlicher Klang erzeugen lässt. Diemer de Vries von der Universität Delft hat das Verfahren maßgeblich entwickelt und erklärt, warum es herkömmlichen Stereo- aber auch Surround-Systemen überlegen ist.

"Bei Stereo soll man in der Mitte sitzen. Mit Surround - vielleicht gibt es fünf bis zehn Plätze, wo es mehr oder weniger natürlich klingt, aber mehr nicht. Mit Wellenfeldsynthese kann man sich im ganzen Lautsprecherbereich bewegen, und da ist die ganze Akustik natürlich."

Akustik-Experte de Vries nennt ein Beispiel: Auf der Leinwand fällt eine Vase um, rollt auf die Zuschauer im Kino zu, rollt aus der Leinwand heraus, ist jetzt nur noch zu hören und kullert akustisch durch die Zuschauerreihen.

"Normalerweise, wenn man das mit Dolby macht, soll man in der Mitte sitzen, um das wirklich zu hören. Hier habe ich es angehört links vorne, rechts hinten und überall hört man diese Vase wirklich rund gehen. Und das kann man nur mit Wellenfeldsynthese machen, das kann man nicht mit Dolby, nicht mit anderen Wiedergabeformaten machen. Das ist das Spezielle von Wellenfeldsynthese."

Raumklang unabhängig vom Standort – das funktioniert, weil es mit den vielen Lautsprechern möglich ist, Schallquellen – ein Musik-Instrument, ein Flugzeug, eine Vase – an einem ganz bestimmten Ort im Raum akustisch zu platzieren. Für Zuhörer in der ersten Reihe kommt der Klang dann von hinten, für Menschen in der zehnten Reihe von vorn, sagt Prof. Stefan Weinzierl von der TU Berlin:

"Das Schallfeld einer Schallquelle – ob es nun eine Biene ist oder ein Sprecher – wird physikalisch reproduziert. Das heißt, das Schallfeld ist so wie es ist. Und damit hört es auch jeder - egal, wo er im Raum sitzt - an dieser Stelle."

Der Hörsaal in der TU Berlin ist die größte Anlange für Wellenfeldsynthese, aber nicht die erste. Nach langer Skepsis werden diese Raumklangsysteme auf der ganzen Welt installiert. Der MP3-Erfinder Karlheinz Brandenburg hat IOSONO gegründet - eine Firma, die dreidimensionalen Klang kommerziell vermarktet. Das Berliner System ist anders, sagt der verantwortliche Projektleiter Weinzierl.

"Es ist ein freies System, das heißt die ganze Software, die hier eingesetzt wird, ist Open Source. Das heißt, eine weltweite Entwicklergemeinde kann an diesem System mitarbeiten – anders als bei einer Ausgründung, die natürlich damit Geld verdienen muss."

Der 3D-Klang ist neuartig, aber sehr teuer. 500.000 Euro hat das System im Hörsaal der TU Berlin gekostet. Dennoch fallen den Organisatoren zahlreiche Anwendungen für die Wellenfeldsynthese ein.
Der Komponist Ludger Brümmer vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM in Karlsruhe hat erste Musikstücke für Wellenfeldsynthese geschrieben und sie im Hörsaal der TU jetzt erstmals gehört:

"Riesig. Es war ein riesiger, plastischer Raum, in dem sich die Klänge verteilen und dadurch wird alles so klar und durchsichtig."

Der Komponist erklärt das Neue an der Wellenfeldanalyse mit dem sogenannten Partyeffekt, bei dem man im allgemeinen Gemurmel sofort hört, wenn der eigene Name fällt.

"Und das kann ich mit Hilfe der räumlichen Positionierung machen. Wenn alle diese Klangquellen auf der gleichen Position wären, keine Rauminformation hätten, dann ginge das nicht. Wenn ich also komplexe Klänge haben, die im Raum verteilt sind, dann kann ich reinhören, reinzoomen in einzelne Klänge und die Details viel deutlicher wahrnehmen."

Weitere Anwendungen der Wellenfeldsynthese sind Erforschung von Schallwellen, Diskotheken, Videokonferenzen mit vielen Teilnehmern und 3D-Kinos, bei denen nicht nur das Auto aus der Leinwand fährt, sondern auch der Klang des Autos. Besonders reizvoll ist jedoch die Möglichkeit, die Akustik von Räumen in andere Räume zu übertragen, sagt Prof. Stefan Weinzierl von der TU Berlin:

"Wir werden zum Beispiel im nächsten Jahr ein Konzert aus dem Kölner Dom hier übertragen - und zwar so, dass auch die Akustik des Raums, also das Gefühl: Ich sitze im Kölner Dom - mit seiner sieben Sekunden langen Nachhallzeit hier mit übertragen wird, und die Orgel als Schallquelle hier vorne auf der Bühne hörbar sein wird.

Die Nachfrage ist sehr groß, weil immer mehr Räume als Mehrzweckräume geplant sind. Das heißt, da sollen nicht nur Konzerte stattfinden, da sollen auch Kongresse stattfinden, und da soll auch noch ein Film gezeigt werden. Und diese variable Raumakustik kann mit dem System elektronisch sehr gut generiert werden."

Diemer de Vries, einer der Väter der Wellenfeldsynthese, arbeitet an einer anderen Anwendung seiner Technik: Der sprechenden Leinwand.

"Das kann man als Lautsprecher benutzen, dann strahlt es Schall ab. Man kann aber auch gleichzeitig Bilder drauf projizieren. Dann kann man singende Gemälde machen, wo man sagt: Ach ja, ich sehe ein Bild, und da spricht einer auf dem Bild und der Schall kommt auch wirklich aus dem Mund des Bildes."