Der Palmenretter aus Klein Görnow
Ursprünglich stammt der Rote Palmenrüsselkäfer aus den tropischen Gebieten Asiens. Doch der Käfer breitet sich immer weiter aus und richtet auch in Europa erheblichen Schaden an. Benedikt von Laar macht mit akustischen Mitteln Jagd auf das gefräßige Insekt.
Der Feind ist rot, rückt von Osten vor und hinterlässt gebrochene Existenzen.
Ein rüsselbewährtes Insekt frisst sich unsichtbar durch die Palmenhaine der Welt und hinterlässt eine Spur der Verwüstung.
Die Spur der Verwüstung zieht sich von Südostasien bis nach Spanien Und er rückt uns langsam auf die Pelle. Aus Wien kam gerade ein Hilferuf von Restauratoren. Das rüsselbewährte Insekt knabbert gerade die Särge von Beethoven und Brahms weg.
Und Mecklenburg-Vorpommern? Es ist erwiesen, dass der Rote Palmenrüsselkäfer auch auf Ananas scharf ist und gerne Bananen frisst. Und Palmen sind ja schon mancherorts aufgestellte Objekte der Zierde.
Das ist der Kornkäfer, nur zwei Millimeter groß und hierorts ein schon lange beheimateter Schädling. Und damit sind wir beim Kern der Sache, die Fernost mit Mecklenburg-Vorpommern, Wien mit Görnow verbindet: der große Lauschangriff auf Schädlinge. Und so beginnt die Görnower Geschichte wenig überraschend in Saudi-Arabien. Aber der Reihe nach.
Der Bioakustiker Benedikt von Laar lebt seit 1997 in Mecklenburg und hat das erste erfolgsträchtige Rezept gegen den "Roten Palmenrüsselkäfer".
"Ich fühl mich nicht als Feind des Käfers, Ich hatte eine Diskussion mit einem Freund aus Arabien und da habe ich nur gefragt, warum wendet ihr nicht das an, was wir, unser Kulturkreis, von euch gelernt hat: Und zwar, wenn ich einen Feind bekämpfen will, dann muss ich ihn erst studieren. Es ist ein faszinierendes Tier, ich habe persönlich überhaupt nichts gegen den Red palm vivel. Er hat immer eine neue Überraschung und es dokumentiert wiederum die Hilflosigkeit; mit eindimensionalen Denken kommt man dem Kerl nicht bei."
Der Kerl, ein leuchtend rosaroter Käfer, bewegt sich in einem Klarsichtbehälter, träge wechselt der Sechsbeiner mit dem markanten Rüsselfortsatz am Kopf die Position. Zur Wohlfühltemperatur fehlen dem Rhynchophorus ferrugineus einige Wärmegrade. Umso aktiver ist das prächtige Insekt in Gefilden, die einige Breitengrade südlicher liegen als das Dorf Görnow bei Sternberg in Mecklenburg.
"Gehen Sie ganz dicht hinter mir. Sollte irgendetwas rauskriechen: nur stehen bleiben, nichts machen, bloß nicht nervös werden, rumtanzen oder sonst was."
Der Hausherr steuert zielgerichtet durch sein Anwesen, das den Eindruck erweckt, nach dem letzten Sturmtief sei nicht aufgeräumt worden. Der Eindruck täuscht, denn die im Gras herumliegenden Bleche sind Monitore in eine wunderbare und vielfältige Natur.
"Das sind Monitorbleche, um das Vorhandensein zu dokumentieren bei welcher Sonneneinstrahlung, Temperatur und eben einen Überblick zu haben, welche Arten vorkommen."
Deshalb ist er hergezogen. Der studierte Biologie-Geografie-Pädagoge, Landschaftsökologe und IT-Fachmann. Er kam mit seiner Familie 1997 nach Mecklenburg in dieses 18-Seelendorf am Rande des Naturschutzgebietes im Warnowtal.
"Bewogen hat mich hierher zu kommen, die naturräumliche Ausstattung, weil das ein Lebensinhalt von mir ist, besser gesagt von meiner Familie Und das hier die Biodiversität enorm hoch ist. Das sieht man hier, da man alle Tiergruppen noch komplett vorfinden, dass man hier in Mecklenburg Pflanzengesellschaften noch nach Lehrbuch finden kann."
Unter den warmen Blechen leben Kreuzotter, Blindschleiche; in einem Gestrüpp ein Zauneidechsepaar, die größte Echsenart in Mecklenburg. Alle sind an ihrem Platz, als hätten sie nur auf den Hausherrn gewartet. Auch der Ameisenlöwen in seinem Trichter wirf mit Sand, als wäre er mit Benedikt von Laar verabredet. Der Hausherr imitiert eine Ameise und der Löwe schmeißt mit Sand, weil er spürt, eine Ameise ist in seinen Trichter gefallen.
"Ne Ameise zu simulieren ist ein bisschen schwierig."
Ist die Natur vor der Haustür ein aufgeschlagenes Lehrbuch, so kann man sich das Interieur des Hauses, das im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umgebaut wurde, als einen Entwurf für ein Bühnenbild eines Theaterstück vorstellen, das um 1900 spielt. Doch der Hausherr hat es mit sehr gegenwärtigen Problemen zu tun, für deren Lösung seine Firma effektive und umweltschonende Rezepte entwickelt hat.
"Wir arbeiten in einem Bereich, in dem wir absolutes Neuland betreten. Man weiß in der Bioakustik nicht, womit man spielt, man muss Sorge tragen, dass man alle möglichen Informationen noch aus dem Gelände mitnimmt. Und wenn man dann mit Aufnahmemedien arbeitet, die mit dem Kompressionsverfahren arbeiten auf Reduktionsbasis, dann nehme ich im Vorfeld schon billigend in Kauf, dass ich alle Informationen, die mir zur Verfügung stehen würden mit nach Hause nehmen würde und somit auch meine Aussagen in Bezug auf diese Aufnahmen begrenz sind. Ist das halbwegs, ist das zu böhmisch?"
Nicht wenn sie greifbar, in diesem Fall hörbar gemacht werden können. Die akustischen Beispiele von Insekten hat er seinem Laptop parat.
"Das ist, um ein besseres Gefühl zu kriegen. Das ist ein Riesenabendsegler, ein irrer Sound."
"Man hört sehr schön die Echos von der Hauswand. Dann Totenkopfschwärmer. Ein Nachtfalter, ähnlich wie bei den Fledermäusen der Ortungsrufsequenzen pulsförmig."
Dann kommen wir zu den Projekten der Schädlingsbekämpfung. Herr von Laar stellt ein Glas gefüllt mit Getreidekörnern auf den Tisch.
Der Bioakustiker steckt das Mikro in die Körner und im Kopfhörer melden sich Fressgeräusche des Kornkäfers.
Ich höre zum ersten Mal in meinem Leben solche Geräusche und empfinde eine gewisse Lustigkeit.
"Ja, bloß dieser Spaß vergeht spätestens, wenn sie gleichzeitig Hauseigentümer sind. Dann hört der Spaß auf. Zurück zum Red palm vivel. Da sind wir in der Lage, die Soundevents in Klassen zu unterteilen. Bewegungsgeräusche. Das erste sind Laufgeräusche in der Palme, das klingt wie folgt."
"Dann ebenfalls zur 1. Klasse gehört das Bohren der Löcher für die Eiablage. Das ist jetzt das Weibchen."
"Dann die Fraßgeräusch der Larve. Das ist schon Klasse 2."
"Dann das Spinnen des Kukkons, wenn die Vorpuppe den Kukkon spinnt für die weitere Verpuppung."
Diese erzeugten Soundsequenzen seiner weltweit einzigartigen Hightech-Lauschanlage, lassen die Fachwelt aufhorchen. Der Detektor arbeitet mit 80 Dezibel Verstärkung - das heißt, er hebt Geräusche auf Düsenjet-Niveau an. Wie kam er darauf, sich den Roten Palm Rüsselkäfer zum Gegenstand seiner Forschung zu machen?
"Auslöser war eine Anfrage, so einfach, wie es im Leben ist, aus der Allasau Oase im Osten von Saudi-Arabien, die über unsere Internetseite gestolpert sind und gefragt haben, ist es eigentlich möglich? Kann Bioakustik eine Antwort darauf geben, ob eine Palme vom Rüsselkäfer befallen ist, oder nicht? Und das war der Anstoß."
Der Anstoß hat Folgen, weit über das Dorf Görnow hinaus. Der Bioakustiker reist auf Einladungen von Regierungen und UN-Behörden zu Vorträgen in die Emirate. Das "Wall Street Journal" hat um ein Interview gebeten. Die mit einem flexiblen Spezialisten-Netzwerk aus ganz Deutschland entwickelten BvL-Geräten sind weltweit im Einsatz, denn die Bioakustik ist die einzige Methode, um eine Früherkennung von befallenen Palmen vorzunehmen. Dadurch kann man in die Spitze der Epidemie gehen, sagt Benedikt von Laar, und durch radikale Einschnitte die Epidemie verhindern, aber:
"Es sind immer wieder die gleichen Handlungskonzepte, die auf der Welt angewandt werden: Man versucht es mit dem Massenfang über Fallen. Setzt da Fermone ein, obwohl man beim Rüsselkäfer nicht weiß, wie die Feromone funktionieren sollen, weil es dummerweise nicht so ganz zur Biologie des Käfers passt. Und das Risiko besteht darin, dass man die Käfer in Bereiche hineinzieht, wo die vorher noch nicht waren. Die nächste Antwort des Menschen ist dann meistens der ungezügelte Einsatz von Pestiziden, womit dann die letzten Prädatoren auch weg geräumt werden. Und lediglich in der Endkonsequenz der Käfer von der Palme noch geschützt wird, denn er wird nicht erreicht von den Pestiziden. Man erwischt aber alle anderen Strukturen im gesamten Haus. Umso gewaltiger kann er sein Werk fortsetzen."
Erstaunlich daher, dass Behörden und Konzerne bis dato wenig Interesse an einer Veränderung dieses Zustandes zeigen.
"Die Verbreitung ist fast schon amüsant. Der Tourist möchte gern Bahamafeeling zum Ökonomietarif. Deshalb sind die Kanarischen Inseln interessant, klimatisch begünstigt, das haben halt auch einige Hoteliers erfahren. So baut man neue Hotelkomplexe in windeseile, um auch den Bedarf zu decken, bloß zum Bahamafeeling fehlen entsprechende Palmen."
"Diese Palmen kamen in der Regel aus Ägypten, wobei Bereiche im Nildelta bis zu 90 Prozent befallen sind, das ist meine Information. Jedenfalls ist ein Farmer, der von dem Befall weiß, auch nicht böse darüber, wenn ein Aufkäufer kommt und ihm noch 150 Euro gibt, wobei die gleiche Palme einen Straßenpreis auf den Kanaren erzielt von 3000 Euro. Das ganze ist ein lukratives Geschäft, ohne dann die Risiken in Betracht zu ziehen, dass man im Handgepäck diesen Käfer hat. Erschreckend dabei ist, dass dann diese Invasion völlig ungebremst auf unvorbereitete Behörden trifft."
Mit seinen bioakustischen Geräten erreicht der Bioakustiker aus Görnow eine Trefferquote von 97 Prozent. Trotz der hochsensiblen Technik ist das aber ein mühseliger Weg, der viel Erfahrung, Geld, Konsequenz und Hartnäckigkeit fordert.
"Das ist dann wieder die Faszination, welches komplexe Gefüge die Natur bereitstellt hält, wie alles ineinander greift; und ich muss ganz einfach sagen: Die Gier letztendlich, das Ausbreitungsproblem ist eindeutig die Gier. Das nicht warten können, nicht normalen Prozessen die Zeit zu geben und wenn man nicht abwarten kann, dann nur halbherzig vorzugehen, das heißt jegliche Vernachlässigung von Kontrollmechanismen. Der aktuelle Stand ist: die Kanarischen Inseln sind befallen, Zentralspanien ist inzwischen komplett befallen. Dann der letzte Stand ist dann, Mallorca gehört auch zum Kreise derer, die befallen sind. Südfrankreich teilweise ist er aufgetreten, dann Sizilien, Neapel, Rom, Toskana, Kreta, Zypern, Rhodos."
Unvorstellbar, was passiert, wenn der Käfer auf andere Bäume überspringt. Ananas ist möglich. Dass er die Frucht der Bananenstaude frisst, kann Benedikt von Laar beweisen. Und wie soll der Mensch seinen Ramadan feiern, wenn keine Dattelpalmen mehr da sind.
"Es ist relativ, es ist eigentlich relativ. Das Problem ist, dass der Mensch mal wieder keine Zeit hat. Irgendwann, wenn man eigentlich der Struktur der Biologie oder der Ökologie folgen würde, dann bedeutet das, das ist dann okay, dann lass ihn gewähren, den red palm vivel. Dann frist er erst alle Palmen weg, man muss nur genug Zeit haben. Und wenn er irgendwann keine Nahrung mehr hat, dann bricht seine Population zusammen. Aber die Frage ist ja in dem Spiel: Hat der Mensch so viel Zeit abzuwarten? Insofern sind wir doch nicht so weit vom Red palm vivel weg. Wer weiß?"
Heimfahrt durch ein Mecklenburger Idyll: Grüne Weiden, gelbe, wahrscheinlich genmanipulierte Rapsfelder, ein Habicht kreist in der Luft, Vögel zwitschern und es duftet wie in Gottes Parfümladen: und über der Landschaft steht die Frage: Warum leben wir mit Problemen, die kluge Menschen lösen können.
Der Englische Garten
Von Barbara Roth
Ein gern genutztes Motiv, wenn es um Schön-Wetter-Meldungen im Fernsehen geht, ist der Englische Garten in München. Bilder der Erholung werden gereicht, Ansichten einer heilen Welt. Doch in den Bildern, genauer in den Bäumen ist der Wurm drin. Er verändert die Motive sichtbar. Barbara Roth berichtet, warum und wie.
Sobald die Sonne scheint, zieht der Englische Garten in München die Menschen magisch an. Dann tollen Kinder durch die weitläufige Parkanlage. Es treffen sich Musiker zu Konzerten. Und Liebespärchen machen es sich auf Decken gemütlich. Auch für Dr. Thomas Jung ist dann die Zeit gekommen, sich um die Buchen im Park zu kümmern. Er spritzt eine bläuliche Flüssigkeit an den Stamm.
"Das ist ein Mittel, das die Abwehrkräfte der Bäume ankurbelt in der Wurzel gegen den Phytophthora-Pilz. Das wird über den Stamm verabreicht und dann mit dem Saftstrom in die Wurzel transportiert."
Das Pflanzenschutzmittel ist für den Menschen ungiftig und wird der Buche ein Mal pro Jahr verabreicht. Jung ist Forstwissenschaftler und international als führender Phytophthora-Experte anerkannt. Von der australischen Regierung wurde er zum Beispiel beauftragt, die Pilzerkrankung in den Eukalyptus–Wäldern zu erforschen.
"Jeder von uns hat gerne schöne Rhododendron in seinem Garten stehen, die abstrus, toll blühen. Also sind sogenannte Rhododendronjäger unterwegs in den chinesischen Provinzen und suchen die, nehmen sie mit Wurzelballen nach Europa mit, es gibt keine Quarantäne-Bestimmungen, die dies verbieten, diese Erde sind völlig versucht mit asiatischen Pilzen und die kommen dann hier in die Baumschulen und werden weiter verbreitet, in die Parks, in die Gärten und die Wälder."
15 Unterarten dieses asiatischen Pilzes sind in Europa mittlerweile bekannt. Nur europäische Laubbäume sind dagegen nicht resistent.
"Es gibt im ganzen Englischen Garten nicht eine einzige Buche, die nicht krank ist. Die Frage ist nur, wie krank."
Jung steht unter einer rund 180-jährigen Buche, die mit Gründung des Parks im Herzen Münchens gepflanzt worden war. Es sind diese alten, mächtigen Bäume, die das Bild und den Flair des Englischen Gartens ausmachen.
"Durch eine Buchenkrone dürften sie den Himmel nicht sehen. Wenn Sie jetzt da rauf schauen, dann sehen sie überall den blauen Himmel. Diese Pilze töten die Feinwurzel ab. Und deswegen sterben die Kronen so zurück, egal wie nass sie stehen. Alles, was sie da oben jetzt an blauem Himmel sehen, ist verlorene Blattmasse. Der Pilz erstört die Wurzel, der Baum kann kein Wasser mehr ziehen. Da sieht man genau, dass die Krone schon zu 40 oder 50 Prozent kaputt ist, tot ist."
Ob er die Buche noch retten kann? Jung schüttelt den Kopf. Gegen den aggressiven Pilz hilft bei alten Bäumen nichts. Das Mittel, das er versprüht, kann den Verlauf der Erkrankung nur hinaus zögern. Er zeigt auf eine dominante Baumgruppe an einer Weggabelung. Einst standen hier sechs mächtige Buchen. Drei waren nicht mehr zu retten. Sie sind im letzten Winter der Axt zum Opfer fallen – wegen Verkehrssicherheitsgefährdung. Einen Unfall wegen fallender Äste könnte sich die Parkverwaltung nicht erlauben.
"Es ist abstrus, was hier für Gestalten rum stehen im Englischen Garten, aber das ist überhaupt keine Ausnahme: Ob es der Dürnberg Park in Regensburg ist, ob es der Siebentischpark in Augsburg ist, ob es die Schlossparkanlagen auf Herrenchiemsee sind, ob der Nymphenburgpark ist, bei der Eiche, Linde oder Buche, das ist völlig egal, die schauen alle gleich schlimm aus. Und wenn man ihnen nicht hilft mit so einem Mittel, dann werden diese alten Bäume in den nächsten zehn Jahre alle verschwinden."
Der Englische Garten in München – und nicht nur der – wird sich verändern. Er wird lichter und heller werden, denn bis die als Ersatz gepflanzten Buchen groß sind, werden Jahrzehnte vergehen. Nur – wer weiß das? Keine zehn Meter von der Buche entfernt, die Jung behandelt, liegen Leute im Schatten der Bäume ahnungslos im Gras und lesen.
"Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Weiß aber keiner, oder? Es nirgendswo. Haben das alle hier? Oh."
Thomas Jung wundert sich nicht. Den Menschen werde weiß gemacht, dass die Laubbäume im Englischen Garten unter der allgemeinen Luftverschmutzung leiden. Was seinen Forschungsergebnissen nach nicht stimmt.
"Ich war jahrelang in Weihenstephan beschäftigt und hatte einen Maulkorberlass vom Ministerium. Da hat sich die Staatskanzlei selber beim Präsidenten beschwert, dass ich die Wahrheit sage. Und dann durfte ich bestimmte Begriffe nicht mehr verwinden: wie beispielsweise Seuche und Epidemie durften nicht mehr in Interviews vorkommen, damit man den Verbraucher schön im Blöden lässt."
Mittlerweile hat sich Jung selbständig gemacht. Im Englischen Garten ist er für die Bayerische Schlösserverwaltung unterwegs, die dem Finanzministerium untersteht. Im eigentlich zuständigen Landwirtschaftsministerium aber findet er mit seiner Forschungsarbeit kein Gehör: Von offizieller Seite werde nicht anerkannt, was in den deutschen Parks eigentlich los ist.
"Der Staat selber macht gar nichts. Der hat die Forschung komplett eingestellt mit denen Pilzen. Das ist die übliche Reaktion von Beamten: Wenn ein Problem auftritt, gar nicht versuchen, es zu lösen, sondern versuchen, es tot zu schweigen."
Für die alten Buchen im Englischen Garten ist es sowieso längst zu spät.
Ein rüsselbewährtes Insekt frisst sich unsichtbar durch die Palmenhaine der Welt und hinterlässt eine Spur der Verwüstung.
Die Spur der Verwüstung zieht sich von Südostasien bis nach Spanien Und er rückt uns langsam auf die Pelle. Aus Wien kam gerade ein Hilferuf von Restauratoren. Das rüsselbewährte Insekt knabbert gerade die Särge von Beethoven und Brahms weg.
Und Mecklenburg-Vorpommern? Es ist erwiesen, dass der Rote Palmenrüsselkäfer auch auf Ananas scharf ist und gerne Bananen frisst. Und Palmen sind ja schon mancherorts aufgestellte Objekte der Zierde.
Das ist der Kornkäfer, nur zwei Millimeter groß und hierorts ein schon lange beheimateter Schädling. Und damit sind wir beim Kern der Sache, die Fernost mit Mecklenburg-Vorpommern, Wien mit Görnow verbindet: der große Lauschangriff auf Schädlinge. Und so beginnt die Görnower Geschichte wenig überraschend in Saudi-Arabien. Aber der Reihe nach.
Der Bioakustiker Benedikt von Laar lebt seit 1997 in Mecklenburg und hat das erste erfolgsträchtige Rezept gegen den "Roten Palmenrüsselkäfer".
"Ich fühl mich nicht als Feind des Käfers, Ich hatte eine Diskussion mit einem Freund aus Arabien und da habe ich nur gefragt, warum wendet ihr nicht das an, was wir, unser Kulturkreis, von euch gelernt hat: Und zwar, wenn ich einen Feind bekämpfen will, dann muss ich ihn erst studieren. Es ist ein faszinierendes Tier, ich habe persönlich überhaupt nichts gegen den Red palm vivel. Er hat immer eine neue Überraschung und es dokumentiert wiederum die Hilflosigkeit; mit eindimensionalen Denken kommt man dem Kerl nicht bei."
Der Kerl, ein leuchtend rosaroter Käfer, bewegt sich in einem Klarsichtbehälter, träge wechselt der Sechsbeiner mit dem markanten Rüsselfortsatz am Kopf die Position. Zur Wohlfühltemperatur fehlen dem Rhynchophorus ferrugineus einige Wärmegrade. Umso aktiver ist das prächtige Insekt in Gefilden, die einige Breitengrade südlicher liegen als das Dorf Görnow bei Sternberg in Mecklenburg.
"Gehen Sie ganz dicht hinter mir. Sollte irgendetwas rauskriechen: nur stehen bleiben, nichts machen, bloß nicht nervös werden, rumtanzen oder sonst was."
Der Hausherr steuert zielgerichtet durch sein Anwesen, das den Eindruck erweckt, nach dem letzten Sturmtief sei nicht aufgeräumt worden. Der Eindruck täuscht, denn die im Gras herumliegenden Bleche sind Monitore in eine wunderbare und vielfältige Natur.
"Das sind Monitorbleche, um das Vorhandensein zu dokumentieren bei welcher Sonneneinstrahlung, Temperatur und eben einen Überblick zu haben, welche Arten vorkommen."
Deshalb ist er hergezogen. Der studierte Biologie-Geografie-Pädagoge, Landschaftsökologe und IT-Fachmann. Er kam mit seiner Familie 1997 nach Mecklenburg in dieses 18-Seelendorf am Rande des Naturschutzgebietes im Warnowtal.
"Bewogen hat mich hierher zu kommen, die naturräumliche Ausstattung, weil das ein Lebensinhalt von mir ist, besser gesagt von meiner Familie Und das hier die Biodiversität enorm hoch ist. Das sieht man hier, da man alle Tiergruppen noch komplett vorfinden, dass man hier in Mecklenburg Pflanzengesellschaften noch nach Lehrbuch finden kann."
Unter den warmen Blechen leben Kreuzotter, Blindschleiche; in einem Gestrüpp ein Zauneidechsepaar, die größte Echsenart in Mecklenburg. Alle sind an ihrem Platz, als hätten sie nur auf den Hausherrn gewartet. Auch der Ameisenlöwen in seinem Trichter wirf mit Sand, als wäre er mit Benedikt von Laar verabredet. Der Hausherr imitiert eine Ameise und der Löwe schmeißt mit Sand, weil er spürt, eine Ameise ist in seinen Trichter gefallen.
"Ne Ameise zu simulieren ist ein bisschen schwierig."
Ist die Natur vor der Haustür ein aufgeschlagenes Lehrbuch, so kann man sich das Interieur des Hauses, das im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umgebaut wurde, als einen Entwurf für ein Bühnenbild eines Theaterstück vorstellen, das um 1900 spielt. Doch der Hausherr hat es mit sehr gegenwärtigen Problemen zu tun, für deren Lösung seine Firma effektive und umweltschonende Rezepte entwickelt hat.
"Wir arbeiten in einem Bereich, in dem wir absolutes Neuland betreten. Man weiß in der Bioakustik nicht, womit man spielt, man muss Sorge tragen, dass man alle möglichen Informationen noch aus dem Gelände mitnimmt. Und wenn man dann mit Aufnahmemedien arbeitet, die mit dem Kompressionsverfahren arbeiten auf Reduktionsbasis, dann nehme ich im Vorfeld schon billigend in Kauf, dass ich alle Informationen, die mir zur Verfügung stehen würden mit nach Hause nehmen würde und somit auch meine Aussagen in Bezug auf diese Aufnahmen begrenz sind. Ist das halbwegs, ist das zu böhmisch?"
Nicht wenn sie greifbar, in diesem Fall hörbar gemacht werden können. Die akustischen Beispiele von Insekten hat er seinem Laptop parat.
"Das ist, um ein besseres Gefühl zu kriegen. Das ist ein Riesenabendsegler, ein irrer Sound."
"Man hört sehr schön die Echos von der Hauswand. Dann Totenkopfschwärmer. Ein Nachtfalter, ähnlich wie bei den Fledermäusen der Ortungsrufsequenzen pulsförmig."
Dann kommen wir zu den Projekten der Schädlingsbekämpfung. Herr von Laar stellt ein Glas gefüllt mit Getreidekörnern auf den Tisch.
Der Bioakustiker steckt das Mikro in die Körner und im Kopfhörer melden sich Fressgeräusche des Kornkäfers.
Ich höre zum ersten Mal in meinem Leben solche Geräusche und empfinde eine gewisse Lustigkeit.
"Ja, bloß dieser Spaß vergeht spätestens, wenn sie gleichzeitig Hauseigentümer sind. Dann hört der Spaß auf. Zurück zum Red palm vivel. Da sind wir in der Lage, die Soundevents in Klassen zu unterteilen. Bewegungsgeräusche. Das erste sind Laufgeräusche in der Palme, das klingt wie folgt."
"Dann ebenfalls zur 1. Klasse gehört das Bohren der Löcher für die Eiablage. Das ist jetzt das Weibchen."
"Dann die Fraßgeräusch der Larve. Das ist schon Klasse 2."
"Dann das Spinnen des Kukkons, wenn die Vorpuppe den Kukkon spinnt für die weitere Verpuppung."
Diese erzeugten Soundsequenzen seiner weltweit einzigartigen Hightech-Lauschanlage, lassen die Fachwelt aufhorchen. Der Detektor arbeitet mit 80 Dezibel Verstärkung - das heißt, er hebt Geräusche auf Düsenjet-Niveau an. Wie kam er darauf, sich den Roten Palm Rüsselkäfer zum Gegenstand seiner Forschung zu machen?
"Auslöser war eine Anfrage, so einfach, wie es im Leben ist, aus der Allasau Oase im Osten von Saudi-Arabien, die über unsere Internetseite gestolpert sind und gefragt haben, ist es eigentlich möglich? Kann Bioakustik eine Antwort darauf geben, ob eine Palme vom Rüsselkäfer befallen ist, oder nicht? Und das war der Anstoß."
Der Anstoß hat Folgen, weit über das Dorf Görnow hinaus. Der Bioakustiker reist auf Einladungen von Regierungen und UN-Behörden zu Vorträgen in die Emirate. Das "Wall Street Journal" hat um ein Interview gebeten. Die mit einem flexiblen Spezialisten-Netzwerk aus ganz Deutschland entwickelten BvL-Geräten sind weltweit im Einsatz, denn die Bioakustik ist die einzige Methode, um eine Früherkennung von befallenen Palmen vorzunehmen. Dadurch kann man in die Spitze der Epidemie gehen, sagt Benedikt von Laar, und durch radikale Einschnitte die Epidemie verhindern, aber:
"Es sind immer wieder die gleichen Handlungskonzepte, die auf der Welt angewandt werden: Man versucht es mit dem Massenfang über Fallen. Setzt da Fermone ein, obwohl man beim Rüsselkäfer nicht weiß, wie die Feromone funktionieren sollen, weil es dummerweise nicht so ganz zur Biologie des Käfers passt. Und das Risiko besteht darin, dass man die Käfer in Bereiche hineinzieht, wo die vorher noch nicht waren. Die nächste Antwort des Menschen ist dann meistens der ungezügelte Einsatz von Pestiziden, womit dann die letzten Prädatoren auch weg geräumt werden. Und lediglich in der Endkonsequenz der Käfer von der Palme noch geschützt wird, denn er wird nicht erreicht von den Pestiziden. Man erwischt aber alle anderen Strukturen im gesamten Haus. Umso gewaltiger kann er sein Werk fortsetzen."
Erstaunlich daher, dass Behörden und Konzerne bis dato wenig Interesse an einer Veränderung dieses Zustandes zeigen.
"Die Verbreitung ist fast schon amüsant. Der Tourist möchte gern Bahamafeeling zum Ökonomietarif. Deshalb sind die Kanarischen Inseln interessant, klimatisch begünstigt, das haben halt auch einige Hoteliers erfahren. So baut man neue Hotelkomplexe in windeseile, um auch den Bedarf zu decken, bloß zum Bahamafeeling fehlen entsprechende Palmen."
"Diese Palmen kamen in der Regel aus Ägypten, wobei Bereiche im Nildelta bis zu 90 Prozent befallen sind, das ist meine Information. Jedenfalls ist ein Farmer, der von dem Befall weiß, auch nicht böse darüber, wenn ein Aufkäufer kommt und ihm noch 150 Euro gibt, wobei die gleiche Palme einen Straßenpreis auf den Kanaren erzielt von 3000 Euro. Das ganze ist ein lukratives Geschäft, ohne dann die Risiken in Betracht zu ziehen, dass man im Handgepäck diesen Käfer hat. Erschreckend dabei ist, dass dann diese Invasion völlig ungebremst auf unvorbereitete Behörden trifft."
Mit seinen bioakustischen Geräten erreicht der Bioakustiker aus Görnow eine Trefferquote von 97 Prozent. Trotz der hochsensiblen Technik ist das aber ein mühseliger Weg, der viel Erfahrung, Geld, Konsequenz und Hartnäckigkeit fordert.
"Das ist dann wieder die Faszination, welches komplexe Gefüge die Natur bereitstellt hält, wie alles ineinander greift; und ich muss ganz einfach sagen: Die Gier letztendlich, das Ausbreitungsproblem ist eindeutig die Gier. Das nicht warten können, nicht normalen Prozessen die Zeit zu geben und wenn man nicht abwarten kann, dann nur halbherzig vorzugehen, das heißt jegliche Vernachlässigung von Kontrollmechanismen. Der aktuelle Stand ist: die Kanarischen Inseln sind befallen, Zentralspanien ist inzwischen komplett befallen. Dann der letzte Stand ist dann, Mallorca gehört auch zum Kreise derer, die befallen sind. Südfrankreich teilweise ist er aufgetreten, dann Sizilien, Neapel, Rom, Toskana, Kreta, Zypern, Rhodos."
Unvorstellbar, was passiert, wenn der Käfer auf andere Bäume überspringt. Ananas ist möglich. Dass er die Frucht der Bananenstaude frisst, kann Benedikt von Laar beweisen. Und wie soll der Mensch seinen Ramadan feiern, wenn keine Dattelpalmen mehr da sind.
"Es ist relativ, es ist eigentlich relativ. Das Problem ist, dass der Mensch mal wieder keine Zeit hat. Irgendwann, wenn man eigentlich der Struktur der Biologie oder der Ökologie folgen würde, dann bedeutet das, das ist dann okay, dann lass ihn gewähren, den red palm vivel. Dann frist er erst alle Palmen weg, man muss nur genug Zeit haben. Und wenn er irgendwann keine Nahrung mehr hat, dann bricht seine Population zusammen. Aber die Frage ist ja in dem Spiel: Hat der Mensch so viel Zeit abzuwarten? Insofern sind wir doch nicht so weit vom Red palm vivel weg. Wer weiß?"
Heimfahrt durch ein Mecklenburger Idyll: Grüne Weiden, gelbe, wahrscheinlich genmanipulierte Rapsfelder, ein Habicht kreist in der Luft, Vögel zwitschern und es duftet wie in Gottes Parfümladen: und über der Landschaft steht die Frage: Warum leben wir mit Problemen, die kluge Menschen lösen können.
Der Englische Garten
Von Barbara Roth
Ein gern genutztes Motiv, wenn es um Schön-Wetter-Meldungen im Fernsehen geht, ist der Englische Garten in München. Bilder der Erholung werden gereicht, Ansichten einer heilen Welt. Doch in den Bildern, genauer in den Bäumen ist der Wurm drin. Er verändert die Motive sichtbar. Barbara Roth berichtet, warum und wie.
Sobald die Sonne scheint, zieht der Englische Garten in München die Menschen magisch an. Dann tollen Kinder durch die weitläufige Parkanlage. Es treffen sich Musiker zu Konzerten. Und Liebespärchen machen es sich auf Decken gemütlich. Auch für Dr. Thomas Jung ist dann die Zeit gekommen, sich um die Buchen im Park zu kümmern. Er spritzt eine bläuliche Flüssigkeit an den Stamm.
"Das ist ein Mittel, das die Abwehrkräfte der Bäume ankurbelt in der Wurzel gegen den Phytophthora-Pilz. Das wird über den Stamm verabreicht und dann mit dem Saftstrom in die Wurzel transportiert."
Das Pflanzenschutzmittel ist für den Menschen ungiftig und wird der Buche ein Mal pro Jahr verabreicht. Jung ist Forstwissenschaftler und international als führender Phytophthora-Experte anerkannt. Von der australischen Regierung wurde er zum Beispiel beauftragt, die Pilzerkrankung in den Eukalyptus–Wäldern zu erforschen.
"Jeder von uns hat gerne schöne Rhododendron in seinem Garten stehen, die abstrus, toll blühen. Also sind sogenannte Rhododendronjäger unterwegs in den chinesischen Provinzen und suchen die, nehmen sie mit Wurzelballen nach Europa mit, es gibt keine Quarantäne-Bestimmungen, die dies verbieten, diese Erde sind völlig versucht mit asiatischen Pilzen und die kommen dann hier in die Baumschulen und werden weiter verbreitet, in die Parks, in die Gärten und die Wälder."
15 Unterarten dieses asiatischen Pilzes sind in Europa mittlerweile bekannt. Nur europäische Laubbäume sind dagegen nicht resistent.
"Es gibt im ganzen Englischen Garten nicht eine einzige Buche, die nicht krank ist. Die Frage ist nur, wie krank."
Jung steht unter einer rund 180-jährigen Buche, die mit Gründung des Parks im Herzen Münchens gepflanzt worden war. Es sind diese alten, mächtigen Bäume, die das Bild und den Flair des Englischen Gartens ausmachen.
"Durch eine Buchenkrone dürften sie den Himmel nicht sehen. Wenn Sie jetzt da rauf schauen, dann sehen sie überall den blauen Himmel. Diese Pilze töten die Feinwurzel ab. Und deswegen sterben die Kronen so zurück, egal wie nass sie stehen. Alles, was sie da oben jetzt an blauem Himmel sehen, ist verlorene Blattmasse. Der Pilz erstört die Wurzel, der Baum kann kein Wasser mehr ziehen. Da sieht man genau, dass die Krone schon zu 40 oder 50 Prozent kaputt ist, tot ist."
Ob er die Buche noch retten kann? Jung schüttelt den Kopf. Gegen den aggressiven Pilz hilft bei alten Bäumen nichts. Das Mittel, das er versprüht, kann den Verlauf der Erkrankung nur hinaus zögern. Er zeigt auf eine dominante Baumgruppe an einer Weggabelung. Einst standen hier sechs mächtige Buchen. Drei waren nicht mehr zu retten. Sie sind im letzten Winter der Axt zum Opfer fallen – wegen Verkehrssicherheitsgefährdung. Einen Unfall wegen fallender Äste könnte sich die Parkverwaltung nicht erlauben.
"Es ist abstrus, was hier für Gestalten rum stehen im Englischen Garten, aber das ist überhaupt keine Ausnahme: Ob es der Dürnberg Park in Regensburg ist, ob es der Siebentischpark in Augsburg ist, ob es die Schlossparkanlagen auf Herrenchiemsee sind, ob der Nymphenburgpark ist, bei der Eiche, Linde oder Buche, das ist völlig egal, die schauen alle gleich schlimm aus. Und wenn man ihnen nicht hilft mit so einem Mittel, dann werden diese alten Bäume in den nächsten zehn Jahre alle verschwinden."
Der Englische Garten in München – und nicht nur der – wird sich verändern. Er wird lichter und heller werden, denn bis die als Ersatz gepflanzten Buchen groß sind, werden Jahrzehnte vergehen. Nur – wer weiß das? Keine zehn Meter von der Buche entfernt, die Jung behandelt, liegen Leute im Schatten der Bäume ahnungslos im Gras und lesen.
"Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Weiß aber keiner, oder? Es nirgendswo. Haben das alle hier? Oh."
Thomas Jung wundert sich nicht. Den Menschen werde weiß gemacht, dass die Laubbäume im Englischen Garten unter der allgemeinen Luftverschmutzung leiden. Was seinen Forschungsergebnissen nach nicht stimmt.
"Ich war jahrelang in Weihenstephan beschäftigt und hatte einen Maulkorberlass vom Ministerium. Da hat sich die Staatskanzlei selber beim Präsidenten beschwert, dass ich die Wahrheit sage. Und dann durfte ich bestimmte Begriffe nicht mehr verwinden: wie beispielsweise Seuche und Epidemie durften nicht mehr in Interviews vorkommen, damit man den Verbraucher schön im Blöden lässt."
Mittlerweile hat sich Jung selbständig gemacht. Im Englischen Garten ist er für die Bayerische Schlösserverwaltung unterwegs, die dem Finanzministerium untersteht. Im eigentlich zuständigen Landwirtschaftsministerium aber findet er mit seiner Forschungsarbeit kein Gehör: Von offizieller Seite werde nicht anerkannt, was in den deutschen Parks eigentlich los ist.
"Der Staat selber macht gar nichts. Der hat die Forschung komplett eingestellt mit denen Pilzen. Das ist die übliche Reaktion von Beamten: Wenn ein Problem auftritt, gar nicht versuchen, es zu lösen, sondern versuchen, es tot zu schweigen."
Für die alten Buchen im Englischen Garten ist es sowieso längst zu spät.